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Vorwort

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Etymologisch abgeleitet von Anxietas, lateinisch Enge bzw. Engegefühl, beschreibt das Wort Angst zunächst die mit dieser Emotion einhergehenden, vor allem körperlichen Veränderungen und Empfindungen. Wenn wir Angst haben, spüren wir häufig ein Druck- oder Engegefühl im Brustraum, manchmal Atemnot, Herzklopfen oder Beklemmungsgefühle. Diese und ähnliche Symptome sind Ausdruck einer im Zusammenhang mit emotionalem Angsterleben beobachteten körperlichen Anspannung.

Wir alle kennen solche Zustände. Und obwohl Angst und die damit verbundene körperliche Symptomatik von uns in der Regel als ausgesprochen unangenehm, z.T. als pathologisch erlebt wird, handelt es sich in der Regel um eine normale, physiologische Reaktion. Diese ermöglicht es uns, in Gefahrensituationen adäquat zu reagieren, uns auf Bedrohung einzustellen und gegebenenfalls eine entsprechende Reaktion zu veranlassen. Entwicklungsgeschichtlich betrachtet können wir uns an dieser Stelle für Kampf oder Flucht entscheiden, je nachdem ob wir eine Bedrohung als beherrschbar oder eben nicht beherrschbar einordnen. Angst ist somit ein wichtiges biosoziales Signal, welches uns seit Jahrtausenden das Überleben sichert.

Tritt Angst zu oft, zu stark oder zu intensiv auf oder entsteht Angst in Situationen, in denen eigentlich keine reale Gefahr existiert, sprechen wir von der krankhaften Angst, gegebenenfalls von einer Angsterkrankung. Allerdings sind die Grenzen zwischen Angst und Angsterkrankung oftmals fließend. Im Übergang von gesunder zu krankhafter Angst gibt es viele Zwischenstufen, die nicht immer eindeutig einem der beiden Pole zuzuordnen sind. Insofern stellt die Diagnostik krankhafter Angst hohe Anforderungen an den Arzt oder Psychotherapeuten.

Das vorliegende Buch beschäftigt sich im Wesentlichen mit den gesellschaftlichen Aspekten von Angst. Die unterschiedlichen Facetten dieser Grundemotion sind allen Menschen bekannt und spielen demzufolge sowohl im Leben des Einzelnen als auch in der Gesellschaft eine große Rolle.

Da wundert es nicht, dass sich das Phänomen der Angst in Musik, Kunst, Politik, Religion und anderen gesellschaftlichen Bereichen wiederfindet. Zeigt sich in der Betrachtung des Phänomens Angst in Musik und Malerei vor allem der Versuch, der Angst ein Gesicht zu geben, so zeigt sich in Politik und Religion der Versuch, die Emotion Angst zu instrumentalisieren, sei es in dem Versuch Angst zu nehmen, sei es in dem Ansinnen, Angst zu erzeugen. Diese und andere gesellschaftliche Aspekte der Angst werden in diesem Buch von namhaften Autorinnen und Autoren beleuchtet und diskutiert, positive Aspekte der Angst werden genauso illustriert wie die möglichen negativen Folgen im Umgang mit derselben.

Die historische Erfahrung zeigt, dass Angst insbesondere in Krisensituationen eine wichtige Rolle spielt – sowohl im Leben des Einzelnen wie auch in der Gesellschaft. Dies wird auch in der aktuellen Corona-Situation deutlich, die beispielhaft illustriert, dass schwere Krisen Angst machen können, die Angst aber auch zu großen Leistungen befähigt. Wir sehen, dass Angst die Massen bewegen kann. Wir sehen, dass Angst politisch instrumentalisiert werden kann. Wir sehen auch, dass wir Halt brauchen, wenn wir Angst haben. Und es ist zu beobachten, dass dieser Halt an unterschiedlichen Stellen gesucht wird, sei es in der Politik, in der Medizin, in der Wissenschaft, bei Autoritäten ebenso wie bei Minoritäten. Aus diesem Grund ist dem Thema Angst und Corona in diesem Buch ein eigenes Kapitel gewidmet, das gleichermaßen versucht, die gesellschaftlichen Aspekte der Corona-Krise zu beleuchten wie die medizinischen Auswirkungen der Pandemie im Hinblick auf Angst und andere psychische Störungen zu untersuchen.

Wenngleich Angsterkrankungen zu den häufigsten psychischen Störungen gehören und somit in medizinischer Hinsicht große Bedeutung haben, so ist doch der gesellschaftliche Aspekt des Phänomens Angst für weitaus mehr Menschen von Bedeutung. Wir hoffen, dass die vorliegende Zusammenstellung der Kapitel zum Themenkomplex Angst Interesse weckt und unsere Sensibilität schärft im Hinblick auf diese wichtige und besondere Grundemotion.

Prof. Dr. med. Peter Zwanzger

Wasserburg am Inn, Mai 2021

Angst und Gesellschaft

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