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1.3 Semantik der Angst

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Parallel zur Vielfalt der Personifikationen der unterschiedlichen Spielarten und Intensitäten von Angst entwickelte sich auch in sprachlicher Hinsicht ein breit gefächertes Spektrum, die Angstsymptomatik in Worte zu fassen. Bemerkenswert hierbei ist die Konzentration der Terminologie auf eine Illustration ausschließlich körperlicher Symptome, die sich bis in die aktuelle Gegenwart nahezu unverändert erhalten hat, wenn wir auch heute noch davon sprechen, dass sich aufgrund von Angst die Haare sträuben, die Augen weit aufgerissen und die Pupillen geweitet sind, die Ohren sausen, der Atem stockt (häufig auch das Bild der zugeschnürten Kehle), die Stimme versagt, das Herz entweder unregelmäßig schlägt oder gänzlich aussetzt, der Puls rast, die Knie weich werden oder der gesamte Körper von Angstschweiß und Tremor bis hin zu Lähmungserscheinungen, Krämpfen und kompletter Starre regiert wird.

Die Semantik des Wortes ‚Angst‘ (griech. ἄγχω, ἄγξω; lat. ango: wörtl. Bed. ‚zuschnüren‘, ‚zusammenpressen‘, ‚den Atem entziehen‘, ‚erdrosseln‘, ‚erwürgen‘, ‚henken‘, Medium: ‚sich erhängen‘, ‚sich ängstigen‘; verwandt mit dem deutschen Wort ‚Enge‘; Subst. lat. angor, anxietas: ‚Beklemmung‘, ‚Angst‘) steht nicht nur mit dem Bild von der ‚zugeschnürten Kehle‘ in Zusammenhang, sondern auch mit dem Krankheitsbild der Angina (griech. συναγχή, κυναγχή, worunter zumeist nicht Angina pectoris, sondern Diphtherie verstanden wurde). Dessen beängstigende Symptomatik, verbunden mit Schluck- und Atembeschwerden bis hin zu Erstickungsanfällen, wurde ausführlich von den antiken und mittelalterlichen Ärzten beschrieben, wobei aufgrund der akuten Bedrohung, die mit dieser Symptomatik verbunden wurde, gelegentlich sogar versucht wurde, die herkömmliche Therapie mit iatromagischen Methoden zu ergänzen. Die römische Mythologie (vgl. Schwenck 1845, 298) wiederum kennt eine Göttin namens Angerona oder Angeronia, der ein eigenes Fest, die Angeronalien, gewidmet war (darüber berichtet Varro). Das Bildnis dieser Angeronia befand sich auf dem Alter der Volupia (Göttin der Lust) und zeigte eine Frauengestalt mit verbundenem und versiegeltem Mund. Zur Interpretation dieser Darstellung überliefern die römischen Quellen unterschiedliche Varianten: so z.B. die heroische, die besagt, dass derjenige, der seine Angst schweigend und geduldig erträgt und somit schließlich überwindet, mit der höchsten Lusterfahrung belohnt werde (Masurius), oder die medizinische, die in der Darstellung ein Votiv anlässlich der Befreiung Roms von der grassierenden Angina sieht (Julius Modestus).

Angst und Gesellschaft

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