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5. Narration und Storytelling

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Die zunehmende Differenzierung und Komplexitätssteigerung in allen gesellschaftlichen Teilbereichen verändert die öffentliche Kommunikation und stellt auch die professionelle Organisationskommunikation vor neue Herausforderungen. Obwohl viele Organisationen aus der Wirtschaft ihre Umweltbeziehungen managen, scheinen sie immer häufiger daran zu scheitern, mit ihren Themen und Botschaften durchzudringen und ihre Sinnentwürfe gesellschaftlich anschlussfähig zu machen und durchzusetzen (Krüger 2015:18). Dies liegt vermutlich auch an ihrer eigenen Ausdifferenziertheit und Komplexität:

Gerade Wirtschaftsunternehmen, die unter permanentem Entscheidungsdruck stehen, haben zahlreiche Mechanismen zur Herbeiführung, Erklärung, Rationalisierung und Legitimierung ihrer Entscheidungen entwickelt. Hierzu zählen neben Organisationsstrukturen und Rollensystemen beispielsweise komplexe Kennzahlensysteme und ein in immer kürzeren Intervallen aktualisiertes Berichtswesen (Krüger 2015:18).

Obwohl diese Strukturen und Argumentationslogiken des Wirtschaftssystems im Zuge einer gesellschaftsweiten Ökonomisierung auch vor anderen Gesellschaftsbereichen nicht haltmachen, erweisen sie sich offenbar als nur begrenzt geeignet, um Unternehmenshandeln dauerhaft gegenüber gesellschaftlichen Teilbereichen zu legitimieren. Geschichten sind in den vergangenen Jahrzehnten zu einem zentralen Gegenstand in der Organisationsforschung geworden und scheinen für eine Organisation zu jeder Zeit von Bedeutung zu sein (Czarniawska 2009:63, Schach 2016:15). Neue Organisationen brauchen Geschichten, um diversen gesellschaftlichen Anspruchsgruppen das noch unbekannte Unternehmen bzw. Produkt darzustellen (Lounsbury & Glynn 2001). Auch etablierte Organisationen erzählen Geschichten, manche sogar Erfolgsgeschichten oder organisationale Mythen und Sagen, die die Identifikation der Mitglieder mit der Organisation stärken (Czarniawska 2009:64). Grundsätzlich bezeichnet StorytellingStorytelling alle Konstruktionsformen auf der narrativen Ebene öffentlicher Kommunikation (Szyszka 2015:620). Es kann als Kommunikationsoperation beschrieben werden, die prinzipiell geeignet ist, die Kommunikation von Organisationen, auch über Funktionssystemgrenzen hinweg, anschlussfähig zu machen. Die Organisationskommunikation nutzt demnach an Stelle des Codes des Muttersystems den Code eines anderen Systems (z.B. den Code der Massenmedien) und simuliert diesen. Der Kommunikationsmodus unterscheidet sich von den im Wirtschaftssystem vorherrschenden zweckrationalen Argumentationsmustern und der rein deskriptiven Informationspolitik. Storytelling wird stattdessen als narrativer Kommunikationsmodus verstanden, der Sinn vermittelt, indem er gesellschaftlich anschlussfähige Mitteilungen in narrativer Form hervorbringt (Krüger 2015:16). Dieser Kommunikationsmodus unterstützt die LegitimationLegitimation von und das Vertrauen in Organisationen über die Grenzen des eigenen Funktionssystems hinaus. Die Wiederentdeckung des Erzählens in Teilen der Kommunikationspraxis von Organisationen ist der Suche nach einem Kommunikationsmodus geschuldet, der es ermöglicht, Komplexität effektiv zu reduzieren, öffentliche Aufmerksamkeit sicherzustellen und Zustimmung zu bestimmten Sinnentwürfen zu erlangen. Die Anschlussfähigkeit spielt dabei eine große Rolle:

Geschichten und die in ihnen enthaltenen Erzählmuster bilden als Teil des kollektiven Gedächtnisses der Gesellschaft den kommunikativen „Kitt“, der Verstehen in einer komplexen und funktional differenzierten Gesellschaft ermöglicht und gesamtgesellschaftlich anschlussfähigen Sinn vermittelt (Krüger 2015:31).

Geschichten von wirtschaftlichen Akteuren liefern zudem Hinweise, wie Beziehungsgefüge wahrgenommen werden und helfen Organisationen sich zu präsentieren bzw. die Konkurrenz zu beobachten (Mützel 2010:40). Storytelling in den Public Relations bedeutet, „den internen und externen Bezugsgruppen Fakten über die Organisation gezielt, systematisch geplant und langfristig in Form von Geschichten zu erzählen“ (Frenzel et al. 2006:3). Grundsätzlich beziehen sich Narrationen auf Ereignisse, die von einem Konflikt zwischen unterschiedlichen Wertvorstellungen handeln. Diese Komponenten werden dabei in einem kulturell überlieferten Grundmuster (einem Basis-Narrativ) miteinander in eine fassbare Verbindung von Konflikt und Konfliktlösung gebracht (Brinker et al. 2014:74). Die Kernbotschaft, die eine Geschichte in der Organisationskommunikation transportiert, wird in der Regel implizit vermittelt und nicht explizit erklärt. Sie kann mehrere Aussageebenen beinhalten und unterschiedliche Bedeutungen bekommen – je nach Kontext (Huck-Sandhu 2014:661). Narration umfasst textlinguistisch drei thematische Grundkategorien: Situierung, Repräsentation und Resümee. Situierende Elemente können kontinuierlich oder diskontinuierlich vorkommen oder auch gänzlich fehlen. Im Mittelpunkt der Erzählung steht die Repräsentation des Ereignisses, das sich aus einer oder mehreren Ereignisphasen konstituiert. Die Kategorie Resümee bezeichnet die zusammenfassende Einschätzung vom Erzählzeitpunkt aus (Brinker 2014:71). Ein zentraler Aspekt des Storytellings als Technik ist jedoch die strategische Ausrichtung (Hillmann 2011:63). Der Schritt zur Strategie vollzieht sich meist anhand der Frage, welche Geschichten erzählt werden. Diese Einigung auf Kerngeschichten wirkt auf das Tun der Organisation, sobald Geschichten aufgenommen und weitergetragen werden (Ettl-Huber 2014:19). In Organisationen lassen sich dabei verschiedene Stufen identifizieren, unterschieden danach, inwiefern die Integration von Storytelling vorangeschritten ist – vom unbewussten bis zum strategischen Storytelling.

Sprache und Kommunikation in der beruflichen Aus- und Weiterbildung

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