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5. Sprachliche MindestanforderungenMindestanforderungen aus Sicht der Wirtschaft

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Die Frage, welche Mindestanforderungen an sprachliche Kompetenzen bei Schulabsolventinnen und Schulabsolventen gestellt werden, beantwortet eine bundesweite repräsentative Online-Unternehmensbefragung des IW Köln (Klein & Schöpper-Grabe 2012a). In der Studie wurden die Unternehmen gebeten, die basalen Grundbildungskompetenzen zu benennen, die Schulabsolventen zwingend zur Aufnahme einer Ausbildung benötigen und die als unverzichtbarer Bestandteil von Grundbildung bezeichnet werden können. Ganz eindeutig hatte die ausreichende Sprachbeherrschung den größten Stellenwert als Voraussetzung zur Aufnahme einer dualen Berufsausbildung neben mathematischen Grundlagen und sozialen und personalen Kompetenzen.

Mehr als acht von zehn Unternehmen halten diese sprachlichen Kompetenzen für „unverzichtbar“ oder „eher unverzichtbar“:

Deutsch
Informationen einholen Die eigene Meinung begründet vertreten Informationen zusammenfassen Sich konstruktiv und sachlich an Diskussionen beteiligen Gespräche (zum Beispiel Bewerbungsgespräche) situationsangemessen führen Sachverhalte (zum Beispiel einen Unfall) verständlich darstellen Redebeiträge (zum Beispiel Kurzvorträge, Diskussionsbeiträge, Arbeitsanweisungen) verstehen und angemessen wiedergeben Fernseh- und Nachrichteninformationen verstehen Sach- und Gebrauchstexte verstehen und nutzen Informationen aus Texten zusammenfassen Wichtige Informationsträger kennen und nutzen Informationen aus Texten bewerten Grundlegende Lesetechniken kennen und anwenden (zum Beispiel sinnerfassendes Lesen, Überschriften formulieren) Rechtschreibung beherrschen Zeichensetzung beherrschen Wissen, dass unterschiedliche Kommunikationssituationen eine unterschiedliche Sprachverwendung erfordern Schriftlich argumentieren und Stellung nehmen Zwischen unterhaltenden, informierenden und wertenden Texten unterscheiden und die Textabsicht erkennen Berichte und Beschreibungen erstellen Grundregeln der Grammatik kennen und anwenden Schreiben sachgerecht formulieren

Tab. 1:

Sprachliche Mindestkompetenzen von Schulabsolventen im Sinne der AusbildungsreifeAusbildungsfähigkeit (Klein & Schöpper-Grabe 2012a:55f.) (n = 911 ausbildungsaktive Unternehmen)

Die von den Unternehmen erwarteten sprachlichen Kompetenzen waren dabei nahezu identisch mit den in sämtlichen von Klein & Schöpper-Grabe untersuchten Lehrplänen angegebenen elementaren schulischen Bildungsinhalten (2012a:53). Das Ergebnis unterstreicht die hohe Deckungsgleichheit der in einer Berufsausbildung benötigten kommunikativen Kompetenzen „mit denen […], die ein Individuum im Alltag und für eine allgemeine gesellschaftliche Handlungsfähigkeit und Persönlichkeitsentfaltung benötigt“ (Efing 2013a:14). Nach Efing weisen unterschiedliche Studien aus der angewandten Linguistik, Deutsch- und Fremdsprachendidaktik darauf hin,

dass die Bedeutung von (fach- und berufsspezifischer) Fachsprache im Beruf bislang weit überschätzt wurde und stattdessen die Beherrschung einer weitgehend fach- und berufsunabhängigen Berufssprache, die der Allgemeinsprache nahe steht, von Relevanz für eine berufliche Handlungsfähigkeit ist (Efing 2013a:14).

Insofern widerlegen diese Befunde zu den mindestens erforderlichen sprachlichen Kompetenzen auch die Behauptung (Winkler 2008:71), von Auszubildenden würden zunehmend Kompetenzen erwartet, für deren Entwicklung erst die Ausbildungsinstanzen selbst zuständig seien.

Solchen Vorhaltungen tritt auch der von den Partnern des Nationalen Ausbildungspakts veröffentlichte „Kriterienkatalog zur AusbildungsreifeAusbildungsfähigkeit“ (BA 2006) entgegen. In diesem Katalog definieren Arbeitgeber- und Industrieverbände, Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern, das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB), Bundesministerien sowie die Bundesagentur für Arbeit einen an Schulen und Schulabsolventen gerichteten Orientierungsrahmen, der die zu erfüllenden Anforderungen – unter anderem an schulische Basiskenntnisse wie Schreiben und Lesen – für die Aufnahme einer Berufsausbildung beinhaltet. In einer jüngeren Publikation plädiert die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände dafür, „junge Menschen in der Schule mit einer ausbaufähigen und nachhaltigen Grundbildung auszustatten und ihre Ausbildungsreife zu sichern“ (BDA 2015:19) – ein impliziter Hinweis auf die für eine Berufsausbildung erforderliche Literalität.

Dass mangelnde Sprachkenntnisse ein Ausbildungshemmnis sind und zur Kompensation zusätzliche Unterstützungsmaßnahmen der Ausbildungsbetriebe erfordern, bestätigt mittelbar eine BIBB-Studie über Jugendliche mit Hauptschulabschluss in der betrieblichen Ausbildung: „Besonders förderlich für einen hohen Anteil Jugendlicher mit Hauptschulabschluss scheint zu sein, wenn Betriebe sich in der Förderung deutscher Sprachkenntnisse engagieren“ (Gerhards et al. 2013:13). Vor diesem Hintergrund wird erneut deutlich, dass die Schule ihrem Bildungsauftrag nur suboptimal gerecht wird und welche langfristigen Folgen die fehlenden GrundkompetenzenGrundkompetenzen für die Teilhabe an Gesellschaft und Beruf für den Einzelnen haben.

Denn künftig sind Jobs für Geringqualifizierte noch rarer, als sie es bereits heute sind. Fast die Hälfte aller Arbeitslosen ist aufgrund der unzureichenden Qualifikationen auf der Suche nach einem Helferjob (Bogai et al. 2014). Sprachliche Kompetenzen sind dabei neben dem fachlichen Qualifikationsniveau ein entscheidender Faktor für die Erwerbstätigkeit. Dass Geringqualifizierte überwiegend in einfachen Tätigkeiten unterhalb des Facharbeiterniveaus tätig sind, bedeutet nicht, dass für die Ausübung der Tätigkeit keine MindestkompetenzenMindestkompetenzen oder Qualifikation erforderlich sind (Klein & Schöpper-Grabe 2012b:74–76). Einfache Tätigkeiten verlieren weniger ihre Relevanz, sondern es ändert sich vielmehr ihre Qualität, was zu erweiterten Kompetenzanforderungen an Geringqualifizierte führt (Weber & Kretschmer 2012:40f.), die zu einem großen Teil auch mit höheren Anforderungen an die Lese- und Schreibfähigkeit verknüpft sind.

So gaben bei einer IW-Unternehmensbefragung zur Grundbildung und Weiterbildung von Geringqualifizierten 17 % der Unternehmen an, dass sie bei vielen ihrer Beschäftigten Defizite im Lesen und Schreiben in Deutsch festgestellt hatten (Klein & Schöpper-Grabe 2015:118). Etwas über die Hälfte der Unternehmen bestätigte dies in Bezug auf einzelne Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Denn längst haben Unternehmen begonnen, auch bei der Suche nach An- und Ungelernten auf die vorhandenen Grundqualifikationen zu achten und überprüfen diese auf vielfältige Weise (Klein & Schöpper-Grabe 2015:121). Tabelle 2 zeigt, welche sprachlichen Mindestkompetenzen Unternehmen von Geringqualifizierten erwarten.

Wenn unzureichende sprachliche Kompetenzen von Geringqualifizierten zu Problemen führen, zum Beispiel zu Fehlern im Produktionsprozess oder Missverständnissen, können arbeitsplatzorientierte Grundbildungsangebote abgestimmt auf den jeweiligen Bedarf unterstützen. Zwar hat die aktuelle Diskussion um die Sicherung des Fachkräftenachwuchses den Blick zunehmend auf die qualifikatorischen Potenziale an- und ungelernter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gelenkt; allerdings erschweren nicht nur die kognitiven (Lern-)Voraussetzungen, das Bildungsniveau und die bisherigen Lernerfahrungen dieser Zielgruppe die Teilnahme an Weiterbildungen. Ebenso können auch knappe zeitliche Ressourcen sowie mangelnde passgenaue Angebote bei Bildungsträgern vor Ort die Durchführung von Fördermaßnahmen behindern.

Mindestkompetenzen Ja, unverzichtbar Eher unverzichtbar Summe
Situationsangemessen deutsch sprechen 77,1 19,2 96,3
Sachverhalte mündlich verständlich darstellen 65,5 28,5 94,0
Tätigkeitsrelevante Texte verstehen 55,6 34,1 89,7
Redebeiträge verstehen und angemessen wiedergeben (Arbeitsanweisungen, Kundenkontakte) 43,1 39,9 83,0
Einfache Sachverhalte schriftlich formulieren 46,8 35,7 82,5

Tab. 2:

Sprachliche Mindestkompetenzen von GeringqualifiziertenGeringqualifizierte aus Sicht der Unternehmen (Klein & Schöpper-Grabe 2012a:75) (Differenz zu 100 %: Antwortkategorien „Eher nein“ und „Nein, verzichtbar“, Rundungsdifferenzen möglich, n = 1.114 Unternehmen)

So haben rund 80 % der Unternehmen, die Geringqualifizierte beschäftigen, in den letzten fünf Jahren mindestens eine Weiterbildungsmaßnahme für Geringqualifizierte angeboten. Bei knapp einem Drittel der Unternehmen handelte es sich um eine Maßnahme zur Förderung der arbeitsplatzorientierten Grundbildung, allerdings spielte die Förderung von sprachlichen Kompetenzen bislang eine marginale Rolle: Acht Prozent der Maßnahmen entfielen auf Kurse zur Förderung der Lese- und Schreibfähigkeiten für Beschäftigte mit nicht-deutschsprachigem Hintergrund und vier Prozent auf entsprechende Kurse für Beschäftigte mit deutschsprachigem Hintergrund (Klein & Schöpper-Grabe 2015:122–124).

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