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2 Die Rolle der Norm für die Sprachkritik

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Eine Norm ist eine Vorgabe für einen bestimmten Bereich. Ausgehend vom lat. norma mit der Bedeutung ‚Winkel, Winkelmaß‘ hat sich metonymisch die Bedeutung ‚Richtschnur, Regel‘ (Stowasser 1980 s.v. norma) herausgebildet, von der sich das Adjektiv normalis mit der Bedeutung ‚das Normale als das der Regel entsprechende‘ ableiten lässt (Rey-Debove 2003, 1–2). Eine Norm ist stets ein soziales Phänomen, das eine Orientierung der Ausprägung eines Gegenstands an einem Maß ermöglicht, um so die Bewertung von Gegenständen oder Sachverhalten auf eine vergleichende Grundlage zu stellen. Das Ziel ist also eine einheitliche Ausrichtung aller Elemente eines Bereichs auf einen Wert, um so eine Vereinheitlichung bzw. eine Stabilisierung der Ausprägungen um einen Wert herum zu erreichen. Damit gilt eine Norm in logischer Umkehr als Bewertungsmaßstab für Abweichungen in diesem Bereich.2

Da eine Norm bereichsabhängig ist und sozial verankert werden muss, gibt es üblicherweise nicht nur eine einzige Norm, sondern oft mehrere erklärte Normen, so dass meist von Normen im Plural gesprochen wird (Bartsch 1987, 155). Gegenstand der Normausrichtung ist meist etwas Geschaffenes, aber es können auch natürliche Dinge oder soziale Muster einer Norm unterworfen werden. Die Gültigkeit muss erklärt und der Gültigkeitsbereich festgelegt werden, meist von der Gesellschaft oder einer sie ausgebenden Institution, die sich mit dem Bereich befasst.3

Der Prozess der Normgebung umfasst mehrere Phasen, vom Bewusstwerden für die Notwendigkeit von Normen über die Wege der Ermittlung von Normen, ihrer Formulierung und Verkündung bis hin zur Durchsetzung, Rezeption und auch Wirkung (bzw. Nicht-Wirkung). Es gibt verschiedene Arten von Normen, die z.B. durch den Grad der Verbindlichkeit klassifiziert werden (grobe Zielvorgaben gegenüber obligatorisch gesetzten Werten). Die soziale Vorgabe kann stark sein (Pflicht, Verbot, Erlaubnis) oder schwach wirken (Empfehlung, Rat, Freigabe). Auch die Art der Konstituierung einer Norm oder eines Normwerts wirkt differenzierend, so werden präskriptive und deskriptive Normen unterschieden. Eine präskriptive Norm liefert Vorgaben für einen sozial akzeptierten Sprachgebrauch, in deskriptiver Perspektive wird ein Normalwert durch das häufige Vorkommen und somit als statistischer Durchschnitt ermittelt, wodurch eine „Normalität“ dieses üblichen Werts angenommen wird, auf welche die Ausrichtung erfolgen kann, aber meist nicht muss (Bartsch 1987, 157–163).

In Bezug auf Sprache ist demzufolge zu unterscheiden, auf welchen Bereich sich eine Norm bezieht und wie diese sozial zur Norm erklärt wird, v.a. wer diese Vorgabe trifft und wie diese durchgesetzt und verankert wird. Nach Koch (1988, 331) sind Normen für die verschiedenen Varietäten einer Sprache zu unterscheiden, also Normen der Schriftsprache oder Sprechsprache bzw. sind es diastratische, diaphasische oder diatopische Normen, die wirken können.

Bei sprachlichen Normen ist weiterhin zu unterscheiden zwischen der Ebene der Varietät und der Ebene der Varianten. Zielpunkt einer sprachlichen Norm ist eine sprachliche Varietät, der ein sozialer Wert z.B. als offiziell anerkannte Sprache (langue) zugeschrieben wird. Da diese sich nur in konkreter Realisierung (parole) manifestiert, wird sie durch innersprachliche Merkmale bestimmt, auf die der soziale Wert der Varietät übertragen ist. Diese innersprachlichen Varianten konstituieren in ihrer Gesamtheit dann die sprachliche Norm-Varietät.

Die präskriptiven Normen werden von Institutionen der Gesellschaft ausgegeben, die sich intensiv bzw. professionell mit Sprache befassen oder annehmen, ein Mandat dafür zu haben, so z.B. die Schule mit kodifizierenden Werken wie Grammatiken oder Wörterbüchern, Sprachinstitutionen, Akademien, Ministerien etc. Die Normgebung ist im Falle Québecs durch politische Bestimmung der Institution des Office québécois de la langue française (OQLF) übertragen worden, die somit eine bestimmte sprachliche Varietät als Normsprache zu verbreiten sucht, aber nicht immer Erfolg in der Durchsetzung hat.

Deskriptive Normen in der Sprache werden nach Sinner (2014, 107) durch den „sozial dominierenden Gebrauch“ bestimmt. Diese Gebrauchsnormen sind also die üblichen Realisierungen des Systems, neben anderen möglichen und weniger frequenten Realisierungen. Die Variation der Sprache und solche deskriptiven Normen können von den Sprechern wahrgenommen und als Richtschnur angesehen werden, auf die sie sich ausrichten, z.B. bei Innovationen, die sich ausbreiten, hochfrequent und schließlich sozial anerkannt werden, so dass sie durch einen Wörterbucheintrag sanktioniert werden. Die tatsächliche Wirkung von Normen auf die Sprecher ist dabei zu unterscheiden von den Intentionen der Norm.

Für die Sprecher wirken präskriptive Normen, z.B. durch die Schule, und deskriptive Normen durch die Kommunikationserfahrung zusammen. Nach Ansicht von Sprachplanern sollte es für die Sprecher wichtig sein zu wissen, in welchem Bereich eine sprachliche Vorgabe einer Norm vorhanden ist und welche konkreten Vorgaben auf der Ebene der Varianten dabei zu berücksichtigen sind. In der Praxis hingegen ist eine sprachliche Norm das, was Sprecher für angebracht halten oder wovon sie glauben, dass es von ihnen erwartet würde. Sie gehen also von einer Idealnorm der Standardsprache aus, d.h. sie haben in ihrer Gesellschaft einen Regelkomplex verinnerlicht, der üblicherweise nicht mit den existierenden Varietäten der Sprache übereinstimmt. Sie fragen sich, welcher Sprachgebrauch gut und richtig ist. ‚Falsch‘ und ‚richtig‘ sind dabei Kategorien, die sich sowohl auf die Grammatikalität des Systems beziehen können, also angeben, ob ein grammatikalischer Fehler vorliegt, als auch auf die Bewertung der sprachlichen Äußerung in Bezug auf eine Norm, also ob der Gebrauch dieses sprachlichen Elements sozial adäquat ist. Dabei wird die Abweichung von einer Norm beurteilt: z.B. kann ein Wort als nicht korrekt gewertet werden, das zwar als diatopische Variante linguistisch beschrieben und in einer bestimmten Region hochfrequent ist, aber im sozialen Kontext einer offiziellen Sprachäußerung einer anderen Region eine konträre Bewertung erfährt.

Eine solche Normdiskussion über eine idealisierte, „reine“ Sprachform zeigt schnell Bestrebungen zum Purismus in der Sprache auf. Auch in Québec wurden und werden Debatten von Sprachberatern, Gelehrten und interessierten Laien um eine gute Sprachverwendung, die der angenommenen Idealnorm entspricht, geführt. Die Frage nach der Norm bezieht sich dabei auf die Eingrenzung der zugrunde zu legenden Varietät. Diese Diskussion wird im heutigen Québec von interessierten Laien und Sprachinstitutionen geführt, wobei sich die Ansichten grob in zwei Lager teilen, welche sich entweder an einer auszubauenden, internen Varietät des Französischen in Québec oder an prestigeträchtigen, außerhalb Québecs zu verortenden Varietäten orientieren: die endogénistes (auch aménagistes genannt) und die exogénistes (oder internationalisants, vgl. Pöll 2009; Meney 2010; Sénécal 2010; Reutner 2009, 90). Vielen Beiträgen der Anhänger einer endogenen Norm ist nicht klar zu entnehmen, welche Varietät des Französischen in Québec zur Norm erklärt werden soll, denn es gibt mehrere diatopisch mehr oder weniger stark markierte Québecer Varietäten des Französischen, zu denen ein français québécois als Normvarietät in Québec abzugrenzen ist. Auf diese Varietät sind die allgemeinen Kriterien einer Norm zu beziehen.

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