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3 Das Québecer Französisch und die Normfrage

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Wenn die alloglotte und anglophone Minderheitsbevölkerung für die aktuelle Betrachtung ausgeklammert wird, liegt in Québec (früher wie heute) ein französischsprachiger Varietätenraum vor, der durch die Einwanderung von Siedlern aus Frankreich mit ihren verschiedenen regionalen Varietäten gekennzeichnet ist. Ohne die historische Entwicklung nachzeichnen zu wollen, kann festgehalten werden, dass die Sprecher in Québec immer stärker dazu übergingen, das Standardfranzösische zu sprechen, wenngleich mit unterschiedlicher Kompetenz und in seiner ganzen Variationsbreite. Auch im heutigen Québec ist das Französische als Muttersprache von 80 % der Bevölkerung in den jeweiligen diastratischen und diaphasischen Varietäten vorhanden, natürlich auch jeweils in diatopischen Ausprägungen. Die Kommunikationssituationen reichen von extremer Mündlichkeit im intimen, privaten Bereich bis hin zur extremen Distanzsprache in hochformellen oder fachlich-wissenschaftlichen bzw. administrativen Situationen. Alle sind zur historischen Sprache des Französischen zu rechnen, unterscheiden sich aber in einzelnen oder mehreren Merkmalen von entsprechenden Varietäten in Frankreich oder anderen frankophonen Regionen.4

In formellen Situationen ist das Französische in Québec im Verhältnis zur europäischen, Paris-zentrierten Varietät weniger stark markiert, in informellen viel stärker, aber in fast allen Äußerungen sind einzelne Merkmale festzustellen, welche die meisten Frankokanadier teilen. Dies ist v.a. in der Aussprache gegeben. Zudem sind einige Kanadismen in allen frankophonen Varietäten sehr verbreitet, welche jedoch in bestimmten Diskursbereichen vermieden und ersetzt werden, in denen ein regionaler Bezug keine Relevanz haben soll. Die Varietät der Québecer Umgangssprache weicht also stark von Äußerungen in offiziellen Bereichen ab und ist für Außenstehende teils schwer verständlich. Der umgangssprachliche Bereich ist am stärksten von diaphasischen Merkmalen geprägt, die auch regional oder sogar lokal diatopisch einzugrenzen sind. Daher unterscheiden sich diese auch innerhalb des Sprachgebiets von anderen Umgangssprachen.

Solche Merkmale könnten dann als Varianten der Québecer Norm gewertet werden. Aber die im Bereich der mündlichen Nähesprache angesiedelten Sprachformen kommen gerade nicht für eine Normierung in Frage, denn eine Normierung widerspräche dem spontanen Charakter der mündlichen Sprechsprache eines Gebiets. Auch das joual, das häufig als besonders charakteristische Varietät des Québécois angesehen wird, ist von einer Normierung auszuschließen, denn es ist der „im Gefolge der Landflucht und Industrialisierung entstandene, von Anglizismen affizierte populäre Sprachgebrauch der unteren Schichten“ (Pöll 1998, 68).

Das zeigt das Dilemma der Normierung einer eigenen Québecer Varietät: Je stärker der Unterschied der spezifischen Merkmale des Québécois zum europäischen Französisch ist, desto mehr Gewicht hätten diese als Argumente für eine Eigenständigkeit dieser sprachlichen Varietät, aber desto stärker sind sie auch auf den gesprochenen und informellen Nähebereich beschränkt, der sich am wenigsten als Träger prestigeträchtiger Varianten für eine Norm eignet. Denn von einem idealen Standpunkt aus wäre die Normierung sinnvoll für eine Varietät, die diatopisch auf Québec eingegrenzt werden kann, die aber diastratisch z.B. auf die Gruppe der Staatsdiener, Beamten oder Lehrer zu beziehen ist und die diaphasisch auf die Situationen der öffentlichen Kommunikation in staatlichen oder gesellschaftlich-relevanten Institutionen oder daran angelehnte und vergleichbare kommunikative Zwecke (öffentliche Kommunikation in Unternehmen) beschränkt wird.

Welches sind nun die Orientierungspunkte für eine Norm des Französischen in Québec gewesen? Die Diskussion über eine Leitvarietät des „guten Französisch“ in Québec ist im Zusammenhang mit der Frage nach dem sprachlichen Leitbild in Frankreich zu betrachten.

Sprachkritik und Sprachberatung in der Romania

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