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4 Die historischen Diskussionen zum sprachlichen Leitbild in Québec 4.1 Wandel des sprachlichen Leitbilds im 18./19. Jh.

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Das sprachliche Leitbild der Frankophonen in Québec war bis über die Französische Revolution hinaus der bon usage des Ancien Régime. Dieses sprachliche Vorbild war jedoch durch die Französische Revolution unter den Franzosen abgewertet und durch das neue Modell der Sprache der Pariser Bürgerschaft abgelöst worden. Diese Veränderung im Prestige der Leitvarietät ging einher mit der neuen Schulpolitik der Französischen Revolution, welche zur Folge hatte, dass sich die Schriftkenntnisse ausweiteten und die Varietät des geschriebenen Französisch Vorrang vor mündlichen Varietäten bekam. Gleichzeitig herrschte eine sehr rigide Normvorstellung, wie an mehreren Grammatiken der Zeit zu erkennen ist (Noël/Chapsal 1823; Rotgès 1896). Dadurch wurden auch Aussprachegewohnheiten, die mit der Sprache im Ancien Régime verbunden wurden, als veraltet abgewertet und durch diejenigen der nun herrschenden Schicht der Bourgeoisie abgelöst, die im Ansehen gestiegen waren. Diese Bürgerschicht konnte sich nicht, wie die Adligen, auf Traditionen der Sprache ihrer Gesellschaftsschicht, die lange an der Macht war, stützen, sondern sie vertraute auf die Tradition der Schrift, um zu bestimmen, was korrekt sein sollte. Daher wurden viele Konsonanten der Schrift auch in die Aussprache wieder neu eingeführt. Auch wurden Varianten, die nicht der schriftlichen Form entsprachen, aus dem korrekten Sprachgebrauch ausgeschlossen (vgl. Rey 2008, 74).

Doch ist diese Neuorientierung des sprachlichen Vorbilds in Frankreich aufgrund der Trennung Québecs vom Mutterland im Jahr 1763 in Kanada nicht bekannt geworden. In Québec war mit der Zugehörigkeit zum Kolonialreich Englands die Schulbildung zusammengebrochen, so dass die Alphabetisierung auf niedrigem Niveau verblieb; nur 27 % der Frankokanadier sind bis 1849 alphabetisiert (Galarneau 2000, 103).5 Daher erfolgte die Sprachweitergabe größtenteils auf mündlichem Wege. Die kleine gebildete Schicht hingegen war durch die offizielle englische Sprachpolitik einem starken Einfluss des Englischen ausgesetzt. Daher ergab sich ein sehr volkstümliches Französisch mit altertümlichen Formen und einer steigenden Anglisierung der Sprache. Auch waren einzig und allein missionarische Prediger der katholischen Lehre zur sprachlichen Unterrichtung der Québecer Bevölkerung nach Kanada gekommen, die zweifelsohne Anhänger des Ancien Régime und somit gegen die neuen republikanischen Werte waren. Daher hielten diese Sprachlehrer am alten Sprachgebrauch fest und trugen so zu einer Festigung der traditionellen Sprachvarietät bei.

Im 19. Jahrhundert entwickelt sich das gesprochene Französisch in Kanada sehr deutlich, so dass die neuen Sprechweisen die Aufmerksamkeit einzelner Gebildeter erregen. Neben Anglizismen und Neologismen werden Provinzialismen, Archaismen und Amerindianismen erkannt und zunächst scharf kritisiert, da die gebildete Schicht bestrebt ist, sich an das normative Französisch anzupassen.6 Zugleich nimmt das Bewusstsein über einen starken Einfluss des Englischen zu, der zunehmend als Bedrohung gesehen wird. Eine erste Reaktion auf die Anglizismen und auf Lehnphänomene aus dem Englischen äußert Michel Bibaud 1817 in seiner Kritik in der Zeitschrift L’Aurore:

Rien ne dépare tant un idiome que les mots et tours barbares qu’on y introduit mal à-propos; et les personnes qui ont à cœur la pureté de leur langue, devraient réprouver de tout leur pouvoir et tourner en ridicule, cette manie d’anglifier le français qui paraît devenir plus générale de jour en jour (zitiert nach Bouchard 2012, 87).

Derartig wertende Bemerkungen zur Sprache fachen die Sprachkritik an, die sich schließlich an einzelnen Schriften entzündet.

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