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3.2.2 Syntaktische SegmentierungSegmentierung in der geschriebenen und gesprochenen Sprache

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In der geschriebenen Sprache ist das Problem der Segmentierung mit Hilfe der Interpunktion relativ einfach aufzulösen, denn die Interpunktionszeichen können in der Regel eindeutig als vom Schreiber markierte Segmentgrenzen identifiziert werden:

(3–5) So ungefähr läuft es. Obwohl die Lehrer auch nicht viel besser dran sind. Höchstens vielleicht, daß sie den Laden kennen. Sie sind nicht so ahnungslos wie vielleicht Obermüller. Deshalb verbrennen sie sich auch nicht den Mund. Aber manchmal kommen sogar Lehrer unter die Räder. Herr Koppe zum Beispiel. Unser ehemaliger Geographielehrer. Er gab auch Deutsch, aber nicht in unserer Klasse. (T. Brussig: Wasserfarben [Roman])

Die Segmentgrenzen im gegebenen Beispiel sind zwar keinesfalls selbstverständlich an den durch die Interpunktion markierten Positionen anzunehmen. Erwartbar und den etablierten Normen angemessen wäre zum Beispiel eher der Anschluss des Satzes Obwohl die Lehrer auch nicht viel besser dran sind. als Nebensatz an den Hauptsatz So ungefähr läuft es. Ebenso ließe sich die im gegebenen Beispiel offenbar als Satz anzunehmende Äußerung Herr Koppe zum Beispiel. auch ohne Weiteres als Apposition zum Nomen Lehrer in den vorangehenden Satz integrieren: Aber manchmal kommen sogar Lehrer unter die Räder, Herr Koppe zum Beispiel. Dies zu problematisieren, ist aber gegenstandslos, weil der Schreiber mittels der Interpunktion seine Segmentgrenzen ganz eindeutig markiert hat.

Wesentlich komplizierter ist es, die gesprochene Rede syntaktisch zu segmentieren. Als Ausweg aus dem noch nachzuzeichnenden Dilemma wurde in der Vergangenheit häufig eine Segmentierung auf der Basis kommunikativer bzw. pragmatischer Einheiten angeboten. Exemplarisch dafür stehen die „Äußerungseinheiten“ bei Rath (1979: 72f.) oder Schwitalla (1997: 50ff.) bzw. die „Kommunikativen Minimaleinheiten“ in der „Grammatik der deutschen Sprache“ (GDS) (Zifonun u.a. 1997: 91). Letztere sind definiert als „die kleinsten sprachlichen Einheiten, mit denen sprachliche Handlungen vollzogen werden können. Sie verfügen über ein illokutives Potential und einen propositionalen Gehalt“ (ebd.).

Generell scheint es (insbesondere für eine Grammatik) nicht unproblematisch, kommunikativ determinierte Gliederungseinheiten als Ersatz für eine syntaktische Kategorisierung zu verwenden (vgl. Schreiber 1995: 82), da deren Status ein völlig anderer ist. Zudem besteht die Gefahr, dass bei einer primär kommunikativ ausgerichteten Definition von Kategorien „die Möglichkeit verloren geht, die uns allen intuitiv bekannten formbezogenen Organisationsprinzipien […] als eigenständiges, kommunikativ relevantes Signalisierungssystem […] zu untersuchen“ (Selting 1995: 300). Deshalb sollte die Ebene der Syntax nicht vorschnell aufgegeben werden. Es stellt sich allerdings die Frage, auf welcher Grundlage die gesprochene Rede syntaktisch segmentiert werden kann. Der traditionelle Satzbegriff ist dabei offenbar wenig hilfreich. Praktikabler und einer Textgrammatik angemessener scheint der Begriff der SYNTAKTISCHEN BASISEINHEIT (vgl. Jürgens 1999: 82).

SYNTAKTISCHE BASISEINHEITENBasiseinheit, syntaktische sind in der Redekette relativ selbstständig auftretende Konstruktionen, deren Grenzen mit formal-syntaktischen Mitteln feststellbar sind. Zu denken ist in diesem Zusammenhang insbesondere an

 die INTONATION/PROSODIE (für die gesprochene Sprache) bzw. die INTERPUNKTION (für die geschriebene Sprache) sowie

 die MORPHOLOGISCHE MARKIERUNG (vgl. Paul 1919: 4ff. sowie einige modernere syntaktische Arbeiten, die in dieser Tradition stehen, z.B. Altmann 1981: 10, Eisenberg 1989: 46 oder Schmidt 1993: 29).

Im Folgenden soll an einigen ausgewählten Beispielen nachgewiesen werden, wie die Einheitenbildung durch das Zusammenwirken der oben aufgeführten syntaktischen Mittel gesteuert wird und welche Probleme es dabei gibt.

Dass die Prosodie eine unmittelbare Funktion bei der Strukturierung komplexer Ausdrücke zu erfüllen hat, ist ohne weiteres nachvollziehbar, wenn man die folgenden schriftsprachlich wiedergegebenen Äußerungen ins Gesprochene überträgt:

(3–6a) Ich glaube, du spinnst.

(3–6b) Ich glaube. Du spinnst.

Mit Hilfe der Intonation (wie eben im Geschriebenen mit Hilfe der Interpunktion) kann der Unterschied zwischen der hypotaktischen Verbindung zwischen Haupt- und Nebensatz und der parataktischen Verknüpfung zweier selbstständiger Sätze realisiert werden (vgl. Schreiber 1995: 80).

Typischerweise wird das Ende einer syntaktischen Einheit prosodisch durch fallende Intonation und eine anschließende kurze Pause gekennzeichnet:

(3–7) Sprecher A: radio mv (2.0) service (1.0) –

Sprecher B: mit der wettervorhersage;

(.)

wechselnd bewölkt und trocken […]

Allerdings ist diese Annahme nicht unproblematisch (vgl. Jürgens 1999: 144ff.): Zunächst sei auf die Mehrdeutigkeit von Pausenzeichen verwiesen. So gibt es Pausen, die keineswegs syntaktische Segmente konstituieren, sondern z.B. psychische Befindlichkeiten (Unkonzentriertheit, Suchen nach dem richtigen Wort o.Ä.) des Sprechers reflektieren. Aber auch die Intonation markiert die syntaktische Gliederung keineswegs eindeutig (vgl. u.a. Rath 1979: 100, Caroli 1977: 147ff., Schreiber 1995: 78ff. sowie Schönherr 1997: 89). So kann es durchaus vorkommen, dass der Sprecher eine Einheit mit fallender Intonation (und ggf. einer kürzeren Pause) zunächst ganz klar abschließt, dann aber, weil er noch etwas nachtragen will, dieselbe Konstruktion unmittelbar fortsetzt und das bereits markierte Einheitenende nach hinten verlagert.

(3–8) Strunz in der liberoposition, (–) außer frage; (1.0) bei den Bayern1

Andererseits muss festgestellt werden, dass auch andere Intonationsmuster am Einheitenende stehen können. Das typische Intonationsmuster in der Sportreportage ist z.B. die gleichbleibende Tonhöhenbewegung, die eine Weiterführung erwarten lässt. Der Sprecher hält sich somit immer die Option offen fortzufahren, kann aber die Einheit durchaus auch mit einer schwebenden Intonation abschließen.

Neben der Prosodie bzw. der Interpunktion ist für die Segmentierung vor allem die morphologische Form maßgeblich. Eine wichtige Rolle spielen dabei die in ihrer Wortklassencharakteristik als Fügewörter zu bestimmenden Konjunktionen.

Für die mündliche Rede sei hier zunächst auf die besondere Funktion der koordinierenden Konjunktionen und bzw. aber verwiesen (vgl. Kreye 1989: 47). Insbesondere die Konjunktion und hat als „das allgemeinste Bindewort von unbestimmtester Bedeutung“ (Heyse 1907: 543) für den Sprecher ungemeine Vorzüge. Und dient häufig nicht in erster Linie der Verknüpfung kopulativ miteinander verbundener syntaktischer Einheiten, sondern vor allem der Abgrenzung von syntaktischen Einheiten und ist somit primär Gliederungssignal:

(3–9) dann haben sie die schubladen aufgemacht

und was war drin,

lauter verhütungsmittel

ich heiße Peter

und du,

ich habe selbst nicht genug;

(.)

und hände weg

(Beispiel zitiert nach Polikarpow 1997: 182)

Hingegen hat die Konjunktion aber vor allem die Funktion, „Diskontinuitäten auf etwas Vorangehendes zu markieren. Dies gilt nicht nur dann, wenn ein Kontrast vorliegt, sondern auch dann, wenn aber spezifische diskursive Funktionen erfüllt“ (Schlobinski 1996: 246f., vgl. auch 1992: 255–314 sowie Ehlich 1984a).

Schlobinski (1996: 247) nennt z.B. die Möglichkeit, dass aber als themaorganisierendes Element einen Bruch in der Themakontinuierung markiert.

(3–10) Strunz in der liberoposition, (–) außer frage; (1.0) bei den Bayern

der konflikt ist entschieden,

(–)

sagt Otto Rehhagel;

(–)

nicht Thomas Helmer der auch gerne libero wäre –

(1.5)

sondern Strunz,

(3.5)

zweikampfstark,

(–)

glänzt auch durch lange pässe,

(.)

aber die erste ecke für Borussia Dortmund

Ein gravierendes Problem für die Analyse besteht nun darin, dass die Anwendung der einzelnen Segmentierungskriterien zum Teil zu unterschiedlichen Ergebnissen führt, etwa im folgenden Beispiel:

(3–11) Ricken;

(3.5)

fordert den ball

Die morphologische Form des Finitums (fordert) stellt eine Verknüpfung zur vorangehenden Einheit her (Zuordnung, Kongruenz). Auch semantisch und dependenziell ist eine Beziehung ohne weiteres nachweisbar. Dass Ricken dennoch als eine syntaktische Einheit gelten muss, ist durch die mit 3,5 Sekunden relativ lange Pause und durch die fallende Intonation deutlich markiert. Unterstützt wird diese Annahme durch die Tatsache, dass es sich auch semantisch und funktional um eine eigenständige Einheit handelt, weil es zunächst um nichts anderes geht, als einen im Fernsehen gezeigten Spieler zu identifizieren und somit einen Referenten einzuführen, ein Thema zu setzen. Erst nachträglich und in relativ selbstständiger Form wird etwas über diesen Referenten ausgesagt.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass eine syntaktische Segmentierung der gesprochenen Rede nur dann operationalisierbar ist, wenn alle oben genannten formal-syntaktischen Mittel in ihrem Zusammenspiel betrachtet werden. Im Einzelfall sind auch Überlegungen zur semantischen und pragmatischen Gliederung zu berücksichtigen, wobei semantische und pragmatische Einheiten keineswegs immer mit syntaktischen Einheiten zusammenfallen.

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