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3.3 Theoretische Philosophie als eigener Weg zum Glück

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Der Anspruch der arabisch-islamischen Philosophen wäre freilich nur unvollständig beschrieben, wenn man die Bedeutung ausklammern würde, die die philosophische Aktivität ihrer Meinung nach für das menschliche Leben besitzt. Auch in dieser Hinsicht nahmen die falāsifa eine Grundintention der antiken Philosophie auf und tradierten sie weiter, nämlich die These, Philosophie könne den Menschen zur Eudaimonie beziehungsweise zum Glück führen. Indem die islamischen Philosophen dieses Ziel nicht weniger hervorhoben als ihre antiken Vorgänger,53 beanspruchten sie zumindest implizit nicht weniger als die Religion eine Kompetenz für die Anleitung zu einer richtigen menschlichen Lebensführung.54

Dies geschah bereits im 10. und 11. Jahrhundert auf unterschiedliche Weise: Während al-Fārābī die politische Dimension menschlichen Glücks hervorhob und Platons Philosophenkönigtum zu einem Ideal für das Kalifat ausbaute, entwickelten Abū Bakr ar-Rāzī, Miskawayh und andere, meist in sokratisch-platonischer Tradition, individualethisch geprägte Ansätze einer philosophischen Vollendung des menschlichen Lebens.55 Indem Avicenna die Übereinstimmung des vollendeten Philosophen mit der prophetischen Weisheit genauer herausarbeitete sowie die Notwendigkeit religiöser Gesetze klarer begründete, schuf er die Möglichkeit zur Integration dieses philosophischen Glücksmodells in die mystischen Traditionen des Islam.56

Rein philosophische Glücksmodelle waren hingegen im muslimischen Spanien des 12. Jahrhunderts ein zentrales Thema, wo man sich freilich mehr am Vorbild des Aristoteles orientierte. Ibn Bāǧǧa und Ibn Ṭufayl stellten ausdrücklich die Frage nach der Möglichkeit einer guten Lebensführung des einzelnen Philosophen in einer schlechten Gesellschaft. In Ibn Ṭufayls berühmter Schrift Ḥayy ibn Yaqẓān erreicht der Protagonist seine Vollendung auf einer einsamen Insel ohne den Einfluss anderer Menschen. Obwohl seine Erkenntnisse mit der religiös vermittelten Wahrheit inhaltlich übereinstimmen, erweist sich ein langfristiges Leben in der religiösen Gemeinschaft für ihn als unmöglich.57

Dagegen vertrat Averroes, zeitweise ermutigt durch die almohadische Regierung, noch einmal das Ideal einer philosophischen Staatsführung, die ihre Rechtfertigung in dem apodeiktisch-syllogistischen Wissen des Philosophen findet, das der Masse der Menschen nicht direkt vermittelbar sei.58 In seinen späten Großen Kommentaren zu Aristoteles steht aber wieder die individuelle Vollendung des Philosophen im Mittelpunkt, allerdings in einer besonderen, auf dem Habitus der Wissenschaft beruhenden Form. „Das Sein des Menschen gemäß seiner höchsten Vollendung und seiner vollendeten Substanz ist, dass er gemäß der theoretischen Wissenschaft vollendet ist, und diese Lage ist für ihn das äußerste Glück und das ewige Leben.“59 Dieses Ideal schließt insbesondere an Aristoteles’ Aussagen zum Geist beziehungsweise Intellekt in De anima, der Metaphysik und der Nikomachischen Ethik an, während Aristoteles’ Modell einer politischen Lebensführung keine zentrale Rolle spielt. Mit Hilfe der genannten Schriften arbeitet Averroes die Idee aus, dass das Glück des Menschen von dessen Verbindung zum universalen Intellekt abhänge, die nur durch das Studium der apodeiktischen Wissenschaft erreicht werden könne. Damit entwirft er, wahrscheinlich im Anschluss an Alexander von Aphrodisias’ Kommentar zur aristotelischen Physik, ein kohärentes Ideal der Vollendung des Menschen durch theoretische philosophische Tätigkeit, welche auch die Erwerbung sämtlicher Tugenden zur Folge hat. Es sollte seine Wirkung auf die lateinische Nachwelt, die es schnell in Übersetzungen erreichte, nicht verfehlen.

Islamische Philosophie im Mittelalter

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