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1. Vorbemerkung

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Es ist inzwischen bekannt, dass es in den islamischen Ländern bedeutende und originelle philosophische Denker gegeben hat (und gibt1). Namen wie Avicenna, Averroes und al-Ġazālī sind nicht mehr bloße Chiffren für Quellen mittelalterlicher christlicher Autoren und werden auch nicht mehr nur – wenn überhaupt – in den lateinischen Übersetzungen ihrer Texte studiert. Vielmehr sind sowohl diese Autoren als auch ihre weniger bekannten Landsleute heute Gegenstand eigenständiger Forschung, die in den letzten Jahrzehnten bedeutende Fortschritte gemacht hat. Auch im universitären Philosophiestudium werden sie, auf der Grundlage deutscher und englischer Übersetzungen, in zunehmendem Maß verwendet.

Diese Entwicklung ist auch bedeutsam, weil sie hilft, die Behauptung einer scharfen geistigen Kluft zwischen „europäisch-abendländischer“ und „arabisch-islamischer“ Kultur in Frage zu stellen. Die Beschäftigung mit der arabisch-islamischen Philosophie ist aus europäischer Sicht keine „interkulturelle Philosophie“ im Sinne der Auseinandersetzung mit einer gänzlich fremden Gedankenwelt wie etwa der chinesischen oder afrikanischen Philosophie.2 Korrekter könnte man sie vielleicht ein semi-interkulturelles Unterfangen nennen, denn der in der abendländischen Philosophie geschulte Leser stößt bei den islamischen Autoren auf zahlreiche Fragestellungen und Begrifflichkeiten, die ihm aus den klassischen griechischen Philosophen bekannt sind. Insofern das antike Denken Europa zudem teilweise vermittelt und verändert durch Entwicklungen im arabisch-islamischen Kulturraum erreichte, leistet das Studium der Arabisch schreibenden philosophischen Autoren auch einen Beitrag zur Klärung des Selbstverständnisses der Philosophie in den westlichen Ländern selbst.

Diese Zusammenhänge möchte ich im Folgenden näher erläutern, indem ich zu zeigen versuche, dass sich die von den Griechen übernommene Philosophie im arabisch-islamischen Mittelalter in einer Weise weiterentwickelte, die im europäischen Denken bedeutsame Spuren hinterlassen hat, ja einen wesentlichen Beitrag zu dessen Selbstverständnis geleistet hat. Dazu möchte ich in einem ersten Schritt zusammenfassen, wie sich im arabisch-islamischen Mittelalter und aufgrund seiner spezifischen Situation – zu der die verfügbaren philosophischen Quellen und die Interessen der führenden Denker nicht weniger beitragen als die religiösen und sozialen Rahmenbedingungen – das Verständnis der Philosophie selbst verändert hat. Dazu wiederum werde ich einige zentrale Punkte anhand der Stichworte Philosophie und Religion, Wissenschafts- und Metaphysikverständnis sowie Philosophie und Glück kurz herausarbeiten. Auf dieser Grundlage möchte ich dann in einem zweiten Teil auf Aspekte hinweisen, in denen das europäische Denken durch diese Ideen so nachhaltig geprägt wurde, dass sie noch heute aus den Inhalten und dem Selbstbild der westlichen Philosophie nicht wegzudenken sind.3

In meinen Ausführungen zu den Entwicklungen im arabischen Raum beschränke ich mich auf die falāsifa, das heißt auf diejenigen Denker, die sich ausdrücklich als Philosophen im griechischen Sinne verstanden.4 Dies rechtfertigt sich dadurch, dass gerade sie die Entwicklung in Europa beeinflussten.5 Aufgrund des begrenzten Raumes nehme ich in Kauf, diese Philosophen in einer schematischen Weise behandeln zu müssen, also ohne auch nur die wesentlichen Unterschiede zwischen ihnen im Detail würdigen zu können.

Islamische Philosophie im Mittelalter

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