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1.2 Der erste Grund des Zweifels: Überhöhte Erkenntnisideale

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Umso mehr stellt sich für Hettinger nun aufgrund dieser offensichtlichen Fakten die Frage nach dem Ursprung des „religiösen Zweifels“, der ja – wenn man seinem Argument der traditionalistischen Evidenz des Christentums folgt – als zutiefst irrational erscheinen muss. Als eine „erste Ursache“ nennt er die „Unkenntnis der wahren Natur und Bedürfnisse des menschlichen Geistes“. Ein heranwachsender „junger Mensch“ ist ihm zufolge besonders gefährdet, in diesem Punkt einer „falschen oder doch einseitigen Auffassung“ zu erliegen: Der „Verstand will verstehen, die schwellende Geisteskraft sich erproben, alles fassen, alles begreifen, will sich des Gesamtgebietes der Wahrheit bemächtigen“ – so stoße das „Feuer der Jugend“ auf einen „Mangel an Erfahrung in der Arbeit des Geistes“, es ergebe sich die „Forderung einer fälschlich sogenannten Wissenschaftlichkeit, die alles verwirft, die Übereinstimmung aller Jahrhunderte und aller Geister“, so lange sie sich nicht „vor dem eigenen Geiste […] bewährt“ habe. Hettingers Referenz ist an dieser Stelle Goethes Faust und dessen Bestreben, „dass ich erkenne, was die Welt/im Innersten zusammenhält“.6 Aus der Perspektive Hettingers handelt es sich also um eine radikale Abkehr vom (richtigen) Weg der kirchlichen Traditionsorientierung und eine Hinwendung zu einem (falschen) Subjektivismus, der glaubt, Erkenntnisse in erster Linie aus dem Fundus der eigenen Evidenzen generieren zu können.

Die Lösung dieses Problems, zu der Hettinger findet, besteht in einer Korrektur des überhöhten Erkenntnisideals, das diesem Wissenschaftsverständnis zugrunde liegt: Ermuntert von den Fortschritten der neueren Forschung sähen viele gegenwärtig den „Traum einer absoluten Wissenschaft“ als erreichbar; ihr Ziel sei „die völlig adäquate Erkenntnis alles dessen, was da ist“. Diese Vorstellung, „in einem einzigen Blicke das Gesamtgebiet der intelligiblen Welt“ zu überschauen, sei jedoch „ein Ideal […], das nur in Gott, der die Wahrheit selbst ist, zur Wirklichkeit wird“.7 Für den Menschen gelte dagegen: „Die Deutlichkeit ist eine Ausnahme, das Geheimnis ist die Regel – im Inneren der Dinge liegt eine Größe, die über alle Betrachtung hinausgeht.“8 So ergibt sich letztlich als Überwindung des von Hettinger identifizierten Subjektivismus nicht, wie man hätte erwarten können, die Einsicht, dass adäquate Erkenntnis nur unter christlichen Vorzeichen möglich ist, sondern die Einsicht, dass adäquate Erkenntnis dem Subjekt unmöglich ist. Evident ist und bleibt die „christliche Wahrheit“ daher in erster Linie aufgrund ihres unleugbaren Wesens als historisch wirksame Tatsache; ein Subjektivismus, der dies nicht anerkennen möchte, kann durch die Haltung korrigiert werden, dass jedes menschliche Erkenntnissystem weit hinter dem Ideal einer göttlichen Durchschauung der Dinge zurückbleibt.

Das Erste Vatikanische Konzil

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