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4. OLG Innsbruck, 13.2.2020 – 1 R 182/19b
ОглавлениеIn der vom OLG Innsbruck13 entschiedenen Sache ermittelte ein Unternehmen, ein auch im Adresshandel tätiger Logistik- und Postdienstleister, auf Grundlage von zunächst anonymisiert erhobenen soziodemografischen und sonstigen Daten sowie des Interesses an Wahlwerbung, mit welcher Wahrscheinlichkeit Personen mit solchen Eigenschaften Werbeinteressen an bestimmten politischen Parteien haben könnten (sog. „Parteiaffinitäten“), erstellte daraus Marketinggruppen und ordnete schließlich Einzelpersonen den Marketinggruppen und damit den Parteiaffinitäten zu. Entsprechend wurden weitere „Affinitäten“ („Bioaffinitäten“, „Investmentaffinitäten“, „Spendenaffinitäten“, „Distanzhandelaffinitäten“ etc.) bestimmt und zugeordnet. Eine Weitergabe dieser Daten an Dritte war dagegen nicht festgestellt worden.
Das LG Feldkirch sah in der Zuweisung von Parteiaffinitäten an Einzelpersonen eine Verarbeitung besonderer personenbezogener Daten i.S.d. Art. 9 Abs. 1 DS-GVO, wofür keine Einwilligung vorgelegen habe.14 Zur Bestimmung des Schadens führte das Gericht aus, dass der Schadensbegriff der DS-GVO weit und autonom auszulegen sei und die DS-GVO keine Erheblichkeitsschwelle enthalte, jedoch nicht alle mit einer Rechtsverletzung verbundenen „Unlustgefühle“ ersatzfähig seien; vielmehr müsse der Interessenbeeinträchtigung ein Gewicht zukommen, weil dem österreichischen Schadenersatzrecht eine solche Erheblichkeitsschwelle immanent sei. Die konkrete Bemessung des Schadens erfolge nach freier richterlicher Überzeugung (§ 273 öZPO) nach den Umständen des Einzelfalles. Relevante Umstände seien dabei insbesondere die Auswirkungen bei der geschädigten Person, die Kategorie der betroffenen Daten, Schwere und Dauer des Verstoßes sowie, ob Daten Dritten übermittelt wurden. Auf dieser Grundlage hielt das Gericht einen Schaden durch die rechtswidrige Ermittlung und Speicherung für nachgewiesen. Es handele sich um eine „erhebliche Verletzung“ der DS-GVO, die den Kläger in seinem Grundrecht auf Datenschutz und seinen damit einhergehenden Freiheiten „in störender Weise“ beeinträchtigt hat. Zur „Abgeltung des vom Kläger erlittenen immateriellen Ungemachs“ sei jedoch ein Betrag i.H.v. 800 EUR statt der geltend gemachten 2.500 EUR angemessen, denn es handele sich zwar um besonders schützenswerte und sensible Daten, jedoch seien diese nicht an Dritte weitergegeben worden.15 Was die verspätete Auskunftserteilung anlangt, vermochte das Gericht hingegen keinen dadurch entstandenen ersatzfähigen immateriellen Schaden zu erkennen. Die nachträgliche Auskunftserteilung habe die Rechtsverletzung beseitigt bzw. zumindest eine „quantifizierbare Schädigung“ des Betroffenen verhindert.16
Das OLG Innsbruck wies die Schadensersatzklage dagegen mangels Schadens ab. Nach Unionsrecht sei ein Schaden nur ersatzfähig, wenn dieser „tatsächlich“ und „sicher“ eingetreten sei; rein hypothetische und unbestimmte Schäden seien ausgeschlossen. Der Zuspruch immateriellen Schadensersatzes setze deshalb eine „tatsächliche Beeinträchtigung in der Gefühlswelt des Geschädigten“ voraus. Obschon jeder Datenschutzverstoß mit zumindest kurzzeitigen negativen Gedanken der betroffenen Person verbunden sei, stelle die Verletzung des Datenschutzgesetzes für sich allein – wie schon nach früherem Recht – noch keinen ersatzfähigen Schaden dar; ein solcher müsse vielmehr die Konsequenz oder Folge der Rechtsverletzung sein.17 Ein „besonders schwerer“ Eingriff sei dabei zwar nicht mehr zu fordern, jedoch bedürfe es eines Mindestmaßes an persönlicher Beeinträchtigung.18 Dazu sei einzelfallbezogen und objektiviert zu beurteilen, ob eine „durchschnittlich im Datenschutz sensibilisierte Maßfigur solch negativen Gefühle entwickeln würde, die über jene hinausgehen, welche man automatisch entwickelt, wenn ein Gesetz zu seinen Ungunsten verletzt wird“.19 Nach diesen Grundsätzen habe der Kläger einen ihm entstandenen Schaden weder behauptet noch nachgewiesen.20