Читать книгу Festschrift für Jürgen Taeger - Группа авторов - Страница 162
c) Zwischenergebnis
ОглавлениеFür den Schadensersatzanspruch der DS-GVO wird man somit festhalten können, dass zwar die tatsächlich erlittenen Schäden – materielle wie immaterielle – vollständig auszugleichen sind (Totalreparation), der Schadensersatzanspruch aber nicht darüber hinausgehen – also nicht überkompensatorisch sein – muss, und dies wohl auch nicht darf.
Wenn für höhere Entschädigungsbeträge eine nur dann gegebene Präventions- und Abschreckungsfunktion des Schadensersatzanspruchs angeführt und darauf insistiert wird, dass anderenfalls die Betroffenen von der Durchsetzung ihrer Ansprüche absähen,54 so überzeugt das nicht. Überkompensatorischen Schadensersatz zuzusprechen, um gegen das „rationale Desinteresse“55 der Geschädigten anzukämpfen, widerspricht den etablierten schadensersatzrechtlichen Grundsätzen. Die Gefahr, dass Klein- oder Kleinstansprüche individuell nicht durchgesetzt werden, gibt es auch anderenorts, ohne dass daraus die Forderung abgeleitet wird, deshalb die Ansprüche der Höhe nach auszudehnen. Man mag insoweit zur effektiveren Durchsetzung über prozessuale Institute wie eine gebündelte Rechtsverfolgung oder Musterverfahren (siehe §§ 606ff. ZPO) nachdenken;56 die Schadensbemessung ist dafür jedenfalls nicht der richtige Ort.
Vor allem aber wird dabei nicht hinreichend berücksichtigt, dass die DS-GVO in ihren Art. 77 bis 84 ein ganzes Arsenal von Reaktionsmöglichkeiten auf Datenschutzverstöße bereithält. Der individuelle Schadensersatzanspruch ist insoweit nur ein Mittel unter mehreren und außerdem primär darauf gerichtet, den Betroffenen die tatsächlich erlittenen Schäden auszugleichen. Soweit die Anordnung eines umfassenden Schadensersatzanspruchs zugleich präventiv in Bezug auf zukünftige Verstöße wirkt, ist dies ein willkommener Nebeneffekt; dass dies das primäre Ziel des Anspruchs ist oder sein sollte, lässt sich der DS-GVO nicht entnehmen. Es besteht deshalb weder Anlass noch Bedürfnis, den jedem Schadensausgleich ohnehin immanenten „präventiven Nebeneffekt“ des primär auf Schadenswiedergutmachung gerichteten Schadensersatzanspruchs auszudehnen und den Schadensersatzanspruch durch die Gewährung überkompensatorischen Schadensersatzes zum Mittel der privaten Durchsetzung der DS-GVO aufzubauen. Die DS-GVO verfügt insoweit über wirksamere Instrumente zur Durchsetzung ihrer Vorgaben.57