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III. Rechtsquellen

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Es wurde bereits dargestellt, dass unter dem Grundgesetz die Länder im Bauordnungsrecht zur Gesetzgebung befugt sind und jeweils mit entsprechenden Landesbauordnungen von ihrer Kompetenz Gebrauch gemacht haben[44]. Um eine gewisse Rechtsvereinheitlichung zu ermöglichen, hat die Konferenz der für Städtebau, Bau- und Wohnungswesen zuständigen Minister und Senatoren der Länder (ARGEBAU) schon 1959 die erste Musterbauordnung (MBO) entwickelt[45], die seither mehrfach überarbeitet worden ist. Zielte diese ursprünglich auf eine Vereinheitlichung des Bauordnungsrechts[46], so versteht sich die aktuelle MBO 2002/2016[47] angesichts zahlreicher divergierender Novellierungen der Landesbauordnungen vor allem in den 1990er Jahren nur noch als Orientierungshilfe und entwicklungsoffener Rahmen[48]. Tatsächlich weichen die derzeitigen Bauordnungen der Länder bisweilen beträchtlich von der aktuellen MBO ab. Dennoch kann die MBO noch als gemeinsamer Nenner der Länderregelungen bezeichnet werden[49], ohne dass ihr Rechtsnormqualität zukäme.

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Das Bauordnungsrecht ist Teil des Rechts der Gefahrenabwehr, so dass die Frage zu klären ist, wie es sich zum Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsrecht verhält. Dies ist nach allgemeinen Regeln zu beantworten: Als leges speciales gehen die Landesbauordnungen den jeweiligen landesrechtlichen Polizeigesetzen vor. Freilich kann auf die allgemeineren Polizeigesetze zurückgegriffen werden, sofern es an Regelungen in den Bauordnungen der Länder fehlt. Wichtigstes Beispiel hierfür sind die allgemeinen polizeirechtlichen Störerregelungen, die auch in bauordnungsrechtlichen Fällen zur Anwendung gelangen können. Allerdings ist zeitlich zu differenzieren: Eine Regelungslücke besteht erst nach Fertigstellung des jeweiligen baulichen Vorhabens, denn während der Bauphase greifen die speziellen bauordnungsrechtlichen Verantwortlichkeitsregelungen über die am Bau Beteiligten[50], so dass ein Rückgriff auf das Allgemeine Sicherheits- und Ordnungsrecht ausgeschlossen ist[51]. Ein weiteres Beispiel betrifft die Auslegung polizeirechtlicher Begriffe in den Landesbauordnungen, etwa desjenigen der „öffentlichen Sicherheit und Ordnung“[52], die wie in den Sicherheits- und Ordnungsgesetzen erfolgt.

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Die Landesbauordnungen ermächtigen zum Erlass ministerieller Rechtsverordnungen[53]. In ihnen werden beispielsweise die allgemeinen Anforderungen an das Bauwerk, die Bauausführung und die Bauprodukte näher konkretisiert. Als leges speciales gehen sie den allgemeinen Tatbeständen der Landesbauordnungen vor[54]. Darüber hinaus geben die Landesbauordnungen den Gemeinden die Möglichkeit, etwa zu Materien wie Abstandsflächen, der äußeren Gestaltung baulicher Anlagen oder zum Klimaschutz örtliche Bauvorschriften durch Satzung zu erlassen[55]. Ergänzt werden die Bestimmungen der Landesbauordnungen ferner durch technische Regelwerke, die über Rezeptionsnormen in die Landesbauordnungen Eingang finden[56]. Bei den technischen Regelwerken handelt es sich um private Normenkataloge wie die Regelungen des Deutschen Instituts für Normung (DIN)[57]. Beispielsweise normiert DIN 4108 Anforderungen bezüglich des bauordnungsrechtlichen Wärmeschutzes; DIN 18040-2 betrifft Normen zum barrierefreien Bauen. Diese Regelwerke haben die Funktion, die in den Landesbauordnungen formulierten Aufgaben und Ziele des Bauordnungsrechts, vor allem die Bausicherheit[58], zu konkretisieren und in verbindliche und greifbare, oft auch numerisch bestimmbare Maßstäbe zu überführen[59]. Darüber hinaus folgt die bauordnungsrechtliche Technikrezeption den politischen Zielen der Deregulierung und Privatisierung: Die staatliche Normierungsdichte soll gesenkt, der Staat durch Zusammenarbeit mit privaten Normungsinstanzen entlastet sowie das Fachwissen Privater nutzbar gemacht werden[60].

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Die Regelungsmechanismen der Technikrezeption haben sich zwischenzeitlich verändert[61]. Früher verwiesen die Landesbauordnungen jeweils auf die „allgemein anerkannten Regeln der Technik“, die zu beachten waren[62]. Allerdings führte dieser pauschale Verweis zu Schwierigkeiten bei der Bestimmung, wann private technische Regelwerke als allgemein anerkannt zu charakterisieren sind[63]. Zudem bestand eine große, als bürokratisches Hindernis angesehene Fülle an zu beachtenden technischen Regeln. Mittlerweile haben alle Landesbauordnungen ihre Regelungstechnik umgestellt. Nunmehr werden private technische Regelwerke durch die oberste Bauaufsichtsbehörde als technische Baubestimmungen bekanntgemacht[64]. Nur in wenigen Bundesländern beziehen sich die Bauordnungen daneben noch immer auf die „allgemein anerkannten Regeln der Technik“[65].

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Die technischen Baubestimmungen sind selbst keine Rechtsnormen. Umstritten ist, ob, und wenn ja, auf welche Weise ihnen Rechtsverbindlichkeit zukommen kann. Allein die Bekanntmachung durch eine staatliche Behörde reicht hierfür nicht aus[66]. Allerdings könnte den technischen Baubestimmungen aufgrund der Bezugnahme in den Bauordnungen Verbindlichkeit zukommen (vgl. § 73a Abs. 1 S. 2 LBO BW: „Die technischen Baubestimmungen sind zu beachten.“)[67]. Hiergegen sprechen aber die verfassungsrechtlichen Anforderungen der aus dem Vorbehalt des Gesetzes folgenden Wesentlichkeitstheorie, wonach der wesentliche Inhalt einer Regelung, insbesondere wenn diese in Grundrechte eingreift, in einer dem Bestimmtheitsgebot gerecht werdenden Weise durch das besonders demokratisch legitimierte Parlament selbst festgelegt werden muss. Dem wird die schlichte gesetzliche Verbindlichkeitsanordnung der von privaten Institutionen gesetzten technischen Baubestimmungen in Verbindung mit deren Bekanntmachung durch die zuständige Behörde nicht gerecht[68], zumal häufig lediglich ein Verweis auf die Fundstelle einer technischen Regel bekannt gemacht wird, während der eigentliche Normtext käuflich erworben werden kann[69]. Andernfalls würden Inhalt und Schranken des Eigentums statt durch Gesetze durch private technische Regelwerke bestimmt. Daher werden die technischen Baubestimmungen als bekanntgemachte Verwaltungsvorschriften qualifiziert[70] und ihnen wird entsprechend den Grundsätzen der normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften[71] Außenwirkung beigemessen[72]. Allerdings werden die technischen Baubestimmungen – im Gegensatz zu den technischen Verwaltungsvorschriften aus dem Immissionsrecht wie der TA-Luft – nicht von staatlichen Stellen erstellt, so dass Bedenken bestehen, die Verantwortung des Gesetzgebers für das bauordnungsrechtliche Technikrecht auf diese Weise an demokratisch nicht legitimierte private Organisation abzugeben[73]. Überzeugender ist es daher, die technischen Baubestimmungen – wie auch von einzelnen Bauordnungen für die sonstigen allgemein anerkannten Regeln der Technik vorgesehen[74] – als Beweislastregeln zu qualifizieren: Bei ihrer Beachtung wird die Einhaltung des materiellen Bauordnungsrechts rechtlich vermutet[75].

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Mittlerweile sind auch für das Bauordnungsrecht europarechtliche Vorgaben von Bedeutung, wobei es sich lediglich um punktuelle Einwirkungen handelt[76]. Umsetzungsbedarf ergab sich bisher vor allem im Hinblick auf zwei Rechtsakte: Zunächst ist die Bauproduktenverordnung[77] zu nennen, die 2013 die vormals geltende Bauproduktenrichtlinie abgelöst hat. Sie dient der Harmonisierung des europäischen Binnenmarkts für Bauprodukte (im Einzelnen siehe Rn. 108). Ferner ist die Dienstleistungsrichtlinie[78] relevant. Ihr Ziel ist es, einen Rechtsrahmen zu schaffen, der den freien Verkehr von Dienstleistungen im Binnenmarkt sowie die unbeschränkte Niederlassungsfreiheit weitgehend ermöglicht. Änderungen ergaben sich im Bauordnungsrecht zunächst für die Bauvorlageberechtigung[79] von Bauingenieuren[80]. Die Dienstleistungsrichtlinie wirkt sich auch auf die Berechtigung zur Prüfung und Bestätigung sog. bautechnischer Nachweise aus. Diese Tätigkeit ist nach den jeweiligen Landesverordnungen[81] Prüfingenieuren oder Prüfsachverständigen zugewiesen[82]. Für Prüfingenieure ist indes umstritten, ob sie gem. Art. 2 Abs. 2 lit. i der Dienstleistungsrichtlinie als „mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbundene Leistungen“ vom Regelungsgehalt der Richtlinie ausgenommen sind[83].

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