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I. Überblick
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Modellhaft kann im Bauordnungsrecht zwischen zwei verschiedenen Typen von Kontrollen unterschieden werden, der präventiven und der repressiven Kontrolle (siehe Rn. 111)[108]. Im Bauordnungsrecht lag das Schwergewicht traditionell bei der Baugenehmigung als präventiver Kontrolle. Tatsächlich sehen die Landesbauordnungen im Ausgangspunkt noch vor, dass die Errichtung, Änderung und Nutzungsänderung einer (baulichen) Anlage der Baugenehmigung bedarf[109], obwohl sich im Zuge der Deregulierung seit den 1990er Jahren ein allmählicher Abbau der präventiven Kontrolle vollzogen hat. An die Stelle des traditionell umfänglichen Baugenehmigungsverfahrens ist für die meisten baulichen Anlagen ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren, eine Genehmigungsfreistellung[110] oder gar eine völlige Verfahrensfreistellung getreten. Diese Deregulierung soll – erstens – den Bauherrn in die Lage versetzen, seine baulichen Vorstellungen beschleunigt umzusetzen, was ihn freilich nicht von der Einhaltung der öffentlich-rechtlichen Vorschriften entbindet[111]. Die Einhaltung soll – zumindest der Theorie nach – von den Bauaufsichtsbehörden im Rahmen von Überwachungsmaßnahmen kontrolliert werden (repressive Kontrolle). Das zweite Ziel der Deregulierung – die Entlastung der Verwaltung – wird durch den eintretenden Bedeutungszuwachs der repressiven Kontrolle allerdings in Frage gestellt.
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Die Deregulierung im Baurecht hat ihren Preis. Sie zieht verschiedene Folgen nach sich, die insgesamt nicht unproblematisch sind und derer man sich zumindest bewusst sein sollte. Die Auswirkungen können unterteilt werden in Konsequenzen für den Bauherrn, für den Nachbarn sowie für die Verwaltung. Für den Bauherrn besteht die entscheidende Konsequenz der Deregulierung in einem Verlust an Rechtssicherheit und einem größeren Maß an Eigenverantwortung. Ob sein Vorhaben wirklich den öffentlich-rechtlichen Vorschriften entspricht, dafür trägt (soweit dies die Bauaufsichtsbehörde nicht mehr oder – wie im vereinfachten Genehmigungsverfahren – nicht mehr vollumfänglich prüfen muss) nicht mehr der Rechtsträger der Behörde die (Haftungs-)Verantwortung, sondern allein der Bauherr oder die von ihm beauftragten Architekten bzw. Ingenieure und Sachverständigen. Aus diesem Grund wird von der Privatisierung des Bauordnungsrechts gesprochen[112]. Daher verwundert es nicht, dass in denjenigen Bundesländern, die dem Bauherrn trotz des Vorliegens der Voraussetzungen für einen deregulierten Kontrollmechanismus die Möglichkeit einräumen, in das (vereinfachte) Baugenehmigungsverfahren einzutreten, dieses „Wahlrecht nach oben“[113] häufig ausgeübt wird[114]. Für den Nachbarn führt die Deregulierung tendenziell zu einem Verlust an Rechtsschutz. Der Wegfall der Genehmigungspflichtigkeit eines Wohnhauses[115] bedeutet etwa, dass er nicht mehr die für ihn praktikablen Rechtsbehelfe Anfechtungswiderspruch und -klage zur Hand hat. Stattdessen ist der Nachbar auf das Einschreiten der Bauaufsichtsbehörde angewiesen, das er nur auf dem für ihn zunächst weniger erfolgversprechenden Weg des Verpflichtungswiderspruchs und der Verpflichtungsklage erreichen kann[116]. Seitens der Verwaltung sind – auch angesichts der Personalknappheit – Vollzugsdefizite bei der staatlichen Überwachung zu beklagen[117]. Insgesamt ist die Entwicklung der Deregulierung daher nicht zu begrüßen[118], wenngleich eine Verletzung der staatlichen Schutzpflicht (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG) durch die Verlagerung auf die repressive Überwachung nicht behauptet werden kann[119]. Mit der skizzierten Entwicklung, die im Bauordnungsrecht stattgefunden hat, fügt sich dieses Rechtsgebiet in die allgemeine Entwicklung des Verwaltungsrechts der letzten Jahrzehnte ein: Deregulierung und Privatisierung waren Schlüsselbegriffe der Verwaltungsrechtsreform[120].
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Instrument der klassischen präventiven Kontrolle ist die Baugenehmigung. Sie zeichnet sich unter anderem durch ihre Klammerfunktion im Prüfprogramm aus: Denn trotz ihrer systematischen Stellung im Bauordnungsrecht wird eine Baugenehmigung nicht schon erteilt, wenn allein die (1) bauordnungsrechtlichen Vorschriften eingehalten werden; vielmehr prüft die Bauaufsichtsbehörde darüber hinaus auch die Einhaltung von (2) Bauplanungsrecht und – mit gewissen Einschränkungen – (3) sonstigem Öffentlichen Recht (dazu gleich näher). Insofern wird auch von einem Drei-Säulen-Modell gesprochen[121]. Im Zuge der Deregulierung verabschiedete man sich weitgehend von dieser umfassenden Prüfpflicht der Behörde. Es entstand ein verfeinertes, aber nicht gerade übersichtliches präventives Kontrollsystem. Insoweit können heute vier verschiedene Typen unterschieden werden:
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Systematisch an erster Stelle ist die klassische Baugenehmigung zu nennen. Sie wird von den Landesbauordnungen weiterhin für bestimmte Vorhaben, insbesondere Sonderbauten, verlangt und zeichnet sich durch den vergleichsweise größten Prüfungsumfang der Bauaufsichtsbehörden aus (s.o.)[122]. An zweiter Stelle steht das vereinfachte Baugenehmigungsverfahren[123]. In der Praxis kommt diesem Typus bei weitem die größere Bedeutung zu[124]. Im Vergleich zum klassischen Baugenehmigungsverfahren ist der verringerte Prüfungsumfang der Bauaufsichtsbehörde Charakteristikum des vereinfachten Verfahrens. So sind etwa von den bauordnungsrechtlichen Anforderungen nur noch ausgewählte zu prüfen. Eine weitere Reduktion stellt – drittens – die Genehmigungsfreistellung (Bauanzeigeverfahren oder Kenntnisgabeverfahren) dar, bei der die Bauaufsichtsbehörde nur noch (aber immerhin doch noch) von dem Bauvorhaben in Kenntnis gesetzt wird[125]. Demgegenüber befreit – viertens – die Verfahrensfreistellung von jeglicher präventiver Kontrolle[126].