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III. Geltungsgrund

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Traditionelle Auffassung: Völkerrechtlicher Geltungsgrund

Die Europäischen (Gründungs-)Verträge sind – bei allen Spezifika der heutigen EU – im Kern völkerrechtliche Verträge der Mitgliedstaaten.[14] Rechtsprechung und Literatur in Deutschland knüpfen zur Begründung der unmittelbaren Geltung des Unionsrechts daher überwiegend an die überkommene völkerrechtliche Doktrin an. Danach folgt die legitimatorische Begründung für die Geltung des Unionsrechts im innerstaatlichen Bereich daraus, dass durch das auf Grundlage der verfassungsrechtlichen Integrationsermächtigung des Art. 23 Abs. 1 GG[15] ergehende Zustimmungsgesetz zu den EU-Verträgen[16] nicht ausdrücklich, aber implizit[17] ein nationaler Rechtsanwendungsbefehl erteilt wird, der eine „Brücke“[18] für das supranationale Recht bildet und ihm – innerhalb des durch das Zustimmungsgesetz abgesteckten Integrationsprogramms – Geltung in der deutschen Rechtsordnung verschafft.[19] Das nationale Integrationsgesetz wird somit zum konstitutiven Geltungsgrund des Unionsrechts in Deutschland.[20] Dabei soll die einmalige Zustimmung zu den Europäischen Verträgen auch für die Geltung aller daraus resultierenden Sekundärrechtsakte genügen. Die Zustimmung zur Geltung des Nicht-Primärrechts im nationalen Rechtskreis ist quasi blanko und auf Vorrat erteilt worden.[21]

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EuGH: Autonomer Geltungsgrund

Der EuGH und der Großteil der Europarechtswissenschaft betonen im Hinblick auf den Geltungsanspruch der unionalen Rechtsordnung dagegen, dass sie diese nicht (mehr) als völkerrechtliche, sondern als neuartige, supranationale[22], „autonome“ Rechtsordnung sehen.[23] Diese sei zwar durch Abtretung von Souveränitätsansprüchen der Mitgliedstaaten im Wege der Ratifikation der Gründungsverträge begründet worden. Mit dieser vertraglichen Schaffung der Gemeinschaften sei aber die „,Nabelschnur‘ zu den nationalen Verfassungen […] gekappt“[24] worden. Die Unionsrechtsordnung hat sich nach dieser Position von den Nationalstaaten und den nationalen Rechtsordnungen emanzipiert.[25] Nicht mehr die Mitgliedstaaten als ursprüngliche „Herren der Verträge“[26] sind legitimatorische Grundlage der Geltung des Unionsrechts, sondern die Europäischen Verträge sind als „Verfassungsurkunde“[27] zu einem selbstbestimmten Akt mutiert.[28] Folgt man dieser staatsanalogen Konstruktion, so kann das Unionsrecht seine umfassende Geltung selbst anordnen ebenso wie über seinen Anwendungsbereich, seinen Inhalt und seine Auslegung verfügen.[29] Damit bezweckt die Union insofern die politische Festigung ihres Geltungsanspruchs, als die Mitgliedstaaten in der Konsequenz über die innerstaatliche Geltung des Unionsrechts nicht mehr disponieren können.[30]

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Verfassungspluralismus

Hinsichtlich des Geltungsgrundes des Unionsrechts besteht mithin eine Kontroverse, die sich rechtspositivistisch nicht eindeutig lösen lässt (Aporie)[31] und allenfalls einer politischen Antwort zugeführt werden könnte,[32] vielleicht aber auch einfach als Ausdruck des besonderen Charakters und der „Hybridisierung“[33] des Unionsrechts hingenommen werden muss. In jüngerer Zeit wird daher der Blick wieder verstärkt hin zu einem Konzept des Verfassungspluralismus gewendet, der anstelle der Auflösung der unvereinbaren Autoritätsansprüche den Fokus auf die Funktionsweisen einer gleichgeordneten Interaktion der Rechtsordnungen lenkt.[34]

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