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4 HANDELSPARTNER CHINA


Abb. 4 Darstellung von Kjachta. Zeichnung, aquarelliert. Mit deutscher Beschriftung: „Prospect der beiderseitigen Handlungs = Örter Kiachta an der Russischen und Chinesischen Grenze entworfen durch Chinesische Hand“. Maße: Breite 125 cm, Höhe 59 cm. Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen, Cod. Ms. Asch 269.

Auch diese Zeichnung gelangte im Rahmen der Geschenksendungen Georg Thomas von Aschs nach Göttingen. Von Asch hatte sie von dem Apotheker Karl Sievers (s.u.) erhalten, der zeitweilig in Kjachta lebte. Auf der Zeichnung ist links der nur spärlich bebaute russische Teil des Grenzorts und Handelszentrums Kjachta zu erkennen und rechts der extrem dicht besiedelte chinesische Teil. In der Mitte des Bildes ist der Grenzzaun mit einer geöffneten Pforte zu sehen. Am Eingang zur eigentlichen, durch Zäune geschützten Siedlung Kjachta, sind Wächter postiert. Im Zentrum befindet sich der durch hohe Mauern abgeschirmte Handelshof. Dahinter ist eine im Vergleich zu den restlichen Gebäuden recht groß dargestellte Kirche. Auf der anderen Seite der Grenze liegt der ebenfalls umzäunte chinesische Ort, dessen Mitte von einer Pagode dominiert wird. Jeweils in den Außenbezirken befinden sich Wohnungen und Gästehäuser. Alle größeren Grenztore sind sowohl auf der russischen als auch auf der chinesischen Seite bewacht.

Diese Darstellung verweist auf eine Situation, die für Russland im weiteren Verlauf der Geschichte zu einem erheblichen Nachteil wurde. Denn der gesamte Handel zwischen Russland und China musste entweder durch Karawanen in Peking oder an diesem Grenzort abgewickelt werden. Wie kam es dazu?

Handels- und Grenzverträge zwischen Russland und China – Der Vertrag von Nertschinsk

Erste Verhandlungen zwischen Russland und China über den Grenzverlauf und den Handel hatten im Jahr 1689 nach aufreibenden Grenzstreitigkeiten begonnen und endeten mit dem Vertrag von Nertschinsk, der schließlich am 27. August/7. September 1689 unterschrieben wurde. Möglich geworden war dies Dank der Vermittlung zweier Jesuiten (Tomás Pereira aus Portugal und Jean-François Gerbillon aus Frankreich), die zur chinesischen Delegation gehörten und neben Latein auch Mandschurisch und Chinesisch beherrschten, sodass das Vertragsdokument in lateinischer Sprache abgefasst werden konnte. Der Vertrag von Nertschinsk regelte den russisch-chinesischen Grenzverlauf im Nordosten Chinas am Fluss Argun und dem Stanowoi Gebirge bis zum Ufer des Ochotskischen Meeres. Darüber hinaus war er von wesentlicher Bedeutung, weil China mit der Unterzeichnung dieses Dokumentes erstmals die Existenz eines weiteren souveränen Staates, nämlich des Russischen Reiches, anerkannte (Nentwig 1996, S. 163). Außerdem wurden den Russen Handelsrechte eingeräumt, die ihnen den chinesischen Markt öffneten (Dahlmann 2009, S. 87).

Der Vertrag von Kjachta

Im Jahr 1728 kam es aufgrund personeller Veränderungen in den jeweiligen chinesischen und russischen Regierungshäusern zu weiteren Verhandlungen, die schließlich zur Unterzeichnung des Vertrags von Kjachta führten. Dieser regelte fortan neben Grenzfragen auch solche des Handels und der Diplomatie. Alle drei Jahre durften russische Handelskarawanen nach Peking reisen, sollten aber nicht mehr als 200 Personen umfassen. Ansonsten wurde den Kaufleuten gestattet, an der Staatsgrenze Kleinhandel zu betreiben. Dafür bot sich die genau an der Grenze liegende Siedlung Kjachta an. Südlich an Kjachta angrenzend wurde auf chinesischer Seite die Marktstadt Maimai Cheng (= Kleinhandelsstadt) gegründet. Russische Kaufleute boten Felle, Edelmetalle und Leder als Waren an und erwarben im Gegenzug Tee, Seide und die Wurzeln des Medizinalrhabarber (Buchholz, 1961 S. 86).

Zunächst wurde der Abschluss des Vertrags als Vorteil gesehen, ermöglichte er doch endlich den ersehnten Handel mit China. Wie noch zu zeigen sein wird, entwickelte sich das Handelsabkommen zwischen Russland und China in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts jedoch zu einem erheblichen Nachteil für russische Kaufleute im Pelzhandel. Da ihnen der Verkauf von Fellen nur dort gestattet war, mussten sie ihre Waren den gesamten Weg von Ochotsk an der Pazifikküste über Landwege bis nach Kjachta transportieren. Das hatte zur Folge, dass häufig ganze Ladungen von Pelzen auf dem langen Landtransport verdarben, weil sie zur Konservierung nicht ausreichend eingesalzen worden waren.

Die Verträge von Nertschinsk und Kjachta behielten bis ins 19. Jahrhundert hinein Gültigkeit und wurden erst von den Verträgen von Aigun (1858) und Peking (1860) abgelöst, durch die China seinen nordöstlichsten Teil verlor und der Grenzverlauf dann den Flüssen Amur und Ussuri folgte.

Georg Thomas von Asch und sein weit gespanntes Netz von Korrespondenten

Baron Georg Thomas von Asch verfügte über ein vielfach verzweigtes und sich über das gesamte Russische Reich erstreckende Netz von Korrespondenten, die ihm mit ihren Briefen nicht nur Nachrichten aus den verschiedenen Regionen zukommen ließen, sondern auch „Merckwürdigkeiten“ für die Göttinger Universität. Zu diesen Korrespondenten gehörte der Apotheker Karl Sievers, von dem von Asch die hier dargestellte Zeichnung erhalten hatte. Sievers stammte ursprünglich aus Peine, war aber nach seiner Lehrzeit als Apothekergehilfe im Alter von 22 Jahren nach St. Petersburg ausgewandert, wo er wie viele junge Gelehrte aus Deutschland sein Glück versuchen wollte. Ab dem Jahr 1789 nahm Sievers an mehreren Expeditionen zur Suche nach dem damals als Abführmittel höchst begehrten Medizinalrhabarber teil und kannte daher das russisch-chinesische Grenzgebiet recht gut. Über Sievers berichtet von Asch beispielsweise im Brief vom 18./29. September des Jahres 1793:

„Der würdige Naturforscher, Apotheker Sievers hat eine gefährliche Reise aus Krasnojarsk in die Bucharey unternommen, durch ihn verspreche ich mich manche neue Sämereyen zu bekommen.“

Diese Erwartung konnte Sievers zu von Aschs vollster Zufriedenheit erfüllen.

Mehrfach schickte Sievers Samen und Wurzeln von Pflanzen an von Asch, die dieser umgehend nach Göttingen weiterleitete, wo sie von dem Botanikprofessor Johann Andreas Murray begeistert aufgenommen und untersucht wurden. Murray stammte aus Stockholm und hatte von 1756 bis 1759 bei Carl von Linné in Uppsala studiert. 1760 nahm Murray einen Ruf nach Göttingen an und ab 1769 war er zusätzlich als Kustos des Botanischen Gartens in Göttingen tätig.

Der Medizinalrhabarber, eine spezielle Art von Rhabarber, die man zur Herstellung des Abführmittels benötigte, wuchs nur in China. Die getrockneten Wurzelstücke gelangten auf zwei unterschiedlichen Handelsrouten nach Europa: Entweder fand der Handel im Grenzort Kjachta statt, von wo aus die Rhabarberwurzeln auf dem Landweg durch Russland transportiert wurden oder sie wurden von Kanton (die Stadt Guangzhou im Süden Chinas) aus direkt nach England oder andere europäische Häfen verschifft. Diese Route blieb russischen Händlern allerdings aufgrund der geschlossenen Verträge verwehrt.

Solange die Beziehungen zwischen Russland und China geregelt waren und der Handel florierte, schickte von Asch hin und wieder ein Päckchen mit chinesischem Tee nach Göttingen, um die Gattin des Bibliotheksdirektors Heyne mit diesem damals großen Luxus zu erfreuen. Den Tee erhielt er ebenfalls von Sievers, der zeitweilig in Kjachta lebte. Über Sievers’ frühen Tod im April 1795 schrieb von Asch in seinem Brief vom 2./13. Dezember des Jahres 1795 nach Göttingen:

„Der Apotheker Joh. Aug. Sievers aus Peina gebürtig, überbrachte mir diese Sämereyen zu Anfang dieses Jahres, und endigte alhier sein Leben schleunig den 6./17. April, eben da er seine Rückreise nach Kjachta antreten sollte. Er war unverheyrathet – ich bedaure den Verlust eines Mannes der für die Naturgeschichte noch so nützlich hätte seyn können.“

Die Entdeckung des Nordpazifiks

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