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Was Objekte zu erzählen vermögen

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Es sind neue Wege des „Lesens“ von Dingen – üblicherweise Objekte, Gegenstände, Artefakten oder Ethnographica genannt –, die dieser Band einschlägt. Isoliert erscheinende Regionen und Kulturen, früher als trennend aufgefasst und beschrieben, werden als etwas Verbindendes begriffen: Indigene Dokumente, die Dinge also, werden als Markstein der europäischen Entdeckung, dem Wettlauf um Territorien im Nordpazifik (Sibirien, Kamtschatka, Aleuten, Alaska, nordwestamerikanische Küste und Hawaii-Inseln) verstanden und in miteinander verknüpften Geschichten präsentiert.

Mit den Regionen Südsee einerseits und Nordpazifik andererseits werden in der Regel ganz unterschiedliche Landschaften, Menschen und Kulturen assoziiert: hier sonnendurchflutete tropische Inseln inmitten eines riesigen Ozeans, üppige Vegetation, fröhliche Menschen, Bootsfahrten, Tänze, exotische Speisen, und dort, weiter nördlich an den kontinentalen Rändern von Asien und Amerika, endlos erscheinende, öde, im Winter von Eis und Schnee dominierte Landschaften, eingemummelte Menschen, die ein entbehrungsvolles Leben in einer kargen Umgebung fristen. Dazwischen an der amerikanischen Nordwestküste Überflussgesellschaften umgeben von bis zu 50 m hohen Riesen-Lebensbäumen (Thuja plicata), deren Holz zu vielfältigen künstlerischen Ausdrucksformen genutzt wurde. Die materiellen Dinge, Gegenstände des täglichen Gebrauchs sowie religiöse Objekte, die Menschen in diesen Regionen angefertigt haben, belegen tatsächlich die Verschiedenheit der Gebiete und des Lebens der Menschen.

Die 44 Objekte, die im vorliegenden Buch abgebildet sind und von der Autorin zum Erzählen gebracht werden, verdeutlichen dies eindrücklich. Es ist zweifellos ungewöhnlich, dass Gegenstände aus der Südsee und dem in die Arktis hineinreichenden Hohen Norden, die zudem aus verschiedensten Lebensbereichen stammen und bezüglich Form und Material augenscheinlich wenig miteinander zu tun haben, dennoch in einem Buch zusammen vorgestellt werden. Ein gemeinsamer Nenner scheint auf den ersten Blick zu fehlen. Zudem stammen die Objekte auch aus unterschiedlichen Sammlungen, nämlich derjenigen des deutschstämmigen russischen Arztes Baron Georg Thomas von Asch (1729–1807) aus Sibirien und Russisch Amerika (Alaska). Sie sind heute Bestandteil der Ethnologischen Sammlung der Universität Göttingen. Diese frühesten Ethnographica aus dem Hohen Norden erfahren im Buch narrativ ihre Ergänzung durch Artefakten, die von Iwan Antonowitsch Kuprejanow (1799–1857), russischer Gouverneur in Russisch-Amerika, gesammelt und Prinz Peter von Oldenburg (1812–1881) im Jahr 1841 übermittelt wurden: Sie befinden sich im Landesmuseum Natur und Mensch in Oldenburg. Drei weitere Objekte stammen von der ersten russischen Weltumsegelung unter der Leitung von Adam Johann von Krusenstern (1770–1846) und Juri Fjodorowitsch Lisjanski (1773–1837): Diese beherbergt heute das Museum Fünf Kontinente in München. Andere in diesem Buch vorgestellte Ethnographica gehen auf die dritte Südseereise (1776–1780) des englischen Seefahrers und Entdeckers James Cook (1728–1779) zurück: Sie gehören als älteste materielle Kulturzeugnisse der Hawaii-Inseln ebenfalls zur Ethnologischen Sammlung der Universität Göttingen.

Aufgrund von geographischen und klimatischen Unterschieden – Landmassen und Klimazonen – wurden die Südsee und der Hohe Norden, der sich über die Kontinente Asien und Amerika erstreckt, als getrennte Einheiten auch in die Kulturwissenschaften eingeführt. Dies gilt ebenso für ethnologische Sammlungen, die in der Regel geographisch, nach Kontinenten geordnet sind. Um jedoch verstehen zu können, wie diese von Europa weit entfernten Gebiete, sozusagen „am Rande der Welt“, „entdeckt“ (aus europäischer Sicht, notabene), erobert und schließlich in weltweite ökonomische und politische Verflechtungen eingebunden wurden, ist die Betrachtung dieser heute als Nordpazifik bekannten Großregion aus einer übergreifenden Warte unerlässlich. Der vorliegende Band schließt diese Lücke in der Betrachtung der europäischen Entdeckungs- und Eroberungsgeschichte dieser beiden getrennten Gebiete und zeigt auf, wie territoriale Expansion, Handel und Ressourcennutzung (vor allem in Bezug auf den Fellhandel) im Nordpazifik zu den Grundlagen einer globalisierten Welt beigetragen haben. Angehörige einstmals entfernter und isolierter Ethnien wurden über die bei ihnen gesammelten Dinge in dieses weltumspannende Beziehungsnetz von Akteuren unterschiedlicher Nationen eingegliedert: Die Welt begann näher zusammenzurücken.

Die Entdeckung des Nordpazifiks

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