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1.3 Frankreich und ein gescheiterter Kolonisierungsversuch
ОглавлениеAuch Frankreich beteiligte sich kurze Zeit an der Suche nach einer Durchfahrt. Jacques Cartier (1491–1557), ein Seemann aus der Bretagne, verließ am 20. April 1534 St. Malo mit zwei 60-Tonnen-Schiffen und 61 Mann Besatzung. Sein Auftrag lautete zwar nicht, nach der nördlichen Durchfahrt zu suchen, sondern bestimmte Inseln zu entdecken, von denen es hieß, dass Gold und andere Reichtümer dort in großer Menge zu finden seien. Aber im Hinterkopf hatte er natürlich die Abkürzung nach China, die er nehmen musste, um besagte Inseln erreichen zu können. 20 Tage nach seiner Abreise sah Cartier Cape Bonavista an der Ostküste von Neufundland. Offenbar hielt er Verrazanos Aussage, dass südlich von Neufundland keine Durchfahrt zu finden sei, für glaubwürdig. In den insgesamt viereinhalb Monaten, die Cartier im Jahr 1534 unterwegs war, segelte er durch die Belle-Isle-Straße, kartierte den sich dahinter öffnenden St.-Lorenz-Golf und war maßlos enttäuscht, als die Chaleurbucht sich nicht als die erhoffte Durchfahrt erwies. Am 5. September war er zurück in St. Malo und begann sofort Unterstützung für eine weitere Expedition zu suchen. Denn nun glaubte er zu wissen, wo er die Passage finden könne.
Im Mai 1535 war er erneut unterwegs. Dieses Mal hatte er über 100 Mann Besatzung auf drei Schiffen zur Verfügung. Seine Schiffe waren die Grand Hermine (120 Tonnen), Petite Hermine (60 Tonnen) und die Pinasse Emerillon (40 Tonnen). Zwei Indianer, Söhne des Huronenhäuptlings Donnaconna, die er im Jahr zuvor mit nach Frankreich genommen hatte, dienten ihm nun als Informanten und brachten ihn in ihren Heimatort Stadacona an der Stelle, wo sich heute die Stadt Quebec befindet (Thomson 1977, S. 23). Die Indianer nannten den großen Fluss ihrer Heimat Hochelaga, Cartier taufte ihn den Großen Fluss – den Namen St. Lorenz erhielt er erst später. Die Indianer teilten Cartier mit, dass der Fluss zum Königreich Saguenay führe, das reich an Gold und Edelsteinen sei. Mit der Pinasse versuchte Cartier das geheimnisvolle Königreich zu erreichen. Er gelangte bis zu einer indianischen Siedlung am Fuße eines Hügels, wo er aufgrund von unüberwindlichen Stromschnellen seine Suche aufgeben musste und den Ort Mont Réal taufte. Heute befindet sich dort die Stadt Montreal. Da die Indianer ihm mitteilten, Saguenay sei erst nach mehreren Wochen Reisezeit zu erreichen, entschloss er sich, nach Stadacona zurückzukehren und dort in der Nähe zu überwintern. 25 seiner fähigsten Seeleute verlor er während des Winters durch die Vitaminmangelkrankheit Skorbut. Im nächsten Frühjahr kehrte er unverrichteter Dinge und reichlich enttäuscht nach Frankreich zurück.
Auch wenn sich Misserfolg an Misserfolg reihte, wollte man nicht aufgeben. Cartiers dritte Expedition wurde noch besser ausgestattet als die beiden vorherigen. Denn jetzt lautete sein Auftrag, in dem Gebiet, das er auf der vorigen Reise erkundet hatte, eine französische Siedlung und eine Missionsstation zu gründen. Insgesamt zehn Schiffe standen für die Expedition zur Verfügung und das Oberkommando erhielt Sieur de Roberval. Im Mai 1541 segelte Cartier mit fünf Schiffen voraus und gründete eine Siedlung etwas oberhalb des heutigen Quebec. In Booten setzte er die Suche nach den Reichtümern des Königreichs Saguenay fort, die ihm nicht aus dem Kopf gehen wollten. Aber die Stromschnellen erwiesen sich als unüberwindlich und er musste sein Vorhaben schweren Herzens aufgeben. Hinzu kam, dass seine frisch gegründete Siedlung von Indianern bedroht wurde, was zu der Entscheidung führte, den Siedlungsversuch aufzugeben und ein drittes Mal unverrichteter Dinge nach Frankreich zurückzukehren. Alles, was er an Schätzen gefunden hatte, waren geringe Mengen von Gold und Diamanten. Einer genaueren Untersuchung hielten diese Funde allerdings nicht stand, das „Gold“ erwies sich als Pyrit und bei den „Diamanten“ handelte es sich um einfachen Quarz. Erst als Cartier sich schon auf dem Rückweg befand, traf er mit Roberval zusammen, der inzwischen zur Freibeuterei übergegangen war, weil er nicht über die Finanzmittel verfügte, um seine Gläubiger zu befriedigen. Erfolglos versuchte Roberval Cartier zu zwingen, mit ihm in die neu entdeckten Gebiete zurückzukehren, aber Cartier hatte genug von der ganzen Unternehmung und segelte zurück nach Frankreich.
Zwar hat Cartier mit den beiden ersten Reisen weder die ersehnten Reichtümer noch eine Passage zum Pazifik gefunden, aber immerhin hatte er eine Wasserstraße ins Innere des neuen Kontinents erschlossen und jene Stellen erkundet, an denen später die wichtigen französischen Städte Quebec und Montreal gegründet wurden, wenn auch seine erste Überwinterung mit hohen Verlusten an Menschenleben verbunden war. Die großangelegte dritte Reise wurde zur noch größeren Enttäuschung, denn weder fand er das sagenhafte Königreich Saguenay noch glückte der Versuch, eine französische Kolonie am St.-Lorenz-Strom zu gründen.