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Der kurze Weg nach China (16. Jahrhundert)

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Abb. 1.1: Karte der Expeditionen im 16. Jahrhundert.

Bereits seitdem Phytheas von Massilia im 4. Jahrhundert vor Christus von seiner Reise nach Norden zurückgekehrt war und unter anderem darüber berichtet hatte, dass er die Insel Thule und gefrorenes Meerwasser gesehen und extrem lange Helligkeit am Tage erlebt habe, verfügte man in Europa zumindest über eine vage Vorstellung vom Norden, von der Region unter dem Sternbild des Bären (griech. Arktos), der Arktis. Wo genau Phytheas allerdings gewesen ist, bleibt bis heute ungeklärt.

Wikinger aus Norwegen, sogenannte Nordmänner, wagten sich mit ihren robusten Handelsbooten über das nördliche Meer und besiedelten ab ca. 870 n. Chr. Island, nachdem sie sich auch auf den Orkneyinseln und den Färöern niedergelassen hatten. Von Island aus erkundete Erik der Rote während seiner Zeit der Verbannung aus Island in den Jahren 882–885 Grönland und schaffte es nach seiner Rückkehr, eine Auswanderungswelle in das Grüne Land, wie er es beschönigend nannte, in Gang zu setzen. In zwei Siedlungen, der Ost- und der Westsiedlung, die sich aber beide an der Westküste Grönlands befanden, errichteten die Nordmänner ihre Farmen. In den ersten zwei Jahrhunderten hatten sie regelmäßigen Kontakt nach Norwegen und zahlten ihre Steuern dorthin. Rom entsandte, nachdem die Nordmänner in Grönland um das Jahr 1000 das Christentum angenommen hatten, ab ca. 1055 Bischöfe nach Grönland, die aber nicht alle ihr Ziel erreichten. Der Erste, der dort vermutlich ankam, war Erik Gnupsson im Jahr 1121, sicher verbürgt ist Bischof Arnald ab 1124 (Seavers 1996, S. 33).

Eigentlich waren es jene Nordmänner, die Amerika entdeckten. Wie durch Ausgrabungen in Anse aux Meadows nachgewiesen werden konnte, hielten sie sich von ca. 1003 bis 1006 an der Nordspitze Neufundlands auf. Ob sie von dort aus auch weiter nach Süden vorgedrungen waren, bleibt vorerst umstritten. Ab ca. 1400 rissen die Kontakte nach Norwegen ab und um 1500 waren die Wikinger aus Grönland verschwunden.

Zu Beginn der Neuzeit wusste man in den gebildeten Kreisen Europas kaum etwas vom Schicksal der Nordmänner vor allem, dass sie südwestlich von Grönland Land entdeckt hatten, war unbekannt. Wichtigste Informationsquelle über Grönland waren bis ins Jahr 1480 die Schriften des Adam von Bremen aus dem Jahr 1075, in denen er sowohl Grönland als auch die wikingischen Entdeckungen im von ihnen so genannten Vinland erwähnte. Teile Grönlands tauchten erstmals im Jahr 1427 auf einer Landkarte auf – Claudius Clavus zeichnete westlich von Island eine Halbinsel namens Grolandia ein. Ganz vergessen war das ferne Siedlungsgebiet offenbar nicht, denn der dänische König Christian I. gab 1473 eine Expedition nach Grönland in Auftrag. Sie wurde von den beiden Hildesheimern Dietrich (oder Didrik) Pining (1422 oder 1428 bis um 1490/91) und Hans Pothorst durchgeführt. Ob die beiden auch die Küsten Amerikas im Bereich Neufundlands oder Labradors sichteten, bleibt ebenso umstritten wie die Anwesenheit von João Vaz Corte-Real (gest. 1496) als Agent des portugiesischen Königs Alfonso V. auf ihrem Schiff (Hughes 2003, S. 79–81; Stefansson 1971, S. xxxvii). Vermutlich gab es weitere frühe Reisen in das Gebiet um Neufundland. So soll eine englische Expedition um 1480 von Bristol aus auf der Suche nach einer Insel gewesen sein, die unter dem Namen Brasylle bekannt war und irgendwo im westlichen Atlantik liegen sollte.

Das generelle Problem in der Entdeckungsgeschichte ist, dass wir nur Kenntnis haben von Reisen, die schriftlich dokumentiert wurden. Häufig wurden neue Entdeckungen aber aus wirtschaftlichen Gründen geheim gehalten oder fanden nur mündliche Verbreitung bzw. wurden als Gerüchte weitergegeben. Viele Orte mussten deshalb mehrfach gesichtet werden, bis sie nachvollziehbar dokumentiert wurden. Manchmal dauerte es, bis deutlich wurde, dass der gleiche Punkt bereits mehrmals entdeckt worden war und unter verschiedenen Namen an unterschiedlichen Stellen auf den zeitgenössischen Landkarten auftauchte.

Bereits während des ausgehenden Mittelalters gelangten Gewürze und Seide auf dem Landweg nach Europa. Da diese Transportwege nicht nur langwierig und gefährlich waren, sondern auch unzählige Zwischenhändler an den Waren verdienten, war der Wunsch groß, China, Indien und die Herkunftsgebiete der Gewürze auf dem Seeweg zu erreichen. Hinzu kam, dass sich mit Beginn der frühen Neuzeit wieder die alte griechische Vorstellung von der Kugelform der Erde durchsetzte. Dieser Gedanke machte die Vorstellung möglich, nach Indien oder China zu gelangen, indem man von Europa aus nach Westen segelte, und führte letztlich zur Entdeckung Amerikas durch Christoph Kolumbus im Jahr 1492. Zwar war noch nicht klar, ob die von ihm gesichteten Inseln vor einem neuen Kontinent lagen –, er selbst glaubte ja bis zu seinem Tod daran, vor der Ostküste Indiens gewesen zu sein – aber das Bild von der Welt begann sich langsam zu wandeln. Unmittelbar nach Kolumbus’ Entdeckungen gab es einen Streit zwischen den führenden Seemächten Portugal und Spanien, der mit dem Abschluss des Vertrags von Tordesillas endete. In diesem 1494 geschlossenen Vertrag wurde unter Vermittlung von Papst Alexander VI. die Welt in zwei Hälften aufgeteilt, indem man ungefähr 2000 km (370 spanische Leguas) westlich der Kapverdischen Inseln eine Linie zog. Alles östlich davon wurde zu portugiesischem und alles westlich davon zu spanischem Einflussgebiet. Portugal konnte folglich den Seeweg nach Indien um die Südspitze Afrikas herum für sich beanspruchen, eine vergleichbare Route Richtung Westen war nun Spanien vorbehalten und wurde 1521 von Fernando Magellan entdeckt.

Diese Aufteilung der Welt zwischen Spanien und Portugal führte dazu, dass die neu aufstrebenden Seemächte England und Holland sich im Norden nach einem Seeweg umsahen, der sie zu den Gewürzinseln führen sollte. Und damit begann die Suche nach der Nordwestpassage. In der Vorstellung der Menschen existierten die Seewege im Norden bereits – sie mussten nur noch in der Realität gefunden werden. Beispielsweise war auf Karten von Sebastian Münster (1488–1552) eine imaginäre Nordwestpassage eingezeichnet, die zu den Molukken führte: In einer Legende nördlich der Verrazano-See, die Florida von „Francisca“ (heutiges Kanada) trennt, heißt es: „per hoc fretu iter patet ad Molucas“.

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