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1.5 Von einer Idee besessen

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Die Idee, dass es eine nördliche Verbindung vom Atlantik zum Pazifik geben müsse, grub sich immer tiefer in die Köpfe der Gelehrten ein. Bereits im 16. Jahrhundert waren insbesondere Schreibtischgelehrte felsenfest davon überzeugt, dass es die Passage gebe und sie nur noch gefunden werden müsse. Robert Thorne gehörte zu den vehementen Verfechtern der Nordroute. Er war Beamter der Admiralität in Bristol und später als Kaufmann in Sevilla erfolgreich. Bedenken, dass die Nordroute aufgrund klimatischer Gegebenheiten, insbesondere aufgrund der hohen Eisbedeckung auch während des Sommers, nicht befahrbar sei, wischte er mit den Worten vom Tisch, dass es weder unbewohnbares Land noch unbefahrbare Gewässer gebe. Unverbesserliche Optimisten, die mit warmen Füßen in ihren Studierstuben auf und ab gingen, ignorierten die Berichte der Seefahrer von Eis, Stürmen und unbekannten Landmassen und blieben von der Existenz einer befahrbaren Passage überzeugt. Auch Humphrey Gilbert gehörte zu den Schreibtischgelehrten, die sich durch Schilderungen der tatsächlichen Wetterbedingungen nicht beirren ließen. Auf den Argumenten von Robert Thorne und Roger Barlow aufbauend, schrieb er Mitte der 1560er Jahre eine Abhandlung, die 1576 in überarbeiteter Form gedruckt wurde und unter den Titel „A Discourse of a Discoverie for a New Passage to Cataia“ erschien. Gilbert argumentierte darin, dass eine Nordwestpassage leichter zu durchfahren sei als eine Nordostpassage. Schließlich seien mit der östlichen Route ja bereits schlechte Erfahrungen gemacht worden, wie man am Tod von Willoughby und Barents hatte sehen können. Um das etwas abgeflaute Interesse an der Nordwestroute erneut zu stimulieren, behauptete Gilbert außerdem, die Nordwestpassage sei kürzer als die Nordostroute zu den Molukken. Darüber hinaus verlaufe sie weiter südlich und führe demzufolge durch weniger vereistes Gebiet als die Nordostpassage. Aber als größten Vorteil stellte er heraus, dass man auf der Westroute nicht durch das Reich des Zaren fahren müsse (Williams 2009, S. 16).

Erschwerend kam hinzu, dass Konkurrenz um die Gelder möglicher Investoren herrschte. Manche wollten ihr Geld allerdings nur für die Südroute durch die Magellanstraße bereitstellen, wie z.B. Richard Grenville und William Hawkins. Da diese Route aber durch die spanische Einflusssphäre führte, entschied die englische Königin Elisabeth I. die Erkundung der Nordwestpassage zu unterstützen, um diplomatischen Verwicklungen aus dem Weg zu gehen (Williams 2009, S. 16).

Die Suche nach der Nordwestpassage war, wie die Schriften von Gilbert und anderen zeigen, durch die völlige Unkenntnis der Geographie der arktischen Welt geprägt, die Raum ließ für unrealistisch-optimistische Einschätzungen der dort herrschenden Lebens- und Reisebedingungen. Man ging davon aus, dass die Durchquerung der Passage problemlos sei, sobald man sie gefunden habe. Landkarten, auf denen die falschen Vorstellungen dokumentiert wurden, ziehen sich wie ein roter Faden durch die Geschichte der Suche nach der Nordwestpassage und haben die Suche immer wieder aufs Neue in Gang gebracht.

Schon die ersten erhalten gebliebenen Karten des Nordens zeigen ein offenes, d.h. eisfreies Meer am Pol, das von einem Eisgürtel umgeben ist. Es galt also lediglich, diesen Eisgürtel zu durchstoßen, um dann das offene Meer überqueren zu können. Die Idee vom offenen Polarmeer hielt sich bis ins 19. Jahrhundert und wurde zum Motor für viele gescheiterte Versuche, den Nordpol per Schiff zu erreichen.

Immer wieder beeinflusste das Erscheinen neuer Landkarten die Suche nach der Nordwestpassage, aber auch die generelle Vorstellung, die man sich in Europa vom Norden machte. Im Jahr 1555 erschien von Olaus Magnus eine Beschreibung der nördlichen Völkerschaften mit einem Überblick über Natur und Geschichte Schwedens, Norwegens und Dänemarks und den Fischreichtum in nördlichen Gewässern. Ursprünglich in Latein abgefasst, aber in weitere Sprachen übersetzt, zirkulierte diese Schrift unter europäischen Gelehrten und prägte das Bild vom Norden (Williams 2009, S. 10f.). Der venezianische Kartograph Giacomo Gastaldi brachte 1561 eine Karte heraus, auf der Amerika und Asien durch die schmale Straße von Anián getrennt dargestellt wurden. Die Darstellungsweise auf Gastaldis Karte wurde bald von anderen Kartenmachern übernommen, so von Abraham Ortelius im Jahr 1564. Im Jahr 1569 brachte Gerhard Mercator eine Weltkarte heraus, die einen riesigen nördlichen Ozean nördlich des amerikanischen Kontinents zeigte. Dieser hyperboräische Ozean ist durch eine Straße mit dem Pazifik verbunden, deren pazifisches Ende Anián heißt (Williams 2009, S. 11f.). Zwar unterschieden sich die Karten von Gastaldi, Ortelius und Mercator in der Darstellung der Arktis, waren sich aber darin einig, dass es eine Passage auf der Nordroute an Amerika vorbei vom Atlantik in den Pazifik geben musste. Und auch die Straße von Anián ging den Gelehrten bis ins 18. Jahrhundert nicht mehr aus dem Kopf. (Abb. 1.2)


Abb. 1.2: Gerhard Mercators Karte der Arktis aus dem späten 16. Jahrhundert.

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