Читать книгу Chroniken der tom Brook - Gunda von Dehn - Страница 10

Kapitel 7 - Widzelts große Liebe

Оглавление

Einige Tage nach dem ‚großen Rat‘ reisten die Gesandten des Herzogs mit Widzelts Entscheidung und der gesiegelten Urkunde im Mantelsack endlich ab.

Widzelt hatte die Höflichkeit besessen, ihnen ein Gelage nach dem andern zu bieten. Diese hatte Widzelt natürlich auch bestehen müssen. Weidlich nutzten die Gesandten die günstige Gelegenheit, sich kostenlos zu betrinken. Dabei kam es weniger auf den guten Geschmack an als auf die Menge. Das musste „hinhauen“! Sie tranken aus Humpen und Ziegenschläuchen, Genever, Obstwein und Bier, ganz gleich was, in freiherziger Wohllaune. Und stand der Pegel hoch genug, dann wanderten sie allesamt Arm in Arm hinunter zum Dirnenhaus auf dem Deichstrich. So verging ihnen die Zeit recht kurzweilig und Widzelt lieh ihnen das Geld dazu. Allerdings blieben sie ihm die Rückzahlung bei der Abreise schuldig. Einerlei, dem Junker wuchsen Flügel, so eilig hatte er es, die öffentliche Badestube aufzusuchen.

Foelke lachte: „Du willst wohl deine Badmaid treffen? Es ist Freitag, Widzelt. Da ist das Baden für einen guten Christenmenschen verboten."

„Ich will nicht baden. Es war eine harte Woche. Ich will mich ausruhen und richtig verwöhnen lassen: ein Schwitzbad, eine Massage, schön rasieren und die Haare stutzen. Ja, und die Füße pflegen, knobeln, trinken und essen..."

Ihm fiel nichts mehr ein, was er ihr sage konnte und Foelke fragte harmlos: „Was gibt es denn zu essen?“

Er nestelte an seinem Haarband herum, ehe er fortfuhr: „Kapaun..., denke ich und... leckeren Bookwetenjanhinnerk mit Kirschen.“

Der bucklige Ubbo watschelte hinzu und frozzelte: „Ach, Buchweizenpfannkuchen! Da muss sie dich wirklich lieben.“

Und Foelke ergänzte: „Ich glaube ja, du willst dich nur an der baren Baderin ergötzen."

„Sie ist nicht nackt, sie trägt stets ein Gewand."

„Aber ein durchsichtiges. Das gefällt ihm!", flachste Ubbo.

„Immerzu musst du was mummeln mit deinem Hasengebiss!“

„Ich hab‘s geseh‘n! Hab‘s geseh‘n! Schöne Beine - runden Achtersteven! Bis zur Scheide...“, quäkte Ubbo keck und schwupp hatte er sich eine Ohrfeige eingefangen.

„Was du schon siehst mit deinen Glubschaugen! Sie trägt ein Gewand. Und nun sei still, Ubbo. - Das weiß man doch, nicht wahr? Willst du einen Tag fröhlich sein? Dann geh ins Badehaus hinein!"

Foelke schüttelte den Kopf. Was zieht die Männer nur ins schmuddelige Badhaus? Essen und trinken? Spielen? In unserem Bad ist es doch viel schöner und man ist ungestört! Aber nein, es sind die halbnackten Baderinnen!

„Willst du ein Jahr fröhlich sein? Nimm ein junges Weib", giggerte Ubbo albern. „Die Badmaid weckt den Teufel in ihm! Kaplan Embeco sagt, der Junker sehnt sich danach, die Karre zu schieben."

„Ubbo!" Widzelt langte ihm erneut eine und Buckel-Ubbo floh jaulend zur Tür.

„Er tut was er kann!“ rief der Narr noch glucksend. „Und das ist eben das Problem, Burgfrau!“ Damit hatte er alles gesagt, was es zu Widzelts Vergnügungen zu sagen gab. Ubbo war zufrieden mit sich, ehe er auf den Flur schlüpfte.

„Er hat Recht, Widzelt. Was ist mit deiner Oda? Willst du, dass Oda vors Sendgericht geladen wird? Ich wünsche, dass du das umgehend regelst, sonst musst du tatsächlich eines Tages die Oda mit der Schubkarre durch die Gassen fahren und die Leute lachen dich aus und bewerfen euch mit Unrat!"

„Mich? Das glaubst du selber nicht! Ich bin der Herr hier! Mastino Visconti hat mindestens zehn illegitime Kinder und musste niemals..."

„Ja, und wir sind hier in Friesland und nicht im sündigen Italien und der Bischof ist mächtiger als du."

„Mille grazie, Foelkedis. Das sollte ein Witz sein."

„Ja, ein Witz. Du versteckst dich immer hinter Witzen. Nimm dich ihrer an, es ist ... ich spüre es ..." Infolge der eigenen Schwangerschaft befand Foelke sich in weicher, barmherziger Stimmung, ihr kamen die Tränen angesichts des Unglücks von Oda, aber Widzelt bemerkte das nicht. Zärtlich ließ sie ihre Hände über den gewölbten Leib gleiten und fragte leise: „Was willst du denn tun?“

„Caro, per favore, ich tue das, was nötig ist.“

„Was denn?"

„Du meinst doch nicht, dass ich sie heiraten soll?", fragte er ungehalten.

„Warum nicht? Man sagt, du hättest zur Walpurgisnacht eine Linde für sie gepflanzt. Die Linde ist ein heiliger Baum, weißt du das denn nicht?“

„Doch. Wer weiß das nicht?“

„Und du weißt auch, dass die Linde mit ihren herzförmigen Blättern Freija, der Liebesgöttin, der Hüterin des Feuers und des Friedens zugeordnet wird?“

„Ja, ich bin doch nicht blöd.“

„Und du weißt auch, dass die Linde wohl 1000 Jahre alt wird? Dass die Linde der Liebesbaum ist? - Da man der Linde nachsagt, als Baum Freijas die Wahrheit ans Licht zu bringen, hält man vielerorts sogar noch heute unter ihr Gerichts- und Thingversammlungen ab.“

„Ich weiß, Foelke. Ich weiß das alles. Die Linde ist aber auch der Schutzbaum vor bösen Geistern.“

„Du meinst, sie schützt die Liebe? Der Schutzbaum der Liebe?“

„Vielleicht.“

„Man sagt, sie sei sehr schön..."

Er antwortete mit großer Grandezza. Das hatte er wohl am Hof von Neapel gelernt. „Oda? Wahrlich, das ist sie! Kirschrote Lippen, Augen wie zwei Sterne so schön, Haare so weich wie feinste Seide - nein noch weicher… Aber ich kann's nicht. Sie ist ungebändigt und widerspenstig und müsste erst von mir erzogen werden, um Demut und Gehorsam zu lernen."

„Dann tu's oder liebst du sie nicht?" Fragend schauten ihre grünen Augen ihn an.

„Ach, Foelkedis! Liebe... Was ist das? Frag mich nicht, ob ich sie liebe. Ich mag sie und sie mag mich und wir haben… uns vereint. Aber Liebe? Das liegt im Auge des Betrachters. Ich werde sie keinesfalls heiraten! Ich liebe dich!"

„Wie das? Widzelt! Ich verstehe dich nicht.“

„Amore mio, du gibst keine Ruhe mit deiner Fragerei, oder?"

„Widzelt! Was redest du denn da! - Wenn du keine von der Kirche anerkannte Muntehe willst, so schließe eine Friedelehe mit ihr."

„Was soll das? Da ändert sich doch nichts. Die Kirche hat die Friedelehe zum Konkubinat erklärt."

„Das macht doch nichts, wenn du sie liebst. Wenn Oda nachträglich den Brautschatz leistet, kannst du eure Ehe zur Muntehe erklären lassen."

„Brautschatz! Wovon redest du? Gib dir keine Mühe. Hast du nicht zugehört? Prego, höre zu! Ich liebe sie nicht und heiraten werde ich sie noch viel weniger! Sie ist nicht ebenbürtig, Foelke."

Nicht ebenbürtig? Ist Widzelt nicht ein Bastard? dachte Foelke, äußerte jedoch genervt, Widzelt möge mit dem dummen neapolitanischen Geschwätz aufhören. Er nickte abwesend. Die Ehe zur linken Hand sei von der Kirche anerkannt, fuhr sie fort: „... Nur für deine Oda und eure Kinder gibt es den Nachteil, dass sie dir gegenüber nicht erbberechtigt sind. Aber durch reichliche Schenkungen zu deinen Lebzeiten kannst du ihre Zukunft sichern."

Widzelt lief rot an und bölkte: „Per favore, caro. Du glaubst es nicht, amore mio, aber das wird dir nicht gefallen. Höre gut zu: Oda ist alles andere als standesgemäß. Sie ist eine, eine, eine…"

„Ja, was denn?“

Er konnte es nicht aussprechen. „Ach lass!“ winkte er ab. Aber Foelke wollte es nun wirklich wissen. „Sie ist doch eine Heidin, oder?“

„Nein, sie ist getauft.“

„Ja, was denn? Was ist sie denn? - Eine Hure?“

„Nein, sie ist keine Hure! Sie ist eine Leibeigene! So, jetzt weißt du es.“

Foelke sah sich erschrocken um und flüsterte bestürzt: „Nicht so laut, Widzelt. Das Gesinde! - Was sagst du da? Das ist nicht wahr!"

„Du hast es gehört. Was ich gesagt habe, habe ich gesagt."

„Du lässt dich mit einer Leibeigenen ein? Du? Der Verweser? Bist du noch ganz bei Trost? Weißt du denn nicht, wie gefährlich das ist? Widzelt! Wenn das so ist... Nein, dann kannst du sie nicht heiraten, denn du würdest all deine Rechte verlieren und ich würde dich auch verlieren", sagte Foelke traurig und sie musste daran denken, dass Folkmar Allena ihr einmal anempfohlen hatte, sein Kebsweib zu werden. Kebsweib! Welch unerhörte Beleidigung! Ein Kebsweib, das konnte Oda werden, denn Kebsweiber wurden Frauen, die aus dem Stande der Leibeigenschaft kamen. Der freie Mann nahm sie als Nebenfrau, ohne ihr allerdings irgendwelche Ansprüche oder Rechte zu überlassen. Dieses Mädchen, diese Oda, sie konnte Widzelts Kebsweib werden, wenn er es so wollte, obgleich auch das mit klerikalen Schwierigkeiten verbunden sein würde. „Wem gehört sie denn? Kannst du sie nicht freikaufen?"

„Dem Orden."

„Welchem Orden? Sicher kann meine Schwester Hebe etwas für sie tun."

„Foelke, sie kommt aus Kawen (= Kowno). Ich habe sie als Beute dem Deutschritterorden überlassen. Großmeister Kniprode wollte sie mir schenken, aber er hat es wohl vergessen und sie einem anderen Orden gegeben und der wird sie nicht freigeben."

„Aber warum nicht?"

„Weißt du denn das nicht? Leibeigene lässt man ungern frei, Foelke."

„Widzelt, werd‘ nicht frech. - Leibeigene! Das weiß hier doch keiner! - Biete Geld, eine größere Summe wirkt oft Wunder!"

„Glaub mir, sie wollen es nicht."

„Aha, du hast es schon versucht? - Du könntest sie vielleicht..., ich meine, es wäre doch möglich…“

„Ja, was denn?“ Ungeduld sprang Foelke entgegen.

„… als Kebsweib nehmen."

„Kebse! Dann wäre sie meine Sklavin! Ich will keine Sklavin als Weib!"

„Widzelt, mach die Augen auf! Es ist ein Kebsverhältnis, was du hast. Und wenn sie ein Kind hat von deinem, von Ockos Blut... Du kannst verhindern, dass man ihr etwas antut. Alles andere ist nebensächlich, denn die Unschuld der Kinder vermag die größten Wunder zu vollbringen..."

„Wunder! Ja, das 'Wunder‘ der Buße, dass man Oda an den Pranger stellt und blutig peitscht..."

„Aber du kannst als Vater von ..."

„Nichts kann ich. Für jeden Stand gilt der Rechtssatz, dass das gemeinsame Kind bei einer ständisch gemischten Ehe immer der ärgeren Hand folgen soll, also dem rechtlich schlechter gestellten Eheteil. Kebskinder sind nicht erbberechtigt. Glaubst du, ich würde darüber nicht nachdenken?"

Sie sah ihn betroffen an: „Als Vater könntest du zumindest die rechtliche Stellung deines Kindes verbessern und es könnte bei uns aufwachsen.  Was ist es denn, Widzelt, was dich zu ihr hinzieht, wenn nicht Liebe? Nur fleischliche Lust?"

„Im Bruch ist Brunftzeit der Hirsche", scherzte Widzelt verschmitzt. „Tröstet es dich, dass es schlimmer wäre, wenn ich an Odas Stelle wäre?“

„Wie meinst du das?“

„Mal angenommen, es wäre umgekehrt: Oda wäre ein freies Weib und ich wäre ein unfreier Mann. - Dann würde Oda als freie Frau sogar in den unfreien Stand abrutschen, wenn sie mich – als Unfreien – heiratet."

„Was redest du denn da? Welche Torheit! Ach, Widzelt, was redest du da für Zeug! Wenn du ihr nicht hilfst, dann machst du sie zur Hure. Ich meine, vielleicht ist es besser, wenn sie fortgeht, ehe es zu spät ist. Oder willst du, dass sie bleibt?“

„Sie will bleiben und ich will es auch! Basta! - Ich bin hier der Herr!“

„Du brauchst ein richtiges Eheweib, Widzelt, nicht solch eine Frau. Sie ist deiner nicht würdig. Das weißt du so gut wie ich.“

„Du meinst damit, ich brauche eine Frau, die mir die Flausen austreibt? Solch ein Weib brauche ich nicht. Das ist nur lästig und man muss ständig um gut Wetter buhlen.“

„Und es ist ja auch viel zweckmäßiger, auf jeder Burg ein schönes Goldstück sitzen zu haben, das auf dich wartet, nicht wahr?“

„Ja, so ähnlich“, grinste er und faßte sich bedeutungsvoll ans Gemächt, was Foelke angelegentlich übersah: „Liebst du sie denn, deine Oda?“

Er sprang hastig auf. „Ob ich sie liebe? Ich glaube wohl. Jedenfalls ist sie nicht die Liebe meines Lebens. Kann der Verstand das Herz totschlagen? Möglich. Vielleicht ist es nur Barmherzigkeit, was mich zu ihr treibt", beschied Widzelt bestimmt und es stand ein gefährliches Wetterleuchten in seinen Augen. Da war alles Weiche und Liebenswürdige mit einem Male vergangen. Diesen Blick kannte Foelke und wusste, dass jedes weitere Wort nutzlos war.

Die Türe knallte hinter ihm zu. Er und barmherzig!, dachte sie und sah, wie sich sein Rockzipfel verklemmte. Schon riß er die Tür wieder auf und sie rief ihm zu: „Ein Problem verschwindet nicht, wenn man es verschweigt, Widzelt!“

Er antwortete nicht darauf. Kurz danach hörte man Hufschlag über die Zugbrücke donnern und Foelke dachte verzweifelt: Oh, Heilige Jungfrau Maria, mir fehlt mein Ocko. Er wüsste, was zu tun ist. Wenn doch nur Ocko hier wäre, dann könnte ich, dann..., oh Gott, ich weiß nicht mal mehr, was dann wäre. - Immerhin hat Widzelt nicht in Abrede gestellt, dass er mit dieser Oda eine Liebschaft hat oder hatte und dass sie sogar ein Kind von ihm haben könnte...

Chroniken der tom Brook

Подняться наверх