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Kapitel 11 - Fehde gegen Harlingen / Holland 1392

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Herzog Albrecht von Holland nannte sich nun „Vorsteher und Beschützer von Brookmer- und Auricherland“. Das Wort 'Vorsteher' ärgerte den Junker gleichermaßen wie Foelke. Indes, man bemerkte nicht viel davon, aber von Schutz auch nicht, im Gegenteil, kurz nach Ritter Ockos Tod, im Frühjahr 1392, ersuchte der Herzog den Verweser des Brookmer- und Auricherlandes, Widzelt tom Brook, er möge den Rotterdamer Bürger Potter militärisch unterstützen. Dieser Mann war eine Zeit lang von dem Harlinger Aybo Rambodisna gefangen gehalten worden und hatte für seine Freilassung erkleckliches Lösegeld zahlen müssen. Nun war Potter vom Herzog ermächtigt worden, seinen Gegner, Aybo Rambodisna, zu befehden, um sich dadurch schadlos zu halten.

Krieg, Krieg! Immer wieder Krieg und Tod und Leid! Fiel den Kerlen nichts anderes ein, als grimmig nach Rache zu schreien? Es ist ja so einfach, seinen Rivalen einfach umzubringen! Ein Toter kommt nicht wieder, aber der Tod überschattet schwer das weitere Leben, denn Gewalt löst wieder Gewalt aus. Dennoch ist es viel einfacher einen Widersacher zu töten als mit ihm zu reden, sich mit ihm auseinanderzusetzen, sich verständlich zu machen, zu verhandeln. Sie mussten damit aufhören! Es zerriss Foelke das Herz, ihre Untersassen in den Krieg für irgendeinen Menschen zu schicken, den sie noch nicht einmal kannte. Ihr Herz schrie: Aufhören! Aufhören! Hört auf mit dem ewigen Krieg! Diese entsetzliche Unglückslast, sie reißt mir Wunden auf! Herr, beende diese Not!

Leider, der Herr im Himmel überhörte Foelkes Flehen. Widzelts Regierungsvertrag mit dem Herzog von Bayern war verhältnismäßig ungünstig. Als berufener Verweser wurde Widzelt gleichsam in Kriegshandlungen gezwungen, ohne sich dagegen zur Wehr setzen zu können. Die guten Zeiten waren vorbei. „Tempi passati wie Widzelt zu sagen pflegte. Er musste Leute unter Waffen halten. Das kostete... Er war beileibe kein elender Feigling und doch suchte er händeringend nach einem Ausweg. Die Sache mit Potter hielt er für mehr als nur übel. Dadurch wurde Widzelts Herrlichkeit (= Herrschaftsgebiet) in arge Bedrängnis gebracht.

Seit einiger Zeit herrschte endlich Ruhe im Brookmerland und nun störte der Herzog mit seinem Unterstützungsersuchen den mühsam erkämpften Frieden. Es ging um Harlingen jenseits der Ems. Das schmeckte Widzelt absolut nicht, aber er wusste auch, dass er das Beste daraus machen musste. Und was war das Beste? Unterwerfung – völlige Unterwerfung von Harlingen. Das würde ihm zum Vorteil gereichen. Mit einer Beteiligung an dem Feldzug gegen Harlingen geriet Widzelt aber gleichzeitig in Konfrontation zur Hansestadt Groningen und dessen Heerführer Folkmar Allena. Ihn aber wollte Widzelt allzu gern auf seine Seite ziehen. Eine fatale Situation, denn Folkmar Allena wiederum verteidigte die Groninger gegen die Eroberungsbestrebungen des Herzogs von Bayern und half den Groningern bei ihrem Bestreben, das drückende Bischofsjoch abzuwerfen.

„Alles geht in die Binsen“, stöhnte Widzelt mißmutig. „Der Herzog zerstört all meine Bemühungen um ein friedliches Miteinander mit Folkmar Allena. Seine Gnaden wirft mit dem Hintern um, was ich mühsam mit Kopf und Hand aufbaue.“

Groningen wurde zur Zeit durch den Bischof von Utrecht und seinen Statthalter regiert, wie die Groninger nicht müde wurden, zu bekunden!

Kaiser Friedrich I Barbarossa Höchstselbst, der im Jahre des Herrn 1165 nach Utrecht gekommen war, hatte ein Kondominium geschaffen, wodurch damals die konkurrierenden Ansprüche der Grafen von Holland und der Erzbischöfe von Utrecht auf Mittelfriesland relativ ausgeglichen wurden. Dieser Vergleich fand so statt, dass der Bischof von Utrecht und der Graf von Holland Einkünfte und Schaden zu gleichen Teilen aus der Ausübung der Grafenrechte in beiden Distrikten haben sollten. Die Wahrnehmung der Gerechtsame des Grafen von Holland und jene des Bischofs von Utrecht wurde fortan einem von ihnen selbst zu bestellenden Lehengrafen und zwei Vögten übertragen. Da seinerzeit Federgau und Brookmerland zum Groninger Land zählten, unterlagen diese mithin dem jeweiligen Lehengrafen. Während die Friesen diesseits der Ems die Herrschaftsansprüche akzeptierten, erkannten die Friesen jenseits der Ems im Gegensatz dazu diese nicht an und suchten ständig, sich ihrer zu erwehren.

Widzelts wußte, dass Keno von Norden, sein Urururahn, einst einer der beiden Vögte gewesen war. Dieser Keno hatte dem König von Neapel, Karl von Anjou, und dessen Bruder König Ludwig von Frankreich, den man den Heiligen nennt, anno 1270 auf ihrem Kreuzzug nach Tunis gedient.

Zu jener Zeit herrschte Chaos um den Deutschen Königsthron. In der zweiten Doppelwahl eines deutschen Königs nach dem Tod Wilhelms von Holland (1256) wählte die "englische Partei" der deutschen Kurfürsten von Köln, Main und Pfalz den Sohn des englischen Königs Johann Ohneland, Richard von Cornwall (1257-+ 2. 4. 1272) zum deutschen Gegenkönig. Er konnte sich aber kaum in größerem Maße durchsetzen als der Gegenkönig Alfons X. der Weise, König von Kastilien und Leon. Erst dem Nachfolger Rudolf I. von Habsburg gelang es, die Phase des Interregnums wirklich zu beenden.

Die Überlieferung bezeichnete Widzelts Ahnherrn als wahrhaft heldenhaften Heerführer, weshalb ihn seine Gefolgsleute, die Reiderländer, zu ihrem Vogt erwählten. Faszinierende Legenden umrankten diesen Mann der Tat und es gab fortan kaum einen männlichen Nachfahren des Keno, der ihm nicht nacheifern wollte.

In seinem Drang nach Macht und Ruhm erging es nun auch Widzelt in gleicher Weise. Keno, Ritter Ockos Sohn und legitimer Erbe, war ja noch ein Kind und somit hielt Widzelt als Verweser alle Instrumente der Macht in den Händen, um seine persönlichen Träume verwirklichen oder ihnen zumindest näher kommen zu können.

Ritter Ockos Vater, Keno Hilmerisna, war Lehnsmann von Rainald III. von Geldern gewesen. Als dieser anno 1371 kinderlos verstarb, löste dies den Geldern’schen Erbfolgekrieg aus. Das geschah, kurz bevor Ritter Ocko die Herrschaft in seinem Beritt übernommen hatte.

Obwohl, eigentlich hatte der Geldern’sche Erbfolgekrieg schon früher begonnen, nämlich bereits anno 1343 mit dem Tod von Rainald II., denn als dieser verstarb, folgte ihm sein zehnjähriger Sohn Rainald unter der Vormundschaft des Grafen Adolf II. von der Mark.

Dazu muss man wissen, dass Rainald II. als Herzog von Geldern und Graf von Zutphen bereits auf dem Reichstag in Frankfurt anno 1339 von Kaiser Ludwig dem Bayern (Vater des Herzogs Albrecht von Bayern Graf von Holland) in den Reichsfürstenstand erhoben und gleichzeitig mit Ostfriesland belehnt worden war, was ursächlich mit der Leihgabe von 40.000 Gulden an den hablosen Kaiser im Zusammenhang stand.

Nach dem Tod von Rainald II. bildeten sich zwei Parteien, die nach zwei vornehmen Familien benannt wurden: die „Hekeren“, an deren Spitze Herzog Rainald III. stand, und die „Bronkhorsten“, welche Rainalds Bruder Eduard anführte. In der Schlacht bei Tiel 1361 war Rainald besiegt und gefangen genommen worden; sein Bruder Eduard hatte die Regierung an sich gerissen, verlor aber zehn Jahre später in einer Fehde mit dem Herzog von Brabant das Leben. Man hatte damals den bisher gefangen gehaltenen Rainald III. wieder zur Regierung berufen, aber er war im selben Jahr (1371) verstorben, was nach zehnjähriger Gefangenschaft im Verlies niemanden in Erstaunen versetzte. Rainald III. hinterließ jedoch keine Kinder und somit entbrannte erneut ein heftiger Kampf um das wertvolle Erbe.

Während nun die „Hekeren“ für Mathilde, Tochter von Rainald II. und Witwe des Grafen Johann I. von Kleve, Partei ergriffen, suchten die Bronkhorsten Wilhelm von Jülich, dem siebenjährigen Neffen des letzten Herzogs, zur Regierung zu verhelfen. Daraus war der Geldern’sche Erbfolgekrieg entstanden, der erst nach vielen Jahren des Kampfes im Jahre des Herrn 1379 zu Gunsten des Wilhelm von Jülich ein Ende gefunden hatte, welcher jedoch erst mit 19 Jahren (anno 1383) von König Wenzel als Herzog von Geldern anerkannt wurde.

Wegen des Erbfolgekrieges war Ostfriesland zurückgefallen an den Sohn von Kaiser Ludwig dem Bayern, Herzog Wilhelm von Bayern - Graf von Holland, den Bruder von Herzog Albrecht von Bayern. Ostfriesland stand somit unter holländischer Lehnherrschaft. Nachdem Herzog Wilhelm von Bayern in geistige Umnachtung gefallen war, führte sein Bruder Albrecht die Regierungsgeschäfte weiter.

Jedenfalls lag es aufgrund des Erlasses von Kaiser Friedrich Barbarossa sowohl im Interesse des Bischofs von Utrecht als auch im Interesse des Herzogs von Bayern, gut miteinander auszukommen, wenn jeder seine Rechte wahrnehmen wollte. Nützlich waren dabei allemal familiäre Bindungen. Und darin verstand sich der Herzog Albrecht von Bayern-Straubing meisterhaft!

Gegenwärtig aber kämpfte der Rotterdamer Bürgermeister Potter im Auftrage des Utrechter Bischofs Florenz von Wevelinghofen gegen die Groninger – natürlich wegen der steuerlichen Abgaben. Wenn Potter damit fertig sei, so lautete die Depesche aus dem Haag, dann wolle er gegen das holländische Harlingen ziehen. Mit Brief und Siegel erhielt Widzelt das gräfliche Begehren präsentiert, er möge dem Rotterdamer Bürger beistehen. Des Grafen Wunsch kam einem Edikt gleich. Da gab es für Widzelt keine Ausflüchte.

Schlimmer könne es kaum kommen, meinte Widzelt, hieß es doch, Potter sei ein brutaler Tyrann. Widzelt wusste nur zu gut, was das bedeutete. Er hatte in Italien Bernabo Visconti erlebt, der seine Macht mit Mord und Unterdrückung, Folter und Krieg ausweitete. Mailänder Basta-Politik nannte Ocko das mit einem Anflug von Spott.

Friesen lieben ihre Freiheit, sie kuschen nicht gern. Sie wollen frei sein. Seit fast vier Jahrhunderten rangen sie schon um ihre Freiheit. Es würde unweigerlich zu einem Zusammenstoß mit Folkmar Allena kommen, wenn Widzelt dem Tyrannen Potter Hilfe und Beistand leistete. Indes, es ging ja nicht gegen Groningen – noch nicht, sondern gegen das Land Harlingen. Der Herzog von Bayern war klug, er wusste um Widzelts Dilemma. Darum also nur das höfliche Gesuch, Potter gegen Harlingen beizustehen. Trotzdem musste Widzelt wohl oder übel dem Anliegen seines Lehnherrn entsprechen.

‚…Potter unterstützen‘ hatte Seine Gnaden gefordert. Was umfasste das alles? Foelke meinte, es reiche aus, Potter durchziehen zu lassen und seinen Heerscharen Unterkunft und Verpflegung zu geben.

„Schlimm genug, dass sie die Saat zertrampeln werden. Es ist schlecht, wenn wir unsere jungen Männer in den Krieg schicken und erschlagen lassen. Soll Potter sich doch seinen eignen Schädel einschlagen lassen."

Widzelt lachte sarkastisch: „Da würd' ich gern beispringen. Wenn das nur so einfach wäre, Foelkedis.“

Sie senkte den Blick und dachte: Oh, dieses Lachen! Wie ich es liebe, dieses herrliche Lachen! Hoffentlich erhält er es sich. Gern hätte sie ihn aus diesem Krieg herausgehalten. Gab es denn keine andere Möglichkeit? Keine Ausrede? Keine Notlüge?

„Ich weiß, du meinst, dass Potter den Nektar der Rache genießen will. Aber warum macht er das nicht allein? Er kann Rambodisna doch direkt angreifen. Geh, Widzelt, schlag ihm das vor!"

„Ja, das könnte ich, aber die Burg ist gut gesichert. Wenn Potter Pech hat, wird er gebührlich empfangen. Wir müssen Rambodisna in die Zange nehmen. Das schafft er nicht allein. Ich muss von Kimswerd dazustoßen...“

In dem Augenblick fiel Foelke Edo Wiemken ein, der immer noch im Groninger Kerker sein Leben fristete: „Ach, übrigens, hast du Folkmar Allena gefragt, ob er bei den Groningern ein Wort für Edo Wiemken einlegen wird?"

„Gefragt hab ich, aber er tut's nicht. Er ist froh, dass Edo im Verlies sitzt und so keinen Schaden anrichten kann. Die Groninger fordern 15.000 bayrische Goldgulden als Lösegeld, sonst lassen sie ihn da verrotten."

„So viel? Wie sollen die Rüstringer das je aufbringen?" Foelke wurde ganz bleich vor Schreck.

Widzelt musste lachen, als er das bemerkte: „Ja, das ist das Leben. - Am Hafen erzählt man, dass die dänische Königin Margarete Stockholm belagert. Herzog Albrecht von Mecklenburg schreibt jetzt erneut Kaperbriefe aus."

„Heiliger Georg! Wo leben wir denn? Kaperbriefe! Werden die Menschen denn nie klüger? Ja, wir gehen durch die Welt und meinen, wir hätten Kontrolle über unser Leben. – Haben wir aber nicht. - Sie werden eine giftige Brut heranzüchten", orakelte Foelke bitter. „Erst brechen sie einen großen Krieg vom Zaune und “gebären“ Freibeuter ohne Zahl. Wenn aber die Freibeuter an dieses Leben gewöhnt sind und "arbeitslos" werden, was dann? Man wird sie ächten. Niemand wird ihnen Brot und Arbeit geben. Also müssen sie weitermachen mit diesem Leben, denn von irgendwas müssen sie ja leben. Sollen sie als Bettler ihr Dasein fristen und vielleicht sogar verhungern oder an schrecklichen Krankheiten sterben?“

„Oder am Galgen. - Ach, Foelke, du bist zu gut für diese Welt. Mit allen Menschen hast du Mitleid, selbst mit dem Abschaum dieser Welt, stimmt’s?“

„Vielleicht hast du Recht, Widzelt. Mir tun diese armen Menschen leid. Dank werden sie nicht erhalten von jenen, die sie einst gerufen haben.“

„Vielleicht tröstet dich das: Kaplan Embeco hat neulich gesagt: ’Die Welt wäre längst untergegangen, wenn es mehr böse als gute Menschen geben würde.’ Meinst du das nicht auch? – Gleich wie. Was geht es uns die Schwarze Margarete von Stockholm an? Sie löst unser Problem mit Potter nicht.“

„Ja, Widzelt, das Schicksal lässt sich nicht aufhalten. Wir haben uns in den Dienst eines Fürsten gestellt, von dem wir Schutz erhofften. Nun ist diese Hoffnung gleichfalls mit Gefahr und Furcht verbunden. Das aber haben wir vorher gewusst, denn das beinhaltet quasi jeder Lehnvertrag, nicht wahr?“

„Richtig. Der Fürst, wie bedeutend Albrecht von Bayern auch sein mag, führt Fehde und Krieg gegen Harlingen. Er ließ verlauten, dass Rambodisna ein aufsässiger Untertan ist. Helfe ich Potter nicht, muss ich fürchten, dass der Herzog uns genauso einstuft und des Verrats bezichtigt und dann könnte er uns sogar das Lehen entziehen. – Und noch etwas: Wenn es das Schicksal will – könnten Potter oder der Harlinger Aybo Rambodisna mich, dich oder die Kinder wegschleppen und Lösegeld fordern. Dabei könnte nicht nur unser ganzes Vermögen draufgehen. Folglich droht uns von dorther Gefahr, von wo wir Schutz erhofften. Deswegen muss ich dem Potter helfen, sonst kann ich nicht einmal im Umkreis von zwei Joch ohne Waffen ausgehen. Kein Dorf könnte ich unbewaffnet besuchen, auf Jagd und Fischfang nur in Eisen gehen und du und die Kinder, ihr würdet ebenfalls ständig gefährdet sein."

Wenn auch widerwillig, so konnte Foelke ihm in diesem Punkt doch nur zustimmen: „Wahrlich, jeder Verbrecher könnte sich hier unbemerkt einschleichen...“

Als Ausweg versuchte Widzelt zuvörderst das Mittel, sich vom Kriegsdienst beim Grafen von Holland freizukaufen. Mit dem Schildgeld, welches er bezahlen wollte, hätten der Graf und Potter dann Söldner anwerben können. Es ergab sich aber, dass eine Summe gefordert wurde, die Widzelt durchaus nicht aufzubringen vermochte. Durch den Krieg mit Folkmar Allena gähnte in der Kriegskasse Leere und neue Steuern durfte er nicht erheben. Da erreichte Widzelt - wie gerufen - das Angebot des Grafen, ihm das eroberte Gebiet als Lehen zufallen zu lassen. - Ein gutes Geschäft! – Eilends schickte Widzelt Boten nach Donia, die tom Broek’sche Burg in Friesland, damit der dortige Vogt die Miliz aufbrächte für den Feldzug gegen Harlingen.

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