Читать книгу Jüdische Bibelauslegung - Hanna Liss - Страница 24

c. Die handschriftliche Überlieferungstradition

Оглавление

Was die handschriftliche Überlieferung und/oder die heutigen Druckausgaben angeht, ist die judaistische Mediävistik in einer weitaus weniger komfortablen Lage als ihre christliche Schwester, und dieser Befund hat sich in den letzten Jahren, in denen die Überlieferungen des Raschi im Verhältnis zu den literarischen Zeugnissen seiner Schüler mehr und mehr in den Blick rückten, noch verstärkt. Es zeigt sich nämlich, dass es „den“ Raschi-Kommentar oder gar einen Urtext davon nie gegeben hat, jedenfalls nicht vor seinem Eintritt in die typographische Welt (so zuletzt mit guten Gründen Petzold 2018).


|52|Abb. 5: München, Bayerische Staatsbibliothek, Cod. hebr. 5,1, fol. 84r.


|53|Abb. 6: Leipzig, Universitätsbibliothek, B. H. fol. 1, fol. 92v.

Die ältesten Raschi-ManuskripteBereits die handschriftlichen Textzeugen, die wir haben, stammen aus einer deutlich späteren Zeit und sind alles andere als einheitlich: Das älteste Manuskript München, BSB, Cod. hebr. 5 (reiner Kommentartext) wurde 1233 in Würzburg kopiert und stellt gleichzeitig das älteste datierte aschkenasische illuminierte Manuskript dar. Die zweite wichtige Raschi-Handschrift Leipzig, Universitätsbibliothek, B.H. fol. 1 stammt aus dem 13. Jahrhundert (undatiert) und enthält neben dem masoretischen Bibeltext (inklusive eklektisch annotierter masoretischer Glossen) den Targum* sowie einen dem Raschi zugeschriebenen Kommentar, der seinerseits eine Reihe Glossierungen von Raschis wichtigstem Schüler, Schema‘ja, sowie dem Schreiber, Makhir, enthält (dazu Grossman 1996, 187–193). Der dritte und für die Raschi-Forschung sehr wichtige Textzeuge Wien, ÖNB, Cod. hebr. 220 (Wien 23) ist ebenfalls undatiert (13./14. Jahrhundert), stammt aber aus einer deutlich späteren Zeit. Heute gelten neben den vollständigen Manuskripten auch die hebräischen und aramäischen Makulaturfragmente* als wichtige Quellen, wie sie vor allem in den Bibliotheken Deutschlands, Italiens und Frankreichs zu Tausenden gefunden werden (vgl. die derzeit im Aufbau befindliche Datenbank Books Within Books, online: goo.gl/mM3X7j; Zugriff 10/2019), denn diese fragmentarische Handschriftenüberlieferung geht teilweise schon bis ins 12. Jahrhundert zurück.

Moderne TextausgabenBis heute gibt es keine kritische Ausgabe der Kommentare Raschis, aber immerhin hat Abraham Berliner (1833–1915) für seine Ausgabe des Pentateuch-Kommentars ca. 100 Handschriften berücksichtigt. Ein Autograph* besitzen wir ohnehin nicht. Die |54|gedruckten Ausgaben sind für die wissenschaftliche Arbeit nur eingeschränkt zu verwenden: Neben den traditionellen jüdischen Bibelausgaben in den sog. Rabbiner-Bibeln (Miqra’ot Gedolot), die sehr fehlerhaft sind, arbeitet man heute entweder mit dem Tora-Kommentar Raschis nach der Ausgabe von Abraham Berliner (Berliner 1866; 2. Aufl. 1905) oder mit der Ausgabe Miqra’ot Gedolot Haketer (Men. Cohen 1992ff.; mittlerweile auch in elektronischer Form). Daneben gibt es auch weitere digitale Ausgaben, die aber auch allesamt keine kritischen Textausgaben darstellen (Alhatora; Sefaria). Unter den uns erhaltenen Raschi-Kommentaren sind die Abweichungen zum Teil so groß, dass die Zuschreibung an einen Autor mehr als fraglich ist. Hier müssen künftig und mehr als bisher die in der neuphilologischen und mittellateinischen Forschungslandschaft erbrachten Ergebnisse in die Untersuchung des hebräischen Materials einbezogen werden (zum Ganzen Liss 2011a, bes. 35–55).

Jüdische Bibelauslegung

Подняться наверх