Читать книгу Seine Frau - Hanne-Vibeke Holst - Страница 41

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Er ist draußen, ich weiß nicht wo. Hat das Auto auf den Einstellplatz gefahren und mir gesagt, dass er weg ist. Jetzt haben wir seit vier Stunden 2002, und bis jetzt kommt es mir wie ein Wunder vor, dass wir überhaupt so weit gekommen sind. Nachdem wir um Schamhaaresbreite einem Nachtbus auf der Øster Farimagsgade entgangen sind, wäre es auf der Dronning-Louises-Brücke beinahe schiefgegangen, wo es einen Zusammenstoß zwischen der Polizei und ein paar jungen Leuten gegeben hatte, die ein Auto in Brand gesteckt und mitten auf der Fahrbahn ein Feuer gemacht hatten. Man hat uns angehalten, doch als der Bedienstete ihn erkannte, hat er uns einfach mit allen guten Wünschen für das neue Jahr weitergewunken. So ist das mit ihm. Das Schicksal hält die Hand über ihn, ungeachtet dessen, wie sehr er es herausfordert. Ich sitze im Bademantel in der Küche, rauche und, na ja, stoße mit mir selbst an. Es ist ja kein anderer da, mit dem ich anstoßen kann. Janni hat mir per SMS einen Neujahrsgruß mit Smiley und vielen Küssen von den Kindern geschickt, und Ole-Stig hat gegen eins auf dem Handy angerufen und gefragt, ob wir es nett haben. Supernett, weißt du! Haha! Habe gelogen und gesagt, dass Gert tanzt und nicht ans Telefon kommen kann. Er selbst habe sich köstlich amüsiert, hat er lachend gemeint und gesagt, dass er Brötchen mitbringt. Er liebt Brötchen. Wir haben sie jeden Tag, seit er da ist. Er fährt in vier Tagen, wenn ich ihn nicht überreden kann zu bleiben. Bis dahin wird er es nicht schaffen, mir zu zeigen, wie man einen Computer bedient, das glaube ich jedenfalls. Er hat zu tun, muss seinen dänischen Kollegen beibringen, wie man einen Penis verlängert. Vielleicht könnte er ja mit dem seines Bruders anfangen, haha. Friede sei mit ihm, dem Schwulenarsch, er hat sein Päckchen zu tragen wie wir alle. Uns allen bleibt nichts anderes übrig, als uns selbst zu retten.

So ist das Leben, denke ich und öffne die Küchentür zu dem nebligen Nachthimmel. Eine verspätete Rakete schießt in die Luft, verschwindet in den Wolken, verpufft und wird zu nichts – wie ich. Zum Teufel mit den Neujahrsvorsätzen und den parfümierten Wünschen für die Zukunft. Was soll ich damit? Nächstes Silvester bin ich ohnehin nicht mehr da. Futsch, verschwunden, wie all die Jahre und die Raketen und alles. Ich brauche jemanden zum Reden. Wünschte, ich könnte jemanden anrufen. Irgendjemanden, der mich davon überzeugen kann, dass es sich lohnt weiterzumachen. Ich gehe zurück in die Küche, schließe die Gartentür. Sie klemmt und muss auf eine ganz besondere Weise angehoben werden, damit man sie schließen kann. Schlendere langsam zum Wandtelefon und drücke die Nummer, die ich mir unbewusst gemerkt habe. 70 20 12 01. Bereue es schon und will auflegen, als der Anrufbeantworter anspringt und mitteilt, dass die Telefonseelsorge von 16 bis 23 Uhr geöffnet hat. Für akute Fälle außerhalb der Öffnungszeiten wird auf die 112 verwiesen. Ich bin kein akuter Fall. Eher ein komischer, denke ich, und lege resigniert auf. Um meinen Mann suchen zu lassen, ist es noch zu früh. Obwohl er das Haus deprimiert verlassen hat. Er hätte uns beide umbringen können in dem Auto. Begegnen sich da unsere Seelen? Treffen sie sich heimlich in der gleichen Sehnsucht, dass alles zu Ende zu sein soll?

Seine Frau

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