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11.

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Dass ich Ossi bin, lehrte mich das Fernsehen.

Nachdem mein Körper mäßig funktionierte, aber kein Wort über meine Lippen kam, war für mich im weißen Zimmer ein Fernsehapparat organisiert worden, damit ich Anschluss an die Bilder- und Sprachwelt der Neuzeit fände.

Fritz erklärte mir bei einem Besuch, dass ich weder verkabelt noch mit Satellitenschüssel versehen sei, weshalb nur die terrestrischen Programme auf meinen Bildschirm gelangten. So hat er es fast wörtlich gesagt. Mein Kopf lernte die Wörter als Hülsen auswendig, während ich Tage brauchte, bis ich den Inhalt annähernd verstand. Fakt war, wie die Ossis sagen und ich tatsächlich erinnerte, dass ich fünf Programme empfangen konnte.

Erst ein paar Jahre nach meinem Gastspiel war für Pfaffenroda die zweite Runde der Renovierungen angesagt, bei der die sozialistischen Errungenschaften ausgemerzt wurden, von denen ich noch allerhand erleben durfte.

Anfangs war das bunte Flimmern auf dem Bildschirm unerträglich, und ich schaltete nach wenigen Augenblicken aus. Dann gewöhnte ich mich an die Werbung. Sie wird so oft wiederholt, dass ich sie als erstes verstand. Warum sie sich an die dümmste Seite im Menschen wendet, begreife ich bis heute nicht. Zunächst schloss ich direkt auf den Geisteszustand meiner Mitbürger. Das bedrückte mich, ehrlich gesagt.

Je mehr ich das Fernsehen studierte, umso klarer wurde mir, wie überflüssig es im Gegensatz zur ehemaligen Zeit geworden ist. In der DDR brauchte man das Westfernsehen, um den wirklichen Kapitalismus zu besichtigen. Man musste sich schließlich informieren. Leute wie Karin und Fritz taten das mutig und redeten darüber, während ich mich eher im Stillen darum kümmerte. Vorsichtshalber studierte ich Abend für Abend die Schlagzeilen in der "Aktuellen Kamera", um zu erfahren, wie der Sozialismus in seiner damaligen Gegenwart siegen würde. So konnte ich mitreden und brauchte keine Zeitung zu abonnieren, weil ich doch viel lieber Bücher las.

Bei den modernen Fernsehnachrichten sehe ich gern weg. Zu viel Wirklichkeit betrübt die Seele. Damit will ich nichts zu tun haben. Wäre ich bereit, mir Gedanken über den Zustand der Welt im Allgemeinen und der Bundesrepublik Deutschland nach der Vereinigung im Besonderen zu machen, trieben mich Kummer und Sorgen letztendlich in den Selbstmord. Soviel weiß ich!

Aber Ossis interessierten mich, seitdem ich begriffen hatte, dass es sie gibt. Ich fragte mich sowohl nach ihrer weiblichen Form als auch nach ihren hervorstechenden Eigenschaften. Es gibt freilich Momente im Leben einer Stummen, in denen sie nur unter Mühen eine Antwort finden kann. So schrieb ich auf einen Zettel:

Ossi??!!

Das war meine Vorbereitung auf Karins abendlichen Besuch. Wenn ich sie geistig beschäftigte, verringerte sich die Gefahr, dass sie wegen des Wochenendes auf mich einredete.

Sie versuchte es dennoch. Über Ossis sprach sie anscheinend nicht gern. Ihr Redefluss stockte, nachdem sie erklärt hatte, die weibliche Form gebe es nicht. Ich sah sie fragend an. Sie dachte nach: "Für Westler sind weibliche und männliche Ossis derselbe Schrott. Beide Sorten gehören gleichermaßen entsorgt. Abgewickelt nennen sie das. Allenfalls als Vorruheständler, Arbeitslose oder Sozialhilfeempfänger existieren Ossis. Ach, weißt du ..." fügte sie hinzu. Aber auf die Fortsetzung warte ich noch heute.

Kaum war Karin aus dem Zimmer geeilt, überraschte mich Fritz mit seinem Besuch. Wie die Male zuvor wurde es eine verlegene Angelegenheit. Eine Stumme und ein Schweigsamer haben sich nicht viel zu sagen! Für seine Verhältnisse wurde Fritz freilich beinahe gesprächig, um über meine Wortlosigkeit hinwegzukommen. Durch seinen schwarzen Bart brummte und stieß er einzelne Wörter, zwischen denen Pausen lagen, als sei mein Gehirn angegriffen und brauche Ewigkeiten zum Verstehen.

Sein großes Thema war die frühere Bundesbahn und jetzige Bahn-AG. Sie fuhr mindestens so unfähig und bürokratisch, wie er es in der Vormaligen von der Deutschen Reichsbahn beklagt hatte. War Letztere immer nur um Haaresbreite entsetzlichen Katastrophen entgangen, so raste die Bahn auch jetzt in den totalen Zusammenbruch. Fritz musste es wissen! Ich staunte und schwieg.

"Ja, Mädchen," erklärte er, „nie hätte ich gedacht, dass der Westen so unfähig ist. Hätte mir früher jemand gesagt, ich würde mich nach Honecker zurücksehnen, hätte ich ihm die Klapsmühle versprochen. Und nun? Das nennt sich Demokratie! Wenn du wüsstest! Aber werde erstmal gesund, Mädchen. Du besuchst uns doch?“

Fritz klang wie früher. Damals gefiel er mir. Jetzt saß der Mann im Krankenzimmer auf dem rötlichen sozialistisch-praktischen Polsterstuhl und lamentierte. Ich ahnte, welche Veränderungen ich im Koma verschlafen hatte.

Wie ein Engel auf Erden

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