Читать книгу Wie ein Engel auf Erden - Hannelore Kleinschmid - Страница 16
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Оглавление"Beeildich!" beeilte sich Karin zu sagen. "DiemachensichSorgeninPfaffi!"
Ich quälte mich in die Klamotten, die Treppe hinunter und in den Wagen meiner besten Freundin. So landete ich nach dem ersten Tag, an dem ich Ausgang gehabt hatte, wieder in der Rehabilitation. Ob ich mir einen zweiten Ausflug aus der beschützten Welt wünschen sollte, wusste ich nicht.
Erst nach heftigem Kopfnicken wurde ich Karin los. Ich versprach auf diese Art, falls ich wieder ausginge, zum Kaffeetrinken bei Ispens zu erscheinen.
Da ich mich weder in einer psychiatrischen Klinik und noch in einem Erziehungsheim befand, wurde mir der Ausgang am Sonntag nicht gestrichen. Ermahnungen, pünktlich zurückzukehren, nahm ich vom diensttuenden Personal ohne Wimpernzucken entgegen.
Ehe ich mich versah und viel überlegte, zog ich - schwarz von der Baskenmütze bis zu den Schuhen und trotz zeitweiligen Nieselregens durch dunkle Brillengläser getarnt - durch die Straßen. Meinen Gummiknien half ich mit dem Stock zu etwas mehr Standfestigkeit, während mein Gummikopf ziemlich schwer auf dem Hals lastete und zeitweise zu schwanken schien. Über meine Absichten und Gefühle war ich mir nicht im Klaren.
Vermeintlich planlos stakste ich die bekannten Wege entlang. Schließlich ertappte ich mich dabei, wie ich enttäuscht auf den leeren Platz des Bettlers stierte. Wo war er? Was war mit ihm geschehen? Warum saß er nicht hier? Weshalb wartete er nicht auf mich?
Mir wurde schwindlig, und ich lehnte mich an die Wand. "Ist Ihnen nicht gut?" fragte eine Frau im Vorübergehen. Ich schüttelte den Kopf. Die Frau blieb stehen. Sie hatte mein Kopfschütteln missverstanden. "Kann ich Ihnen helfen?" hakte sie nach. Nachdrücklich verneinte ich auf meine Art. Irritiert durch mein Schweigen sah sie mich genauer an. Ich bemerkte, wie sie ihre Augenbrauen hochzog. Sie sah mich an und platzte heraus: "Beate?" Und noch einmal: "Beate, bist du das?"
Ich wollte es nicht sein. Außerdem erkannte ich die Person nicht. Wut stieg in mir hoch, weil ich mich enttarnt fühlte. Heftig schüttelte ich den Kopf. Da das nicht zu helfen schien, sondern sie Beate mit Fragezeichen ein drittes Mal wiederholte, sah ich nur einen einzigen Ausweg. Ich hob den Stock ein Stück vom Boden und tippte mit dem Zeigefinger in bekannter Weise auf meine Stirn. Das reichte als Drohgebärde.
Wie gejagt ging die Frau mit schnellen Schritten weg. Sie nahm sich nicht einmal Zeit zum Umdrehen. Mir zitterten die Knie so heftig, dass ich die Wand entlang auf den Boden rutschte. Wie gestern saß ich auf dem Platz neben dem Bettler. Aber der war nicht da. Wo war er nur geblieben? Gleichgültig gegenüber der Welt blieb ich ein Weilchen sitzen.
Als ich den Blick hob, leuchtete mir ein, warum der Rotweintrinker nicht hier hockte. Noch hatte die Fußgängerzone zu wenig Anziehungskraft, um sonntägliche Spaziergänger herbeizulocken. Mit Einnahmen konnte ein Bettler bei so wenigen Passanten nicht rechnen. Also würde er nicht hier erscheinen. Diese Erkenntnis enttäuschte mich. Obschon nicht beladen, stand ich mühselig auf. Langsam trottete ich zu mir nach Hause. Am liebsten hätte ich mich auf die Stufen vor der Haustür gesetzt, um auszuruhen. Aber ich wusste, was sich gehört. Am Geländer zog ich mich nach oben in den ersten Stock, schloss die Tür auf und nahm eine Nase voll eigenartigen Duftes auf.
Was für ein kaputter Typ war ich doch! Würde es mir je gelingen, das Leben zu genießen? Ich ließ Stock, Jacke und Mütze einfach fallen und schleppte mich samt meiner Enttäuschung darüber, wie lebensuntüchtig ich war und sein würde, zum Bett. Ich erinnerte mich nicht daran, dass ich die Rollos heruntergezogen hatte. Aber das war unwichtig. Irgendwie war mir mein Möbellager auch im Dunkeln vertraut. Während ich mich aufs Bett plumpsen ließ, erkannte ich im schwachen Lichtschein von draußen, dass mein neuer Bekannter dort lag, wo ich zerknülltes Bettzeug vermutet hatte. Er brummelte im Halbschlaf und hüllte mich in seine Alkoholfahne ein.
Ich akzeptierte, was war, und fragte mich nicht, wie er in die Wohnung gekommen und ob er sauber genug war, sich an ihn zu kuscheln. Ich tat es einfach und konzentrierte mich auf meinen Körper und seine vielfältigen Gefühlsstimmen.