Читать книгу Wie ein Engel auf Erden - Hannelore Kleinschmid - Страница 18

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Dass ich das erleben durfte, dachte ich, als meine Lebensgeister langsam erwachten. Mehr davon verlangten Kopf und Körper. Meine Hand begann zu wandern. Ich schwöre, sie tat es unbewusst. Zielgerichtet schon, das gebe ich zu.

Der Mann, dessen Namen ich nicht wusste, war ausgeschlafener und nüchterner als beim ersten Mal. Es machte mich stolz, dass er mittat und ich schließlich - wie es sich gehört - unter ihm lag.

Zu meiner Enttäuschung folgte der zweiten Lust keine dritte und auch kein gemütlicher Nachmittag. Mein Besucher wurde immer unruhiger. Er zwängte sich - erst nackt, dann bekleidet - durch mein Möbellager. Trinkbaren "Stoff" suchte er. Aber dank seiner war meine Hausbar genauso leer, wie sich dank seiner keine müde Mark in meinem Besitz befand.

"Ich sehe mal, was ich machen kann." quetschte er hervor. "Später komme ich wieder."

Ich empfand das als Kompliment.

Mein Schlüsselbrett neben der Korridortür erklärte mir, wie der Mann in mein Bett gefunden hatte. Er hatte sich den Schlüssel angeeignet. Zum ersten Mal im Leben besaß ein Mann meinen Schlüssel. Dennoch dürfte es gescheit sein, nicht auf ihn zu warten.

Eine halbe Stunde verbrachte ich sinnend auf dem Bett. Aber Warten nannte ich das nicht, obwohl ich immer unruhiger wurde. Danach wanderte ich brav nach Pfaffenroda zurück. Dort waren sie mit mir zufrieden, was Karin nicht von sich sagen konnte. Wo ich gewesen sei, blaffte sie mich an. Ich zuckte die Achseln. Sie habe gewartet. Ich zeigte einen Ausdruck des Bedauerns.

"Das darfst du nicht wieder tun! Ich mache mir Sorgen!" fuhr sie vorwurfsvoll fort. Das ging mir zu weit. Unwillig kramte ich nach einem Zettel. Schnell gab sie mir einen Stift.

ICH BIN ERWACHSEN!!! schrieb ich.

BIN SPAZIERENGEGANGEN OHNE UHR!

Diese Notlüge schien mir erlaubt zu sein, um mein Gefühlsleben abzuschirmen. Was ich tat und fühlte, ging keinen etwas an. Davon war auch die beste Freundin ausgeschlossen. Karin zog die Stirn in Falten, als wisse sie nicht, ob sie mir glauben dürfe. Das war mir egal. So lächelte ich sie freundlich an.

"Weißt du, dass du richtig wohl aussiehst? Gesund, wie seit Jahren nicht mehr." sagte sie plötzlich.

Wenn du wüsstest - dachte ich - und meine Wundermedizin kenntest!

Auf einmal empfand ich so etwas wie Dankbarkeit. Richtig rührselig wurde ich. Meine beste Freundin hatte um mein Leben gerungen. Sie hatte mich halbtot gefunden und sofort das Nötige unternommen. Sie bestand darauf, meine Wohnung für die Rückkehr bereitzuhalten. Und sie war es auch, die mehrmals in der Woche zu mir kam, meine Hand hielt und liebevoll auf den scheintoten Haufen Elend einredete. Sie schien als einzige die Hoffnung nie aufzugeben.

Erst jetzt erkannte ich, was für ein Geschenk sie mir gemacht hatte. Ich erlebte, welche wunderbaren Gefühle das Leben zu bieten hat. Spontan zog ich Karin, die sich nach der Moralpredigt auf die Bettkante gesetzt hatte, zu mir heran und umarmte sie. Als sie sich aufrichtete, sah sie gerührt aus.

Nach einer Schweigeminute begann sie vom Geld zu reden und von meiner Zukunft. Geradezu liebevoll erklärte sie, dass ich mir keinerlei Sorgen zu machen brauche. Ihres Wissens würde ich eine Rente erhalten, die zusammen mit den diversen Versicherungen meines Vaters auch unter Westverhältnissen ausreichte. "Übrigens steht dein Trabbi noch in der Garage. Allerdings solltest du vielleicht ein paar Fahrstunden nehmen. Beatchen, du kannst dir ein schickes kleines Auto kaufen, wenn du willst. Soviel Geld ist da.“

Selig wie ein satter Säugling lächelte ich die Mütterliche an. Auf ein Zettelchen schrieb ich, so groß es ging: DANKE!!

Während ich Karin auch weiterhin eine interessierte Miene zeigte, ließ ich die Gedanken durch Traumwelten zu dem Mann mit meinem Schlüssel gleiten. Womöglich schlief er in meinem Bett, während ich allein im weißen Zimmer herumlag. Der Gedanke beunruhigte mich.

Wie ein Engel auf Erden

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