Читать книгу Wie ein Engel auf Erden - Hannelore Kleinschmid - Страница 17
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ОглавлениеWie lange ich still gelegen und dem Schnarchen gelauscht hatte, wusste ich nicht. Es ging mir gut. Nicht oft hatte ich in meinem früheren Dasein registrieren können, dass ich mich gut fühlte.
Dann begann ich mich langsam auszuziehen. Warum ich so behutsam vorging, hätte ich nicht erklären können. Doktor Blaugrüns Nie durchzuckte mich. Wahrscheinlich verunsicherte es mich, nackt zu sein. Nicht allein und schutzlos entblößt zu sein, war ich nicht gewöhnt. Männern gegenüber empfand ich große Scheu. Ein betrunkener Penner kam mir vermutlich gerade recht. Ihm hielt mein Selbstbewusstsein stand, da er noch kaputter war als ich.
Er lallte unverständlich, als ich ihn auszuziehen begann. Ohne auf seinen Protest zu achten, genoss ich, was ich tat. Meine Hände griffen auf seine warme Haut. Vor seinem Glied zuckten sie zurück. Wieder erfasste mich unerklärlich Unruhe. Da war etwas, das ich nicht erinnerte. Wie ein Filmschnitt schob sich das Bild des Hautarztes in meinen Kopf. Aus blasser Haut quälten sich Blutstropfen. Ich schüttelte mich. Das Bild verschwand.
Der Bettler knurrte schlaftrunken. Ich zitterte vor Begierde und streckte meine Hand aus. Aber etwas hemmte mich. Als ob ich eine Wand durchstieße, griff ich heftig nach dem Ding, das mich anwiderte und gleichzeitig faszinierte. Ich umfasste es. Rasend reagierte mein Körper. Mein Griff wurde zur Umklammerung. Ich spürte Widerstand.
"Wasmachstenda?“ protestierte der Mann. Als ich sein Ding erregt rieb, antwortete es unabhängig von seinem grummelnden Herrn. Auch ich reagierte auf mein Tun.
Wenn ich mich als alte Jungfer beschreibe, so hat das mehr mit meinem vergangenen Lebensstil als mit meiner Jungfernhaut zu tun. Defloriert worden bin ich dereinst. Es war der Nachbarssohn, und es geschah am helllichten Tag im dunklen Schuppen am hinteren Ende des verwilderten Gartens, in dem die Villa stand, deren erstes Stockwerk wir bewohnten. Er war mit seinen Pickeln und Sommersprossen eine Schönheit wie ich. Einig waren wir uns in dem Wunsche, ES endlich auch und wenigstens einmal im Leben zu tun. Ein paar Jährchen waren wir damals schon über das Alter hinausgewachsen, in dem wir verschwörerisch davon flüsterten, das GESCHENK machen zu wollen. ES blieb bei dem einen einzigen Mal. Soweit ich mich erinnere, tat das so weh, dass ich schrie. Pickelgesicht hielt mir den Mund zu. Beinahe wäre ich erstickt. Für mich schien ES meine klaustrophobischen Zustände auszulösen, die der Volksmund irrtümlicherweise als Platzangst bezeichnet.
„Tu das nie wieder! Tu das nie wieder!“
Warum fielen mir Blaugrüns Drohungen ein?
Hormone nahmen mir die Hemmungen. Noch heute staune ich, wie meine Hände, nachdem ich mich über den im Halbschlaf liegenden Mann gehockt hatte, das großgewordene warme Ding in mich hineinsteckten. Ich ritt. Vom Traben ging ich zu gefühlvollem Galopp über. Dabei schrie ich, und es war mir völlig egal, dass ich Töne hinausbrüllte. Wunderbar überkam es mich. Welch ein Glück - dachte ich -, dass ich überlebt habe!
Dann ließ ich mich neben den Mann auf die Matratze gleiten. Wohin es lief, welche Flecken es hinterließ, war mir gleichgültig.
Einige Stunden schliefen wir geräuschvoll Seite an Seite.