Читать книгу Maritime E-Bibliothek: Sammelband Abenteuer und Segeln - Arved Fuchs, Hannes Lindemann - Страница 110
Sturmfahrt zur Gewürzinsel
ОглавлениеVon der Chaguaramas Bay, dem amerikanischen Stützpunkt auf Trinidad, starteten Niña und ich unsere gemeinsame Fahrt durch die Kariben. Freunde hatten uns zum Abschied noch ein fertiges Essen an Bord gebracht, das wir auf der Ausfahrt durch die Boc a de Monas, das Affenmaul, verzehrten. Niña freute sich besonders auf diese Fahrt von Insel zu Insel; sie ahnte nicht, daß es auch in der Karibischen See mit Sturmesstärke blasen kann, sobald man aus dem Windschutz der Inseln herauskommt. Sie sollte es bald spüren.
Kaum hatten wir die Nase aus dem „Affenmaul“ herausgesteckt, da überfiel uns ein so wütender Nordostpassat, daß wir am liebsten gleich wieder umgekehrt wären. Als es dazu noch fürchterlich zu regnen begann, verzog sich Niña in die Kajüte und bereute das gute Essen, das sie soeben verzehrt hatte. Ausgerechnet hier mußte der Regen fallen, wo doch Port of Spain schon seit Monaten auf Wasser wartete und unter Buschbränden litt.
Die LIBERIA IV bolzte sich hart am Wind nach Norden vor. Wir hatten unseren Landfall auf Grenada für die erste Morgenstunde geplant, der steife Passat jedoch ließ uns unser Ziel noch in der Nacht erreichen. Nach 14 Stunden hatten wir rund 90 Seemeilen durcheilt.
Als wir am Morgen erwachten, schien schon die Sonne über die hohen Hänge auf die bunten, sauberen Häuschen von St. George auf Grenada, der „Gewürzinsel“. St. George’s Harbor ist einer der malerischsten Häfen in den an Schönheiten gewiß nicht armen Antillen; es gleicht mehr einer riesigen Theaterkulisse als einem arbeitsamen Hafen. Von den Gewürzen, Zimt, Muskatnuß, Ingwer und Nelken, vom Sapotebaum, aus dessen Milchsaft Kaugummi hergestellt wird, und von den Tonkabohnen konnten wir auch auf unserer Fahrt durch die Insel nichts sehen; wohl aber glaubte Nifia, die Gewürze da und dort zu riechen.
Auf den 60 Seemeilen zwischen Grenada und der nächsten, etwas größeren Insel, St. Vincent, liegen die Grenadinen, eine Gruppe von etwa hundert Inseln, Felsen und Felsenriffen. Da wir auf dieser Strecke heftigsten Gegenwind hatten, erholten wir uns in einer stillen unbewohnten Bucht der Union-Insel. Nach dem furchtbaren Gebolze gegen die anlaufenden Seen tat uns die Abgeschiedenheit und Ruhe dieser Bucht gut, die durch steile Felsenhänge von der bewohnten Ostseite der Insel abgetrennt und nicht leicht zugänglich ist. Wir hörten auf unserem Boot Rußseeschwalben rufen, hörten das Rauschen von aufgescheuchten Fischen, Echos von Vogel rufen, das Plätschern eines Gebirgsrinnsals – glaubten, auf einem See in den Bergen zu sein, nicht auf dem Meer.