Читать книгу Maritime E-Bibliothek: Sammelband Abenteuer und Segeln - Arved Fuchs, Hannes Lindemann - Страница 113
Ein weiblicher Robinson
ОглавлениеMiss Josset Legh, die einzige Dauerbewohnerin der Insel, hatte uns kommen sehen. Sie empfing uns in ihrer geräumigen, zum Meer hin geöffneten, afrikanischen Palaverhütte. Ehe wir das aufgebaute Fernrohr, mit dem sie ihre Gäste schon von weitem beobachtet, sowie die vielen Fischernetze, Kanonen, Korallen, vor allem aber ihre Bambusbar betrachten konnten, über der Fotografien von Yachten aus aller Welt hingen, hatte sie uns schon einen Drink serviert und prostete uns ein Willkommen zu.
Wir kamen schnell ins Gespräch. Niña wollte wissen, ob Josset sich so allein auf dieser Insel nicht fürchte, sich nicht einsam fühle?
Die alte Dame beugte sich über die Theke und flüsterte uns zu: „Wissen Sie, ich bin niemals allein hier. Mein Kind ist bei mir und leistet mir Gesellschaft. Obwohl es schon lange tot ist, haben wir stets Kontakt miteinander. Und dann höre ich immer Musik in der Luft; die Wellen des Kosmos tragen mir Melodien zu, Orchestermusik, wie sie kein Mensch besser empfangen kann.“
„Wie hat es Sie denn hierher verschlagen?“ erkundigten wir uns.
„Ich war früher Schauspielerin in London. Mein ganzes Leben lang habe ich von einer Tropeninsel geträumt und bin glücklich, daß mein Traum in Erfüllung gegangen ist. Diese Insel ist mein Werk, alle diese Hütten habe ich mit meinen eigenen Händen gebaut.“
Unwillkürlich schauten wir auf ihre kräftigen, muskulösen Hände. Mir schien sie überhaupt mehr einem englischen Richter mit weißer Perücke als einer Frau zu gleichen. Weiblich war jedoch ihr kurzes Strandkostüm, das an Nacken, Armen und Beinen ihre feste braun gegerbte Haut frei ließ. Immer noch sah man Josset an, daß sie vor 40 Jahren oder so eine blendende Schönheit gewesen sein muß.
Sie fuhr fort: „Früher half mir meine Mutter, vor kurzem aber fiel sie vom Dach, als sie es mit Zitronellagras ausbessern wollte. Sie brach sich ein Bein und starb.“
„Und wie alt war Ihre Mutter, als sie vom Dach fiel?“
„93 Jahre. Ich habe sie hier beerdigt.“