Читать книгу Maritime E-Bibliothek: Sammelband Abenteuer und Segeln - Arved Fuchs, Hannes Lindemann - Страница 128
ELFTES KAPITEL DER LAIE FRAGT
ОглавлениеAls wir schon eine Weile in Miami an der Pier lagen, fuhr eines Tages ein Ausflugsboot voller Touristen an uns vorbei. Der Reiseführer deutete auf die LIBERIA IV und sagte im Vortragston – als gehöre dieser Satz bereits zu seinem Repertoire: „And this is the boat that came all the way from Germany.“
Alle Köpfe drehten sich pflichtschuldigst nach rechts und wandten uns erstaunte Gesichter zu, und dann hörten wir die ungläubige Stimme einer Frau: „Dieses kleine Boot? Wie ist das möglich? Aha – sicher ist es von Insel zu Insel gesegelt!“
Der Reiseführer überlegte einen Augenblick: „Sicher“, meinte er dann beruhigt; im Boot erhob sich kein Widerspruch.
Ich war herzlich froh, daß ich die Dame nicht über die Inseln im Atlantik aufzuklären brauchte. Fragen dieser Art war ich allerdings gewöhnt; sie regneten nach jeder meiner drei Atlantiküberquerungen auf mich herab. Da fragte zum Beispiel jemand (und das war weitaus schlimmer), ob mich auf meinen Fahrten ein Schiff begleitet habe: zum Schutze gewissermaßen. Das klingt absurd, wird aber verständlicher, wenn man bedenkt, daß es viele Segler gibt, die unterwegs an Bord von Handelsschiffen gehen und „auftanken“ – Essen, Schlaf, Dieselöl – und sogar später noch mit höchsten seglerischen Auszeichnungen belohnt werden.
Ich selbst hätte es für unter meiner Würde gehalten, ein Schiff zu stoppen, um meine Position zu erfahren oder Verpflegung zu übernehmen. Wer sich aufs Meer begibt, soll sich so vorbereiten, daß ihm nach menschlichem Ermessen nichts passieren kann – oder aber er bleibt besser zu Hause und begnügt sich mit der Lektüre von Segelbüchern.
Kapitäne großer Schiffe, die von einer Yacht oder einem Kleinstboot um Hilfe gebeten werden, sollten deren Besatzungen wie Schiffbrüchige behandeln und an Bord nehmen, Hilfeleistungen anderer Art jedoch ablehnen. Wenn jemand in einem Segelboot über den Ozean schippert, ist er noch lange nicht berechtigt, einen Dampfer außer Kurs zu bringen, sobald er Appetit auf ein Glas Bier verspürt.
Auf meinen beiden ersten Fahrten haben mir zwei Frachter und eine Yacht ihre Hilfe angeboten – gegen meinen Willen und weil sie glaubten, sie könnten mir einen Gefallen damit tun; selbstverständlich lehnte ich diese gutgemeinten Angebote dankend ab.
Häufig bin ich von jungen Leuten gefragt worden: „Ich möchte ähnliche Fahrten wie Sie unternehmen – glauben Sie, daß ich es schaffe?“
Erkundige ich mich nach ihren bisherigen seglerischen Erfahrungen, zuckten sie die Achseln: sie hatten keine. Courage allein, so glaubten sie, genüge. Oder es geschah, daß Sonntagssegler selbstgefällig riefen: „Im Faltboot – verrückt! Ich würde das nie tun!“ – als sei ihnen der Erfolg gewiß, und sie blieben nur aus Vernunftsgründen an Land! Beide vergaßen – oder wußten nicht einmal –, daß die Vertrautheit mit Kleinstbooten zunächst einmal unbedingte Voraussetzung für ein solches Unternehmen ist. Ich bin schon seit frühester Jugend gesegelt und gepaddelt und habe Meeresfahrten unternommen, die andere nur in großen Yachten wagen. Meine Rekordfahrten in Einbaum und Faltboot sind kein Zufallsprodukt und kein Glückstreffer, sondern das Ergebnis vieler, zum Teil recht enttäuschend verlaufener Probefahrten.
Den vielen Landratten, die das Meer höchstens von der Landkarte her kennen und es dennoch mit Kanus, Schlauchbooten und Flößen befahren wollen, muß von allen Experimenten dringend abgeraten werden, oder aber angeraten, erst einmal einige längere Probefahrten zu unternehmen. Sie haben meist von Strömungen, vorherrschenden Windrichtungen und Gezeiten keine Ahnung; Seemannschaft und Navigation sind ihnen Fremdwörter. Sie starten in Cuxhaven und begraben ihre Hoffnungen und Träume bereits beim Anblick der mäßig bewegten See. Sitzt die Verzweiflung ihnen jedoch im Nacken, dann setzen sie alles auf eine Karte und fahren wider jegliche Vernunft, wider ihren Instinkt sogar, aufs Meer. Fast keiner von diesen Kandidaten erreichte sein Ziel; mancher wurde von einem mitleidigen Kapitän gerettet; die meisten jedoch kamen ums Leben.
Im Gegensatz zu Ozeanfahrten in Kleinstbooten sind überquerungen in Yachten, von denen jeder zweite Segler träumt, bei entsprechender Vorbereitung durchaus realisierbar. Wenn jemand mit einer Yacht über den Ozean segeln will, ist es ratsam, einem Segelclub beizutreten, damit er möglichst viele Tips von erfahrenen Seglern bekommen kann. Auch mir haben ältere Segler bereitwillig ihre Hilfe angeboten, als ich mir die LIBERIA IV bauen ließ. Denn genau wie Slocum oder Bardiaux kannte ich zwar das Meer, war aber damit noch lange kein erfahrener Yachtsegler.
Außer mir haben erst fünf deutsche Segler allein den Atlantik überquert: Kapitän Schlimbach, Kapitän Franz Romer, Paul Müller, Hein Garbers und Günter Plüschow. Romer segelte in einem speziell für diesen Zweck angefertigten Faltboot und ging nach seinem zweiten Landfall auf der amerikanischen Seite in einem Sturm unter. Müller lief nach seiner überquerung mit der Slup „Aga“ mehrere amerikanische Häfen an, erlitt aber in Höhe von Kap Hatteras vor der Küste von Nordkarolina Schiffbruch. Er konnte sich schwimmend an Land retten. Kapitän Schlimbach segelte 1937 in seiner „Störtebeker III“, einer Yawl, von Lissabon nach New York, und der Bootsbauer Hein Garbers fuhr ein Jahr später in einer Slup von Hamburg nach New York. Heute besitzt Garbers in Hamburg seine eigene Bootswerft.
Auch einige naturalisierte Amerikaner, die in Deutschland geboren wurden, haben Ozeane bezwungen, darunter die Kapitäne Eisenbraun und Voss.
Kaum einer, der mit einer Yacht den Ozean zu überqueren suchte, ist auf hoher See ertrunken, aber eine Unzahl hat in Küstennähe Schiffbruch erlitten und ist dabei ums Leben gekommen. Gründe dafür waren eine ungenügende Vorbereitung der Reise und Untauglichkeit der Boote. Die Faltbootfahrer sind außer mir sämtlichst untergegangen.
Doch weiter mit dem Fragenspiel. „Langweilen Sie sich nicht, wenn Sie so lange auf dem Meer allein sind?“ wollten besonders viele Frauen wissen. Die Antwort lautet „nein“. Wie sollte ich Langeweile empfinden, wenn ich alle meine Sinne nach außen konzentrieren mußte und es so viel zu beobachten gab: die Oberfläche des Meeres, die Vögel und die Wolken – ganz zu schweigen von dem Boot, das selbst in ruhigem Passat kontrolliert werden will.
„Hatten Sie denn gar keine Angst?“
Auch diese Frage konnte ich verneinen. Angst erwächst meist aus Unwissenheit und Unsicherheit, und ich kannte das Meer so gut und war so gut auf alle möglichen Zwischenfälle vorbereitet, daß mich dieser Gemütszustand im allgemeinen nicht befiel. Zudem hatte ich auf allen Fahrten die Strecke des geringsten Widerstandes gewählt, mit Orkanen brauchte ich also nicht zu rechnen. Natürlich gab es Situationen, in denen ich mich um mein Boot sorgte und auf meiner ersten Fahrt, der Einbaumfahrt, erlebte ich sogar Momente der Furchtsamkeit und Unsicherheit. So wagte ich damals nie, einen Hafen bei Nacht anzulaufen, obwohl das mit einem Einbaum viel leichter ist als mit einer Yacht. Aber mir fehlte die nötige Erfahrung im Anlaufen von Häfen. Die kam mit der LIBERIA IV, mit der ich kaum einen größeren westafrikanischen Hafen ausließ: jetzt besuchte ich sogar die Mehrzahl der Häfen nachts.
„Was machen Sie denn nachts? Ankern Sie?“ fragt mich in Gegenwart eines anderen Seglers ein New Yorker Tourist. Ehe ich antworten konnte, sagte der Segler mit todernster Miene:
„Ja, nachts nehmen wir auf dem Ozean alle Segel ein, werfen den Anker, löschen das Licht, sprechen unser Nachtgebet, ziehen die schneeweiße Bettdecke über den Kopf und schlafen solange, bis ein Dampfer uns die Morgenzeitung ins Cockpit wirft.“
Wieviel der Tourist, der sich das verwundert anhörte, davon geglaubt hat, war nicht festzustellen. Er verabschiedete sich ziemlich schnell.
Das Meer ist Tausende von Metern tief, wie soll man da ankern? Auf fast allen Booten wird nachts genauso wie am Tage gesegelt, auch die Einhandsegler machen dabei keine Ausnahme; eine Selbststeuerungsvorrichtung, die sie häufig an ihrem Boot anbringen, hilft ihnen zuweilen.
„Wie stand es denn mit dem Schlaf?“ fragte ein anderer.
Im Einbaum litt ich unter Schlafmangel, ich habe in einem der vorigen Kapitel bereits darüber berichtet; im Faltboot konnte ich mit Hilfe des Autogenen Trainings aus wenigen Minuten der Entspannung Kraft und Ruhe schöpfen.
Auf einer Yacht wie auf unserer LIBERIA IV hingegen war das Schlafproblem leicht zu lösen. Ich habe nie verstehen können, wie Yachten mit mehrköpfiger Besatzung über Schlafmangel klagen können, übermüdung und Erschöpfung. Was sollen da die Einhandsegler sagen? Auch Niña und ich haben häufig harte Tage gehabt, aber unsere Wachzeiten hielten wir dennoch ein.
Von 19.00 bis 24.00 Uhr saß Niña an der Pinne, bei gutem Wetter oft noch bis 01.00 oder 02.00 Uhr. Anschließend übernahm ich die Wache bis 8.00 Uhr, weckte meine Frau, die wieder bis mittags ins Cockpit stieg und mich dann zu den Mittagsbeobachtungen rief. Um ein Uhr hatte ich erneut Ruderwache, meine Frau bereitete indessen das Essen zu und löste mich zuweilen für kurze Zeit ab, wenn ich navigatorische Eintragungen machte.
Erst wenn ein Segler ausfällt und den andern „Überstunden“ machen läßt, gerät das Schlafsystem durcheinander – und damit meist auch das gute Einvernehmen an Bord.
Selbstverständlich schläft man auf hoher See nicht so gut wie im Hafen, im Sturm nicht so gut wie bei Flaute, aber deswegen ist noch lange nicht einzusehen, warum Sportsegler aus übermüdung ihre Wache nicht schieben können. Je unerfahrener die Besatzung, desto mehr Klagen über Schlafmangel und zu lange Wachen.
„ Was haben Sie getan, um Bewegung zu bekommen und um körperlich fit zu bleiben? Auf einem Boot hat man doch keinen Auslauf und muß dauernd im Cockpit hocken?“
Für Einbaum und Faltboot hatte diese Frage ihre Berechtigung. Der Mangel an Bewegung konnte natürlich durch gelegentliche Schwimmausflüge in die nähere Umgebung des Bootes nicht wettgemacht werden. Im Faltboot verstand ich es – nach vorhergehendem sechsmonatigem Training, das Blut in meine Füße zu dirigieren, die 72 Tage lang zumeist in der gleichen Stellung verharren mußten und dabei nicht absterben durften. Aber auf einer Yacht braucht man wirklich nicht über Bewegungsmangel zu klagen. Wie tanzt sie auf dem Meere herum, wie muß man sich gegen Wanten, Reling und Cockpitverkleidung stemmen, um im Gleichgewicht zu bleiben! Mit Füßen und Händen, mit Oberschenkeln und Schultern! Allein die unbewußten Reaktionen auf die Bewegung der Wellen, die unwillkürlichen Ausgleichsversuche des Körpers, ermüden mehr, als man ahnt.
Und was gibt es vor allem an Bord nicht alles zu tun! Nicht Gymnastik ist es, was da betrieben wird, sondern schwerste, manchmal sogar blutige Knochenarbeit! Haben Sie schon mal bei Windstärke sieben den Klüver weggenommen? Man kann dabei bis zu den Hüften ins Wasser tauchen, und es hagelt blaue Flecken und Hautabschürfungen! Oder bei Windstärke neun das Großsegel geborgen? Wenn einem das dicke Segeltuch um die Ohren knallt und die Fingernägel brennen, als werde man einer mittelalterlichen Folterkur unterworfen?
Da ich keine taugliche Ankerwinsch an Bord hatte, war auch das Ankerlichten jedesmal harte körperliche Arbeit. Hatte ich bei mäßig bewegter See den Anker eingehievt und die Segel gesetzt, mußte ich mich im Cockpit schweißgebadet von dieser Prozedur erholen.
„Was geschieht, wenn Sie krank werden?“ wurde ich häufig gefragt.
Ich habe schon erwähnt, daß man in einem Segelboot sehr selten eine Krankheit bekommt. Die Meeresluft ist so keimarm wie die Luft in einem Waldkurort, außerdem sind die Besatzungen von Yachten meist jung, gesund, voller Elan und von vornherein keine Typen, die leicht krank werden. Dagegen kommt es häufiger einmal zu Unfällen – von Verstauchungen der großen Zehe bis zu Gehirnerschütterungen durch einen Schlag mit dem Großbaum.
Auf Ozeandampfern sieht die Sache ganz anders aus. Aber schließlich ist solch ein Luxusdampfer ja nichts anderes als ein schwimmendes Hotel, das von einer Großstadt in die andere fährt und von dem man auch auf das Meer schauen kann. Infektionsquellen sind also mehr als genug vorhanden.
„Haben Sie überhaupt gekocht?“ Und: „Wovon lebten sie all die Tage auf dem Meer?“
Kalte Konserven und rohe Fische, die ich angelte, mit Dreizack und Harpune speerte, mit dem Unterwassergewehr schoß oder mit der Hand fing, waren auf den beiden ersten Fahrten meine Hauptnahrung. Wie mein Speisezettel auf der LIBERIA IV aussah, habe ich teilweise schon erzählt. Allzu großen Wert auf warme Mahlzeiten legten weder Niña noch ich, manchmal öffneten wir schnell eine Konservendose und aßen den Inhalt kalt. Die Auswahl an Konserven ist heute so ungeheuer groß, daß selbst auf Langfahrten der Speisezettel an Bord durchaus nicht unter einem Mangel an Abwechslung zu leiden braucht.
Da eine Yacht selten länger als zwei Wochen ununterbrochen auf dem Meer segelt, kann sie sich außerdem an Land stets mit frischen Lebensmitteln versorgen. Es gibt natürlich Tage, die ausschließlich im Zeichen eines einzigen Nahrungsmittels stehen: zum Beispiel einer Bananenstaude, die man im Hafen gekauft hat und deren Früchte unglücklicherweise alle auf einmal reifen. Da bleibt einem nichts anderes übrig, als gekochte, gebratene, rohe und zu Muß verarbeitete Bananen zu essen, bis der Segen ein Ende hat. Wie mit den Bananen, ist es uns auch schon mit Ananas, tropischen Apfelsinen und mit einer Ladung Sardinen ergangen, die uns portugiesische Fischer aufs Deck schütteten. Fehlt Frischobst, wie es auf Ozeanüberquerungen oft der Fall ist, so sind Trockenobst, Trockengemüse und Nußkerne willkommene und gesunde Lückenbüßer.
Nuß- und Sonnenblumenkerne helfen auch lange Nachtwachen verkürzen. Sitzt man vier Stunden und mehr an der Pinne, empfindet man es als eine Wohltat, wenn man etwas zu knabbern hat. Gleich gute Dienste leisten Schoka-kola oder Dextroenergen und ein Schluck gesüßter Tee. Auf der LIBERIA bekam der Rudergänger jeden Abend eine Thermosflasche voll heißen Tee mit, wenn er auf Wache ging.
Einen Eisschrank, wie ihn so viele Amerikaner in ihren Yachten installieren, hatten wir nicht an Bord. Er ist selbst in den Tropen nicht unbedingt nötig so sehr ein kühler Trunk hin und wieder erfrischt. Auf einige Grad tiefer als die umgebende Temperatur kann man ein Getränk immer bringen, wenn man, wie ich es auf dem Einbaum tat, nach altem Rezept eine Feldflasche ins Wasser steckt und sie danach mit dem nassen Futter dem Wind aussetzt. Durch die entstehende Verdunstungs kälte wird die Flüssigkeit in der Flasche unterkühlt. Ähnlich arbeitet eine spanische Botija, ein Tonkrug, den wir seit Las Palmas mit uns führten.
„Haben Sie sich richtig waschen können?“ Auch diese Frage wurde meist von Frauen gestellt.
Wir hatten reichlich Süßwasser an Bord der LIBERIA IV, .aber als vorsichtiger Hausvater mußte ich natürlich mit unvorhergesehenen Zwischenfällen rechnen und zur Sparsamkeit anhalten. So klagte Niña mehr als einmal, sie müßte sich in „einer Tasse Wasser“ baden. Das stimmte nicht ganz: eine Waschschüssel voll Wasser stand ihr immer zur Verfügung – aber ich gebe zu, daß selbst das in den Tropen für eine Frau nicht hin und nicht her reicht.
Männer haben es einfacher: ein Eimer Salzwasser leistet ihnen genau die gleichen Dienste. Bei ruhigem Wetter sprang ich regelmäßig über Bord und gönnte mir ein ausgiebiges Bad. Allerdings nie ohne Unterwasserbrille und Flossen. Diese Ausrüstung war ein kleines Zugeständnis an allzu neugierige Haie, die ich auf die Weise unter Wasser leichter sehen und denen ich gegebenenfalls schneller entfliehen konnte.
„Was für sanitäre Anlagen hatten Sie an Bord Ihrer Yacht?“
Die LIBERIA IV besaß ein ganz einfaches – Verzeihung – Eimer-Klosett, das meiner Frau zwar ausgesprochen unsympathisch war, das ich jedoch trotzdem wieder in ein Boot einbauen würde. Wie gut ich daran getan hatte, einen schlichten Eimer statt eines modernen Wc’s zu wählen, stellten wir in St. Thomas fest, als wir eine Yacht trafen, die eines Nachts beinahe untergegangen war, weil ein Besucher vergessen hatte, die Sperre des Beckens zum Meerwasser zu betätigen. Glücklicherweise mußte der Eigner den verschwiegenen Ort in der gleichen Nacht ebenfalls aufsuchen; als er aus der Koje sprang, landete er in knietiefem Wasser und entdeckte auf diese wenig angenehme Weise die Bescherung. Mit vereinten Kräften öste die Besatzung das Wasser wieder aus, doch eine überholung des Motors blieb ihr nicht erspart. Dabei hatte sie noch Glück im Unglück: es hätte weitaus schlimmer kommen können.
„ Was kostet Sie die Fahrt?“ bin ich auf meiner Reise mit der LIBERIA IV immer wieder gefragt worden.
Auf den ersten Blick könnte man glauben, das Leben an Bord sei sehr billig. Aber dieser Eindruck täuscht. Es gibt unzählige Ausgaben, an die der Laie nicht denkt: hohe Unterhaltungskosten für Segel, Boot und Motor, Liegegeld im Hafen, Fahrgeld, um zum Boot zu gelangen etc. Selbst wenn man für Essen und Wäsche wenig ausgibt und alle Arbeiten an Bord selbst verrichtet, kommt das Leben auf See nicht billiger als an Land. Man müßte schon sich selbst und sein Boot sehr vernachlässigen, wollte man die notwendigen Ausgaben einschränken.
Meine Frau und ich haben auf unserer Fahrt gegen Schimmel auf Schuhen und Kleidern kämpfen müssen, gegen Rost, der unsere Kleidung befleckte, gegen den muffigen Geruch, der unsere gesamten Sachen durchdrang, gegen die fliegenden Kakerlaken. Diesen Biestern entgeht in den Tropen kein Boot, man räuchert sie aus, und in der nächsten Nacht kommen sie wieder vom Hafengelände her angeflogen, spätestens bei der nächsten Verpflegungsübernahme sind sie an Bord.
Alle diese und unzählige andere Offensiv- und Defensiv-Maßnahmen kosten Geld.
Die Baukosten für ein kleines Boot von acht bis zehn Meter Länge entsprechen denen eines kleinen Einfamilienhauses, selbst die Unterhaltungskosten sind ungefähr die gleichen.
Soviel über Geld.