Читать книгу Maritime E-Bibliothek: Sammelband Abenteuer und Segeln - Arved Fuchs, Hannes Lindemann - Страница 123
Von Flaschen und Flaschenpost
ОглавлениеIn der schwach bewegten See entdeckten wir eine Flasche, die wir nach kurzem Manövrieren hoffnungsvoll an Bord holten. Aber es war eine „blinde“ Flasche, es steckte keine Nachricht darin. Auf meiner Faltbootfahrt über den Ozean habe ich vier Flaschen gefunden – in keiner war irgendeine Nachricht verborgen.
Das französische Forschungsinstitut für Seefahrt und Meereskunde besitzt ein eigenes Flaschenpost-Museum. Einzigartige Schicksale verzeichnen diese Zettel. Die Papierfetzen, Leder- und Holzstücke, die dort zur Schau gestellt sind, geben meist tragische Nachricht vom Kampf und von den Hoffnungen verunglückter Seeleute.
Ausgerechnet aus dem Magen eines vor den Azoren gefangenen Hais holte man die letzte Nachricht der bei den französischen Flieger Coli und Nungesser, die auf ihrem Ost-West-Flug über den Atlantik verunglückten und ihr letztes Lebenszeichen einer Flasche anvertrauten.
Von den seltsamen Wegen der Flaschenpost berichtet auch ein Vorfall aus Japan: 1784 fuhr ein japanisches Schiff auf Schatz- und Perlensuche in den Pazifik. Bevor es sein Ziel, eine kleine Insel, erreichen konnte, geriet es in einen Taifun, der es leck schlug. Die 45 Mann der Besatzung retteten sich auf ein ödes und kahles Koralleneiland, doch einer nach dem anderen starb den Dursttod. Ehe das Schicksal aber nach Matsuyama aus Honshui griff, hatte er das tragische Los seines Bootes auf ein Stück Holz geritzt, das er in eine Flasche steckte, sie wasserdicht verschloß und unter Aufbietung seiner letzten Kraft ins Meer beförderte. 150 Jahre später wurde eine verschlossene Flasche am Strande von Honshui aufgelesen und geöffnet; sie enthielt die unversehrt gebliebene Nachricht Matsuyamas …
Nicht immer haben Flaschenpostschicksale ein schlimmes Ende. 1950 fand ein russischer Fischer in der Arktis eine Flaschenpost, deren Botschaft in Murmansk entziffert wurde: „Fünf Ponys und 150 Hunde leben noch. Erbitte Heu, Fische und 30 Schlitten. Muß frühzeitig im August Heimweg antreten. Baldwin.“
Der Polarforscher Evelyn Baldwin hatte 1902 für verschollen gegolten, er konnte sich jedoch mit seinen Männern durchschlagen. Als der Fischer 48 Jahre später seinen Hilferuf fand, war Baldwin längst gestorben – im Bett.
Noch heute werden Flaschenpostnachrichten dem Meer übergeben, und zwar systematisch vom Hydrographischen Institut in Washington. Obschon man modernere Meßmethoden für Strömungen kennt, will man auf die Flaschenpost nicht ganz verzichten. Die Flaschen werden an bestimmten Stellen ins Meer geworfen; sie enthalten in mehreren Sprachen die Bitte, der Finder möge den in ihnen steckenden Zettel mit genauer Angabe des Fundortes und Datums an eine angegebene Adresse zurücksenden.
Flaschenpostbriefe haben riesige Strecken zurückgelegt, nicht selten von einem Kontinent zum andern. Eine Flaschenpost hat sogar in südlichen Breiten die Welt umsegelt, in knapp sieben Jahren. Doch immer seltener werden Segler, Fischer und Strandbummler eine Flaschenpost finden, denn im Zeitalter der Technik verläßt man sich mehr auf Funk, Radio und Radar als auf eine Flasche, die vielleicht einmal von den Enkelkindern des Absenders gefunden wird.