Читать книгу Tatort Hunsrück, Sammelband 2 - Hannes Wildecker - Страница 12
8. Kapitel
ОглавлениеLeni und ich fuhren noch einmal nach Hermeskeil. Dort machten wir einige ansehnliche Fotoaufnahmen des letzten Opfers, denn, wenn wir über dessen Person nichts erfahren sollten, müssten wir die Presse einschalten und das Foto veröffentlichen lassen.
Mein Handy vibrierte in meiner Hosentasche.
„Hallo Herr Spürmann, Steiner hier, ich würde mich gerne mit Ihnen unterhalten.“
„Was ist los, Steiner? Ich habe Ihnen doch gesagt, dass ich im Moment nicht mehr für Sie tun kann. Ich werde in den nächsten Tagen auf Sie zukommen. Wenn wir die Person des zweiten Toten nicht ermitteln können, müsste sein Foto im Trierer Merkur veröffentlicht werden.“
„Vielleicht ist das nach unserer Unterhaltung ja nicht mehr notwendig. Ich an Ihrer Stelle würde die Einladung nicht ausschlagen!“
Eine Viertelstunde später saßen wir Steiner in seinem Büro gegenüber.
„Ich hoffe, dass Sie uns nicht ohne Grund von unserer Arbeit abhalten“, sagte ich ungeduldig und erst jetzt fiel mir das freudig erregte Mienenspiel im Gesicht von Steiner auf. „Also, wir hören!“
„Ich hatte heute Morgen einen Telefonanruf“!
„Ach was?“
„Ja, es war eine Person, ich würde schätzen, ein Mann, die mir mit verstellter oder besser gesagt, mit verzerrter oder verfremdeter Stimme Informationen über diese entsetzlichen Morde geben wollte.“
„Was heißt das, Steiner? Wollte oder hat?“ Wer war die Person? Was sagte sie?“
Wollte uns Steiner auf den Arm nehmen? Ich hatte fast den Eindruck.
„Der Anrufer schien über jede Einzelheit informiert. Ich habe mir ein paar Notizen gemacht.“ Steiner sah auf ein Blatt Papier vor sich auf seinem Schreibtisch.
„Nun reden Sie schon, Steiner!“, wurde nun auch Leni ungeduldig. „Unsere Ermittlungen warten da draußen. Für uns zählt jede Sekunde. Vielleicht liegt schon morgen der nächste Tote verstümmelt an irgendeinem Wegekreuz.“
„Matthias Meyerfeld!“ Steiner sprach diesen Namen aus und schien sich innerlich wie ein Kind zu freuen.
„Wer ist Matthias Meyerfeld?“, fragten Leni und ich wie aus einem Munde.
„So heißt der zweite Tote!“ Steiner lächelte.
Ich stand langsam auf.
„Steiner, wenn Sie jetzt nicht reden…!“
„Setzen Sie sich, Spürmann. Sie werden alles erfahren. Aber Sie müssen doch zugeben, dass es auch manchmal nicht ohne meine Hilfe geht? Also noch mal: Auf gute Zusammenarbeit!“
„Steiner!“
„Meyerfeld ist ein Trierer, war ein Trierer. Ein Gastwirt.“
„Das hat Ihnen der unbekannte Anrufer erzählt?“
„Das und noch mehr. Also, passen Sie auf! Ich werde Ihnen das ganze Gespräch wiedergeben. Der Anrufer fragte, warum so wenig über den Fall berichtet würde und meinte, er müsse mir einige Fakten liefern. Sinngemäß meinte er, da gäbe es Leute, die hätten sich ihr Todesurteil selbst zuzuschreiben. Er faselte etwas von ‚Gleiches mit Gleichem vergelten’ und ‚Die Rache ist mein, spricht der Herr’ und so ein religiöses Zeug.“
„Und weiter?!“
„Ich habe ihn gefragt, ob er der Täter sei. Da hat er nur gelacht. Und sagte wörtlich: ‚Das Wer und das Warum werdet Ihr nie erfahren’. Ich habe ihn weiter gefragt, ob es ein weiteres Opfer geben würde. Da hat der Mann nur gelacht und hat aufgelegt. Glauben Sie mir, das war ein gespenstiger Anruf. Mich schaudert, wenn ich daran zurückdenke.“
Steiners Überheblichkeit war mit einem Male verflogen. „Was werden Sie tun?“
„Danke, Steiner, für die Information. Glauben Sie, dass der Anrufer sich wieder bei Ihnen meldet?“
Steiner zuckte die Achseln.
„Können Sie Gespräche mitschneiden?“
Steiner schüttelte den Kopf.
„Ich werde Ihnen jemanden von der Kriminaltechnik vorbeischicken. Sie werden in Zukunft verdächtige Anrufe mitschneiden. Und Sie werden mit niemandem darüber reden, haben Sie verstanden? Auch nicht mit Ihrer Dienststelle. Kann ich mich darauf verlassen?“
Steiner nickte. „Das können Sie. Diesem Kerl muss das Handwerk gelegt werden!“
Plötzlich schien er sich an irgendetwas zu erinnern.
„Hätte ich fast vergessen.“ Steiner legte mehrere Fotos vor uns auf den Schreibtisch.
„Fällt Ihnen etwas auf?“
„Ja, mir fällt auf, dass Ihnen diese Fotos nicht viel bringen werden. Da hatten Sie am Tatort wohl mehr erwartet?“
„Wenn ich ehrlich sein soll: Ja, da haben Sie Recht. Aber wie das so ist im Leben. Auch mit diesen Fotos bin ich sehr zufrieden. Sehen Sie doch einmal genau hin!“ Steiner nahm alle Fotos bis auf eines vom Tisch und legte sie in einen Umschlag.
Wir beugten uns vor und betrachteten das Foto, auf den ersten Blick ein nichtssagendes Bild. Der Rücken von Peters, dem Kriminaltechniker, der obere Teil des ‚Lindenstein’ und der angrenzende Wald waren zu erkennen. Obwohl Steiner hier mit einem Teleobjektiv gearbeitet und den Bereich um Steiner gestochen scharf hingekommen hatte, sagte mir das Foto nichts. „Gerade gut für den Müll“, dachte ich insgeheim.
„Da ist was!“
Leni zeigte mit dem Finger auf den Hintergrund im Bild, den Waldbestand.
„Ist das dort eine Person?“
Ich nahm Leni das Foto aus der Hand und sah zu Steiner, der wieder sein berüchtigtes Grinsen im Gesicht hatte. Dann wandte ich mich wieder dem Foto zu und tatsächlich. Inmitten der Bäume war schemenhaft eine Person zu erkennen, die dem Fotografen den Rücken zudrehte und offensichtlich im Begriff war, den Tatortbereich zu verlassen. Doch dadurch, dass Steiner sein Teleobjektiv auf den „Lindenstein“ ausgerichtet hatte und sich die Schärfe dorthin konzentrierte, lag die ohnehin nur vage zu erkennende Person voll im Unschärfebereich.
„Wenn man genau hinsieht, kann man eine Kopfbedeckung erkennen, eine Kapuze oder so was“, meinte Steiner und reichte mir eine Lupe. Aber auch mit diesem Hilfsmittel konnte ich nicht mehr erkennen. Im Gegenteil, die Unschärfe wurde nur großflächiger und grobkörniger.
„Kann ich das Foto haben?“
„Sie können es behalten. Ich gehe davon aus, Sie würden es sonst sicherstellen.“
„Wie wird Ihr Artikel morgen aussehen?“
„Lassen Sie sich überraschen! Ich denke, die Zeit der Vertuschung ist vorbei. Jetzt wird mit offenen Karten gespielt.“
„Ich glaube, Sie haben Recht. Die Auseinandersetzungen mit der Öffentlichkeit ist nicht mehr zu vermeiden. Fragen Sie die Bevölkerung in Ihrer Zeitung, ob in den letzten Tagen verdächtige Personen in Tatortnähe aufgefallen seien. Oder ob jemand einen Hinweis zur Sache geben kann.“
Ich sah Leni an. „Wir beide werden uns sofort um die Identifizierung des Toten kümmern. Matthias Meyerfeld, ein Gastwirt! Ich weiß auch schon, wo wir ansetzen werden.“
Mit einem retuschierten Foto des Toten fuhren wir zur Gaststätte von Kalle. Für einen Sonntagnachmittag war das Lokal überdurchschnittlich besetzt, woran der plötzliche und mysteriöse Todesfall nicht unschuldig war. Horst Stenzel, die rechte Hand des ehemaligen Wirtes, stand hinter der Theke und hatte alle Hände voll zu tun.
Als er uns bemerkte, sah er kurz auf und sein fragender Gesichtsausdruck signalisierte Bereitschaft zum Gespräch. Stenzel wischte seine Hände in einem Handtuch ab und kam zu uns herüber.
„Haben Sie den Täter?“
Ohne zu antworten, schob ich ihm das Foto von Meyerfeld zu und wartete seine Reaktion ab.
„Das…das ist ja Maathes!“
„Wer ist Maathes?“
„Matthias Meyerfeld. Ein Gastwirt hier aus Trier. Hat seine Kneipe im Südteil der Stadt. ‚Fischers Maathes’ heißt sie bezeichnenderweise. Sagen Sie … es sieht aus, als ob … er ist tot, nicht wahr?“
„Ja, er ist tot. Kannten Sie ihn näher?“
„Nun ja, ich persönlich kannte ihn weniger. Aber Kalle, mein Chef, war mit ihm befreundet. Haben des Öfteren gemeinsame Touren unternommen oder auch hier bei uns in der Kneipe getagt. Meist waren auch die anderen dabei.“
„Die anderen?“
„Ja, das war so ein Freundeskreis, eine Clique. Gastwirte unter sich. Haben sich alle immer gut verstanden. Einer hat dem anderen geholfen, wenn es mal Probleme gab. Aber dass Maathes jetzt tot ist. Schrecklich!“
„Und Kalle!“
„Und Kalle.“ Stenzel schien nachzudenken.
„Glauben Sie, dass es da Verbindungen gibt? Ich meine, dass beide innerhalb von zwei Tagen dran glauben mussten.“
„Sie wissen, was genau passiert ist?“, hörte ich Leni fragen.
„Das spricht sich rum. Seit heute weiß ich es.“
„Und? Haben Sie eine Erklärung, eine Vermutung?“
„Nein!“ Stenzel wandte sich wieder seinen Gläsern zu und schien in Gedanken versunken.
„Was bereitet Ihnen Kummer?“ Ich beugte mich zu Stenzel vor.
„Ich weiß nicht. Ich frage mich nur, warum gerade die beiden? Warum innerhalb dieser kurzen Zeit?“
„Hatten die beiden Feinde? Hatten sie in letzterer Zeit größere Probleme? Ich meine, mit Kunden oder anderen Geschäftsleuten?“
„Nicht, dass ich wüsste. Ich muss jetzt aber weiterarbeiten, das sehen Sie doch ein!“
Wir überließen Stenzel seinen Arbeitsplatz und fuhren nach Trier-Süd zur Gaststätte „Fischers Maathes“.
Die Gaststätte hatte geschlossen. Ob erst seit heute oder schon länger, das musste sich herausstellen. Ich klingelte an der Haustür des Nachbarhauses und eine Frau im gesetzten Alter lehnte sich im Obergeschoss aus dem Fenster. Ihre graumelierten Haare waren dicht bei dicht von Lockenwicklern umgeben und ihr Gesicht machte irgendwie einen verkniffenen Eindruck. Ihren überdimensionalen Busen hatte sie auf dem unteren Fensterrahmen abgelegt.
„Wir sind von der Kripo“, rief ich der Frau zu. „Wie lange ist die Gaststätte schon geschlossen?“
„Kann ich Ihnen nicht genau sagen, ich glaube sie war heute und gestern nicht geöffnet.“
„Hat Meyerfeld die Kneipe alleine geführt?“
„In den meisten Fällen, ja. Ab und zu hat er mal eine Bedienung eingestellt. Die haben aber immer gewechselt.“
„Kennen Sie eine dieser Bedienungen?“
„Nein, ich habe auch nicht das Bedürfnis, eine kennen zu lernen.“
Das Schlagen des Fensterflügels teilte uns unmissverständlich mit, dass das Gespräch beendet war.
„Komm, Leni, auf zur Dienststelle!“ Für heute hatte ich die Nase voll. Wittenstein hatte ja für enorme Verstärkung gesorgt. Es war an der Zeit, dass die Kollegen sich nun der Kleinarbeit annahmen.