Читать книгу Tatort Hunsrück, Sammelband 2 - Hannes Wildecker - Страница 13
9. Kapitel
Оглавление„Du kannst stolz auf deinen Sohn sein!“ Der junge Mann kniet vor dem Rollstuhl in dem kalten, halbdunklen Krankenzimmer und hält beide Hände der Frau, die er seine Mutter nennt. „Ich habe den nächsten Schritt getan, für dich, das weißt du doch. Und du wirst sehen, ich werde mein Versprechen bis zum Ende halten. Niemand wird entkommen. Alle werden für ihre Frevel büßen. Sie werden alle ihre gerechte Strafe finden, hier auf Erden, und auch später vor Gott. Hier auf Erden werde ich ihr Richter sein!“
Die Frau, die der junge Mann seine Mutter nennt, lächelt. Der Raum liegt auch an diesem Tag, so kurz vor Sonnenuntergang in einem deprimierend fahlen, ja der Situation entsprechend geheimnisvollem Licht. Die Frau lächelt in sich hinein, doch es sind nicht die Worte des jungen Mannes, ihres Sohnes, die ihr zu Herzen gehen, denn diese Worte hört sie nicht, nimmt sie nicht wahr.
In ihrer eigenen Welt, da hat sie sich ihr Leben eingerichtet, fern voll den irdischen Sorgen, Qualen und traurigen Erinnerungen. Sie ist weit davon entfernt, Gefühle wie Wut, Freude oder Rache zu empfinden. Was der junge Mann ihr mitzuteilen versucht, hätte sie vor einiger Zeit noch mit Tränen in den Augen dankbar bestätigt oder, was wahrscheinlicher ist, vehement abgelehnt. Doch die Zeit der irdischen Gefühle ist für sie vorbei. Ihre neue Welt ist Frieden, überirdischer Frieden, ohne jeglichen Bezug zu dem, was der Mensch als Trauer oder gebrochenem Herzen versteht.
„Wir werden irgendwann zusammen sein, für immer, du und dein Sohn. Und wir werden alle die wieder treffen, die wir lieben, die wir nicht verlieren wollten. Die man uns genommen hat!“
Der Blick des jungen Mannes hat sich verdunkelt. Er steht auf und küsst die Hände seiner Mutter.
„Ich werde zu Ende bringen, was ich begonnen habe. Nur dann kann ich meinen Frieden finden.“
Die Frau lächelt, und dem jungen Mann scheint es, als habe sich ein Seufzer von ihren Lippen gelöst. Er kniet erneut vor ihr nieder. Doch die Augen, in die er sieht, sind kraftlos, ja, fast stumpf anzusehen. Da ist kein Leben in ihnen, in ihren Pupillen ist der Vorhang zur Realität gänzlich gefallen.
Die Frau lächelt und dem jungen Mann fließen Tränen über die Wangen.
„Mutter, ich hätte dich so gebraucht. Warum hat man uns das angetan?“