Читать книгу Tatort Hunsrück, Sammelband 2 - Hannes Wildecker - Страница 18

14. Kapitel

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Ich werde dann mal losfahren. Kommst du mit der Arbeit alleine klar?“ Heinrich Schröder, der Wirt der „Kleinen Kneipe“ im westlichen Stadtteil von Trier schließt die Kassenschublade der Theke und schaut sich in seinem Lokal um.

Bärbel, die einzige Bedienung heute, nickt und ihr langes blondes Haar fällt ihr dabei lose ins Gesicht. Es haben nicht allzu viele Gäste an diesem Freitagnachmittag eingefunden. Es ist ein heißer Julitag und an einem solchen begibt man sich eher ins Schwimmbad, als eine Kneipe aufzusuchen. Die Stammgäste, ja, die sind schon hier. Die sind jeden Tag hier, trinken ihren Viez, ihr Bier mit dem Schnaps dazu und am späten Abend werden auch sie den Weg nach Hause suchen. Dann sind sie meist soweit abgefüllt, dass sich die erforderliche Bettschwere eingefunden hat. Danach werden nur noch vereinzelt Gäste das Lokal aufsuchen. Bärbel, wird es also alleine packen.

Henry, wie Schröder von allen Gästen genannt wird, zündet sich eine Zigarette an und bekommt schon nach dem ersten Zug einen starken Hustenreiz.

„Ich rauche zu viel!“, denkt er. Aber von der Sucht loskommen, in seinem Beruf? Hauptsache, der Laden läuft! Und das tut er in der Regel auch. Er will sich nicht beklagen. Dafür, dass seine „Kleine Kneipe“ nicht im Stadtkern liegt, ist hier schon einiges los. Gut, abgesehen auf Tage wie heute, aber das sind Ausnahmen, die sich an anderen Tagen wieder ausgleichen.

Schröder hat allen Grund, zufrieden zu sein. Auch in privater Hinsicht. Mit seinen fünfundvierzig Jahren hat er mindestens so viel erreicht, wie manch einer, mit dem er groß geworden ist, mit dem er die Schulbank gedrückt hat. Natürlich sind auch Ausnahmen darunter. Franz Meyer war so eine. Schon in der Schule war er als Streber in Verruf geraten und heute hatte er in der Innenstadt eine gut florierende Anwaltskanzlei. Aber sonst? Ja, ihm geht es gut. Schröder möchte mit niemandem tauschen. Gerade vor einer Stunde hat er mit Töchterchen Mariele telefoniert. So nennt er liebevoll sein einziges Kind, das es zu seinem Leidwesen in die Staaten verschlagen hat, der Liebe wegen.

„Meine Mariele!“ Schröder lächelt bei dem Gedanken, dass er seine Tochter in etwa vier Wochen wiedersehen wird. Dann nämlich wird er in die USA fliegen und zwei Wochen in ihrer Nähe verbringen. Eben, am Telefon, hatte sie ihn eingeladen und er hatte sofort zusagt. Was sonst? Wenn sich die Gelegenheit bietet. „Wer weiß, wann ich meine Mariele sonst wieder in die Arme nehmen kann?“

Er wird alleine fliegen, denn seine Frau, von der er seit sieben Jahren geschieden ist, hat alle Verbindungen zu ihm abgebrochen. Er will auch keinen Gedanken mehr an sie und die Vergangenheit verschwenden. Obwohl, die Schuld lag eindeutig auf seiner Seite. Irgend so ein Weiberrock hatte ihn angemacht und er war prompt in die weibliche Falle getreten. Aus, vorbei, erledigt!

Schröder schließt die Registrierkasse und schaut sich ein letztes Mal in seiner Gaststätte um. Dann winkt er Bärbel zu. „Bis Morgen!“ Die erwidert seinen Gruß kurz und kümmert sich weiter um den Kunden, der seine Zeche zahlen möchte.

„Bis Morgen.“

Schröder hat einen angenehmen Termin heute Abend. In Bernkastel will er sich mit einigen Kollegen zu einer Weinprobe und einem Schlemmeressen treffen. Auch für Übernachtungsmöglichkeiten ist gesorgt. Es hat keine Eile für ihn, in der Nacht noch nach Hause zu fahren, niemand wartet auf ihn.

Zum Parkhaus, in dem er für seinen Wagen gegen eine Pauschalgebühr einen festen Platz angemietet hat, braucht er zu Fuß runde fünf Minuten. Sein Wagen steht im Erdgeschoss, es ist der letzte Einstellplatz in der Reihe. Schröder schaut auf seine Armbanduhr. Es ist fast achtzehn Uhr, beeilen braucht er sich also nicht.

„Ich werde heute keine Autobahn nehmen“, denkt er, „sondern gemütlich entlang der Mosel fahren, mit offenem Schiebedach und die letzten Sonnenstrahlen des schwül-warmen Julitages genießen.“

Es wird ein schöner Abend werden, da ist sich Schröder sicher. Auch andere Gastwirte sind zu der Feierlichkeit eingeladen. Gastwirte von der Mosel, die er allerdings nur flüchtig kennt. Aber das kann sich ja heute ändern.

Plötzlich muss er wieder an seine beiden Kumpeln Kalle und Maathes denken. Eine schlimme Sache. Beide wurden ermordet, beide im Hochwald tot aufgefunden. Schröder kann sich keinen Reim darauf machen. „Sie haben doch niemandem etwas zuleide getan, jedenfalls nichts, das so etwas rechtfertigen dürfte“, sagt er sich. „Immer froh das Leben genossen, na ja, wer tut das nicht?“

Schröder hat das Parkhaus erreicht. Das Tor ist offen, für alle Fälle hat er aber einen Schlüssel dabei. Plötzlich hört er Schritte hinter sich und als er sich umdreht, sieht er gerade noch schemenhaft einen Schatten, der weitereilt, ohne das Parkhaus zu betreten. „Der hat es aber eilig“, denkt Schröder und macht sich auf den Weg zu seinem Auto, das am Ende der Garage geparkt ist.

Mit einem Mal hat er das Gefühl, nicht alleine hier unten zu sein, denn schon wieder glaubt er einen Schatten zu sehen, der hinter den abgestellten Autos verschwindet.

„Möglicherweise sucht da jemand sein Auto“, denkt Schröder. „Hat es vielleicht im Suff abgestellt und weiß jetzt nicht mehr, wo genau“. Schröder lächelt in sich hinein. Auch ihm ist das schon einmal passiert. Und das war auch gut so. Mit Freunden hat er damals bis in die Nacht gezecht und als man dann aufbrach, um nach Hause zu fahren, da war das Auto nicht mehr da, wo er es vermutete. Er ist dann mit dem Taxi nach Hause gefahren und am anderen Tag stand doch sein Wagen genau an der Stelle, wo er ihn abgestellt hatte.

Schröder sucht nach seinem Autoschlüssel und fischt diesen aus der Hosentasche, denn er ist an seinem Auto angekommen. Ein schöner Wagen, ein Benz der gehobenen Mittelklasse, auf den er sehr stolz ist. Er betätigt den automatischen Türöffner, mit einem „Klack“ entriegeln sich alle Türen gleichzeitig. Schröder öffnet die Fahrertür und hat bereits sein rechtes Bein im Inneren, als er einen kalten Gegenstand am Hinterkopf spürt. Ein Schreck fährt ihm durch die Glieder und seine Gedanken sind sofort bei dem Schatten, den er vor und später im Parkhaus gesehen hat.

„Steig ein!“

Es ist eine Männerstimme, die diesen Befehl kurz und knapp gibt.

„Wer sind Sie? Was ist …?“

„Einsteigen!“

Schröder traut sich nicht, nach hinten zu sehen. Kaum, dass er auf dem Fahrersitz Platz genommen hat, fällt auch die hintere Tür des Wagens zu und Schröder spürt wieder den kalten Gegenstand an seinem Kopf. Er hat keinen Zweifel: Das ist eine Waffe. Ein Revolver oder eine Pistole. „Was will der Mann von mir?“, denkt er und sieht in den Rückspiegel. Doch der Mann sitzt zu weit am Fenster, als dass er dessen Gesicht sehen könnte.

„Fahr los!“

Wieder ist es ein knappes Kommando, das Schröder zusammenzucken lässt. Er dreht den Schlüssel im Schloss um, startet den Wagen und fährt langsam in Richtung Ausfahrt. Die Waffe spürt er immer noch an seinem Kopf.

„Keine hastigen Bewegungen“, sagt er sich selbst. „Alles tun, was der Mann sagt. Vielleicht will er Geld, oder …“

Nein, Geld wird der Mann nicht wollen, davon hat Schröder nicht so viel, dass es einen Erpresser interessiert. Mit feuchten Händen umklammert Schröder sein in Leder eingefasstes Lenkrad, legt mit zitternder Hand den ersten Gang ein und fährt langsam los, den kalten Stahl im Genick verspürend.

Der Mann dirigiert Schröder durch die Innenstadt, am Moselufer vorbei auf die Bundesstraße 263, die von Trier nach Saarbrücken führt, wobei seine Aufmerksamkeit in keiner Sekunde schwächelt.

„Was…was wollen Sie von mir?“ Schröder versucht es erneut. Er will den Unbekannten in ein Gespräch verwickeln, will irgendeine menschliche Beziehung herstellen, doch der andere lässt sich nicht darauf ein.

„Schnauze halten und weiterfahren!“

Schröder überlegt fieberhaft. Er begreift, dass die Situation für ihn äußerst kritisch zu werden beginnt. In einem Kriminalfilm hat er Situationen wie diese hier zu Hauf gesehen und sich dann immer vorgestellt, wie es wäre, eine plötzliche Vollbremsung durchzuführen. Der Mann würde nach vorne geschleudert, würde mit dem Kopf gegen die Windschutzscheibe prallen und wäre außer Gefecht gesetzt. Das würde sicher auch funktionieren, wenn der Mann neben ihm säße. Aber er sitzt hinter ihm, die Pistole auf seinen Nacken gerichtet. Er wird noch schießen können!“, überlegt Schröder. „Der Fahrersitz wird die von mir gewünschte Wirkung verhindern. Ich muss abwarten. Vielleicht hat er mich ja auch nur verwechselt. Ja, das wird es sein! Der meint gar nicht mich!“

Schröder startet einen neuen Versuch. „Sagen Sie, ich habe kein Geld, das Sie aus mir herauspressen können. Und wenn schon, ein paar Tausend Euro, mehr werden es nicht sein, wenn ich alles zusammenkratze. Wie viel wollen Sie? Wir können doch darüber reden!“

Der Mann hinter Schröder schweigt weiter, nur der Druck der Pistole auf den Hinterkopf von Schröder verstärkt sich.

„In den Kreisverkehr und in den Ort abbiegen!“

Das Kommando kommt knapp und Schröder lenkt seinen Wagen in die Ortschaft Zerf, vorbei an zwei ehemaligen Gaststätten, an denen nur noch verfallene Transparente auf die ehemalige Existenz hinweisen.

„Weiter geradeaus!“

Es wird langsam dunkel, Schröder schaltet die Beleuchtung am Fahrzeug ein und fährt weiter auf die Bundesstraße 407, aus dem Ort heraus, in Richtung Waldweiler, Mandern, Kell am See oder Hermeskeil, wenn er denn weiterführe.

„Rechts ranfahren!“ Einige hundert Meter hinter Zerf kommt das plötzliche Kommando. Schröder fährt an den Straßenrand.

„Auf einer Bundesstraße ist Parken verboten“, denkt er. „Vielleicht kommt ja ein Polizeiauto vorbei!“

„Noch ein Stück weiter!“, zischt der Mann hinter Schröder. „Jetzt Stopp!“

Schröder schaut sich um. Was will der Mann hier? Will er ihn erschießen? Will er etwa nur sein Auto. Das kann er gerne haben. „Und wenn ich zu Fuß nach Trier zurückgehen muss. Das ist mir egal!“, hofft er.

„Siehst du dieses Kreuz? Das auf der rechten Seite, hier am Fahrbahnrand? Schau es dir genau an! Es wird dein Kreuz werden!“

Als träfe ihn ein Blitz aus heiterem Himmel, weiß Schröder auf einmal, was der Mann will. Kalle und Maathes, seine Freunde, beide wurden an einem Kreuz tot aufgefunden, zu Tode gepeinigt. Ihm soll offensichtlich das gleiche widerfahren. Er muss mit dem Mann reden. Er muss ihn überzeugen, dass er nichts getan hat. „Ich habe doch auch nichts getan! Ich bin mir keiner Schuld bewusst!“, denkt Schröder und merkt wie sein Herz rast, wie seine Hände schweißnass werden. Er will sich zu dem Mann umdrehen und ihm ins Gesicht sagen, dass das alles sicher ein Irrtum ist. Doch dann verspürt er einen stechenden Schmerz auf seinem Kopf, der seine rasenden Gedanken jäh beendet.

Tatort Hunsrück, Sammelband 2

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