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Kapitel 17

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Sie hielt tatsächlich so lange an, dass wir ein paar Sachen zusammenpacken und mit dem Auto einfach davonfahren konnten. Die Ruhe in meiner Freizeit meine ich. Insgeheim rechnete ich jeden Moment damit, einen Anruf zu erhalten, der mir einen weiteren Tatort der „Bestie vom Hunsrück-Steig“ -mit dieser Bezeichnung verkaufte Steiner inzwischen die Mordserie im „Trierer Merkur“ und sicherte sich damit eine Zeilenanzahl in seiner Zeitung, von der er im normalen Geschäftsjahr nur träumen konnte- bescheren würde.

Ich hatte mir vorgenommen, Lisa die Gegend um die Tatorte herum zu präsentieren. Nicht, um ihr den Schrecken, den der Saar-Hunsrück-Steig derzeit verbreitete, nahe zu bringen. Vielmehr wollte ich ihr die Schönheiten der Region präsentieren, die Gegenden, in die es uns unter normalen Umständen verschlagen würde. Wir hatten uns dann doch entschlossen, Terry nicht mitzunehmen. Ihn bei der Hitze alleine im Auto zu lassen, falls wir einkehrten, das wollten wir denn doch nicht.

Es war fast Mittagszeit und ich verspürte Hunger.

„Lass uns hier etwas essen!“, bot ich Lisa an, als wir in Weiskirchen einfuhren. Ich kurvte ein paar Mal durch den Ort und landete anschließend im Bereich der Reha-Kliniken, die bundesweit ihre Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Dass sich dort eine eigene Infrastruktur gebildet hatte, lag in der Natur der Sache. Ein Hotel am Hang, mit Blick auf das beginnende Saarland, zog meine Aufmerksamkeit auf mich und, ohne Lisa lange zu fragen, parkte ich auf den Anlagen des riesigen Gebäudes.

„So, mein Schatz, da wären wir! Unser erster Stopp.“ Ich half Lisa aus dem Wagen, den ich vorsorglich am Ende des Parkplatzes abgestellt hatte. Ein alter Opel Astra, Anfang der Neunziger Jahre erbaut, nahe am Hoteleingang geparkt, würde das dazu passende Nasenrümpfen provozieren. Das musste nicht sein.

In der Halle war schon Betrieb. Offensichtlich hatten sich die Hotelgäste bereits zum Essen eingefunden und wir folgten einem Pfeil, der uns in die Speisesäle führte.

Im Geiste überschlug ich meine mitgeführten Barschaften, doch als ich sah, mit welcher Begeisterung sich Lisa umsah und an den Dekorationen und künstlerischen Gestaltungen im Foyer erfreute, fiel jede Knauserigkeit von mir ab. Für alle Fälle hatte ich meine Visa-Karte dabei. Schiefgehen konnte da eigentlich nichts. Lisa steuerte geradewegs auf einen Tisch in Fensternähe zu und ich folgte ihr brav.

An dem Tisch hinter uns saß ein Ehepaar, ein alt gedientes, würde ich sagen. Vielleicht feierten sie hier sogar ihre goldene Hochzeit. In der Spiegelung des Fensters glänzte die Halbglatze des Mannes, den ich auf mindestens siebzig Jahre schätzte. Er saß mit dem Rücken zu mir und so konnte ich fast jedes Wort verstehen, das er mit seiner Frau wechselte. Die beiden hatten ihr Mahl bereits hinter sich und stocherten in ihrem Nachtisch herum, der ihnen offensichtlich nicht so zusagte, wie sie es sich von ihm versprochen hatten.

Die Frau hatte schlohweiße Haare, in Dauerwellen streng an den Kopf gelegt. Im Ausschnitt ihrer weißen Bluse präsentierte sich ein Grandelanhänger und zwei dazu passende Ohrringe vervollständigten die Kollektion und ich vermutete, dass ihr Gemahl hier im Hochwald der Jagd auf Waldtiere nachging.

Das Essen war hervorragend und der Anblick über die saftig-grünen Wiesen in den dunkelgrünen Tannenwald in der Ferne passte sich angenehm an.

Das Ehepaar hinter mir war intensiv in ein Gespräch vertieft und ich brauchte mich nicht anzustrengen, als unfreiwilliger Mithörer mitzubekommen, dass sich die beiden über die Mordfälle in den vergangenen Tagen unterhielten. In einer Zeit, wo dieses Thema fast in aller Munde war, empfand ich es auch nicht verwunderlich, dass die beiden sich darüber unterhielten. Was mich allerdings dazu veranlasste, den Kopf etwas weiter nach hinten und damit in den besseren Hörbereich zu bewegen, waren die Begleitumstände des Gesprächs.

„Aua!“ Ein leichter Schmerz über meinem rechten Schuh beendete vorläufig die Abhöraffäre. Lisa hatte gemerkt, dass meine Ohren immer länger wurden und mich mit dem Fuß unter dem Tisch gegen das Schienbein getreten.

„Hier bin ich, Spürnase!“, flüsterte sie und dennoch klang es, als habe sie laut und energisch gesprochen.

Der Ober kam und fragte nach unseren weiteren Wünschen. Ich bestellte zwei Espresso und schon wieder sah mich Lisa strafend an, als anschließend mein Oberkörper langsam nach hinten glitt.

Ich beugte mich zu Lisa vor. „Die reden über den Mordfall“, flüsterte ich. „Vielleicht sind sie, ohne es zu wissen, Zeugen oder Hinweisgeber.“ Ich machte eine beschwichtigende Handbewegung in Lisas Richtung. „Nur ganz kurz! Bin gleich wieder für dich da.“

„…ist ja vielleicht dieselbe Person“, hörte ich den Mann mit verhaltener Stimme sagen.

„Wir wollen nichts damit zu schaffen haben“, erwiderte die Frau und in der Spiegelung des Fensters konnte ich erkennen, wie sie den Kopf energisch in den Nacken warf.

„Aber die Beschreibung aus der Presse passt ja auf den Mann. Du würdest anders reagieren, wenn ich eines der Opfer wäre, ein Opfer dieser Bestie, oder nicht?“

„Bist du aber nicht. Vergiss die Sache, vielleicht beschuldigst du dazu noch einen Unschuldigen!“

„Ich beschuldige ja niemanden. Behält man die Sache für sich, ist es falsch, geht man zur Polizei, ist es auch nicht richtig. Wer nichts tut, macht mit, heißt es doch immer. Überprüfen wird man die Sache doch noch dürfen. Also, ich habe kein gutes Gewissen dabei.“

Jetzt war meine Zeit gekommen. Ich drehte mich mit einem freundlichen Nicken zu dem Ehepaar um.

„Eine schlimme Sache, das mit den Morden am Saar-Hunsrück-Steig, nicht wahr. Entschuldigen Sie, mein Name ist Spürmann. Ich habe Ihnen eben unfreiwillig zugehört.“ Unfreiwillig! Ha! Ich spürte Lisas Blick im Nacken.

„Wen haben Sie da eben gemeint, ich meine, die Person, auf die irgendeine Beschreibung passt?“

„Hören Sie, wir wollen über dieses Thema nicht mehr reden. Was mischen Sie sich überhaupt in unser Gespräch ein?“

„Dann darf ich mich Ihnen genauer vorstellen“, sagte ich, stand auf und drehte mich zu dem Ehepaar hin. „Mein Name ist Heiner Spürmann, ich bin Kriminalpolizist und leite die Ermittlungen in den Mordfällen. Wir müssen jedem Hinweis nachgehen, auch wenn er noch so klein ist und auch dann, wenn Zeugen glauben, ihre Wahrnehmungen für sich behalten zu müssen. Wir können also alles jetzt in einem Gespräch klären, andererseits kann ich Sie auch zur Dienststelle nach Trier vorladen, sagen wir für morgen, acht Uhr früh?“

„Morgen ist doch Sonntag“, meldete sich nun der Mann zurück.

„Das macht nichts, ich bin auch morgen im Dienst.“

„Hoffentlich macht der jetzt keinen Mist und will wirklich morgen auf der Dienststelle erscheinen“, dachte ich bei mir, aber der Mann hatte offensichtlich ebenso wenig Lust dazu wie ich.

„Setzen Sie sich einen Moment zu uns!“

Ich sah zu Lisa, die ihren Blick provozierend von mir abwendete und zum Fenster hinausschaute.

„Es ist so“, sagte der Mann, während ich Platz nahm, „meine Frau und ich, wir wohnen in Otzenhausen. Wir haben im Trierer Merkur die Beschreibung der Person gelesen, die man in der Nähe des Tatortes im Wald gesehen hat. Ein Mann, der einen Anorak mit einer Kapuze trug.“

„Und jetzt bildet mein Mann sich ein, dass er diesen Mann gesehen hat. Lachhaft! Jeder Mann kann so einen Anorak tragen.“

„Aber sich nicht so verdächtig verhalten.“ Der Mann neigte seinen Kopf ein Stück näher zu mir herüber. „Allein, wie der schon gekleidet war. Verdreckte Schuhe hat der angehabt, hohe Schuhe, jetzt, mitten im Sommer. Unrasiert war er und ungepflegte Haare hatte der. Ein Penner, wenn Sie mich fragen.“

Deswegen solltest du ja auch deinen Mund halten!“, ließ sich wieder die Frau vernehmen, der man ansah, dass sie ihr Missfallen über meine Einmischung bereits nach außen trug. „Ein Penner bringt doch niemanden um und streunt dann noch in der Gegend des Tatortes herum!“

Da musste ich der Frau insgeheim Recht geben. Doch es nutzte alles nichts. Erst, wenn die Ermittlungen um diese Person abgeschlossen waren, so oder so, konnte man diese Spur zu den Akten legen.

„Wann und wo haben Sie den Verdächtigen denn zuletzt gesehen?“, fragte ich und der Mann antwortete, während die Frau verkniffen zu mir herübersah.

„Das war heute Morgen, so gegen Zehn. Er marschierte von Bierfeld in Richtung Zinserhütten, also nach Neuhütten oder Muhl.“

„Hatte er Gepäck dabei?“

„Nicht, dass ich wüsste.“

„Ja, das war`s dann auch schon. Jetzt brauche ich nur noch ihren Namen und ihre Adresse…für den Fall, dass ich auf Sie zurückkommen müsste.“

„Aber…“ Die Frau wollte kurz aufmucken, doch ihr Mann winkte ab, griff in seine Brieftasche, nahm eine Visitenkarte heraus und gab sie mir. Waldemar Meierich stand darauf und ehe ich weiterlesen konnte, hörte ich den Mann sagen: „Sie können mich dienstlich erreichen. Ich bin Verwaltungsbeamter im Rathaus Hermeskeil.“

Tatort Hunsrück, Sammelband 2

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