Читать книгу Im Bann der Rache - Hans Bischoff - Страница 13
ОглавлениеFreitag, 07. November 2014, Stuttgart
Brigitte van Damme hatte sich schon gewundert, was ihren Ehemann dazu bewog, sie mitten unter der Woche zum Abendessen einzuladen.
»Lass uns einfach mal wieder richtig schön essen gehen«, hatte er ihr am Morgen im Vorbeigehen gesagt. »Was hältst Du von den Ratsstuben?«
»Was ist los? Gibt es irgendeinen besonderen Grund?«, hatte Brigitte überrascht zurückgefragt.
»Brauche ich denn einen Grund, um mit meiner Frau essen zu gehen? Nein, es gibt keinen Grund, ich möchte nur mal wieder ganz entspannt mit Dir zusammen sein.« Edgar machte fast einen etwas geknickten Eindruck, sie spürte, wie sie sich deswegen einen leichten Vorwurf machte.
»Wenn das so ist, freue ich mich. Sollen wir uns dort treffen oder holst Du mich hier ab?«
»Ich hole Dich um sieben ab, ist das ok für Dich?« Edgar gab ihr einen leichten Kuss auf die Wange, sie nickte nur. »Dann bis sieben, ich fahre jetzt ins Büro, ciao!«
Und weg war er. Brigitte glaubte, Edgar sehr gut zu kennen, und grübelte darüber nach, was das Ganze wohl zu bedeuten hatte, ohne Ergebnis.
Kurz vor sieben am Abend traf er schon in der Villa ein. »Hallo mein Schatz, bist Du fertig?«, rief er beim Eintreten und legte seinen Aktenkoffer auf die Garderobenablage in der weitläufigen Eingangsdiele, von der aus man durch eine raumhohe Glastüre in den Wohnbereich gelangte. Oder über die breite Treppe mit den sündhaft teuren Glasstufen, die Edgar auch gegen den Rat des Architekten unbedingt haben wollte, in das Obergeschoss der exklusiven Villa. Er hatte eine solche Glastreppe im Gebäude einer Werbeagentur gesehen, die sich um ihn als Kunden bemüht hatte.
Hinter der nach außen hin kühlen, sachlichen Bauhausarchitektur glänzten die Wohnräume durch gediegene Eleganz. Der großzügige Wohn-Essbereich mit der elitären offenen Küche war sehr großzügig dimensioniert. Von der hellgrauen Sitzgruppe mit dem fünfsitzigen Sofa und den drei tiefen Sesseln, alle in edlem Leder, ging der Blick durch die raumhohe Glasfront über die Terrasse mit dem Swimmingpool in den weitläufigen Garten hinaus, der mit groß dimensionierten Gehölzen gegen die Nachbarschaft abgeschottet war. Die Gartenbaufirma hatte bei der Anlage des Gartens bereits ausgewachsene Gehölze mit dem Kran einsetzen müssen. Er war damals selbst in der Baumschule in Norddeutschland gewesen, um sich seine Bäume persönlich auszuwählen. Ein Schweinegeld hätte das gekostet, wie er gerne vor Freunden betonte.
An der Wand, die den Wohn- vom Essbereich trennte, hing ein riesiger 65-Zoll-Flachbildfernseher, links und rechts davon standen zwei Designlautsprecher frei im Raum. Die gegenüber liegende Seitenwand war vom offenen Kamin und zwei großformatigen naturalistischen Gemälden in düsteren Farben geprägt. Den Essbereich dominierte ein langer, schwerer Tisch mit zehn Designerstühlen, daneben nur zwei voluminöse Kerzenständer. Optisches Highlight des großen Raumes war jedoch die hochmoderne glänzende Küche mit der frei stehenden Kochinsel davor. Als Blickfang diente eine fast bis zur Decke reichende Palme in einem weißen Gefäß.
Die gesamten Räumlichkeiten waren perfekt durchgestylt und penibel sauber und aufgeräumt. Brigitte musste dafür allerdings nicht allzu viel beitragen, denn verantwortlich für das »Housekeeping« war die Haushaltshilfe, Huong Thi Pham, eine junge Vietnamesin, von der Familie nur »Miss Saigon« genannt. Tommy, der Junior, hatte sie eines Tages vor einem knappen halben Jahr aus einem der Internetcafes, in denen er seine privaten Drogendeals abwickelte, angeschleppt. Sie war dort als Mädchen für alles beschäftigt und suchte einen neuen Job. Brigitte hätte zwar jederzeit die alte Haushaltshilfe, eine zumeist schlecht gelaunte Mittfünfzigerin behalten, Edgar und Tommy setzten jedoch durch, dass die junge, und vor allem sehr hübsche Vietnamesin eingestellt wurde. Vor allem Edgar fand sie ausgesprochen sexy und machte ihr dies auch unmissverständlich klar. Für Huong war er das kleinere Übel, im Gegensatz zu Tommy, der unsterblich in sie verliebt war, und ihr ständig hinterher dackelte. Von ihrem alten Job her war sie es gewöhnt, laufend angemacht und begrapscht zu werden. Und für einen größeren Schein war sie notfalls auch bereit, mehr zuzulassen. Und mit solchen Scheinen hatte Edgar noch nie ein Problem gehabt. Wobei er in letzter Zeit, seit dem Vorfall vor acht Jahren, gewöhnliche Prostituierte mied und sich sein Vergnügen eher bei seriösen Escort-Services buchte. Was allerdings nicht bedeutete, seine Frau weniger zu hintergehen als früher. Zur Not eben mit dem Hausmädchen. Wenn Brigitte unterwegs war, war das ganz bequem. Er fand die Situation witzig. Fremdgehen konnte er zu Hause, er musste nicht mal weggehen. Was für ein Kalauer! Blöd, dass man den nur wenigen guten Kumpels erzählen konnte.
Brigitte sah an diesem Abend richtig attraktiv aus. In ihrem eleganten dunklen Hosenanzug stellte sie direkt was dar, fand Edgar und öffnete ihr galant die Wagentür.
»Was hast Du mir zu beichten, heute Abend?«, fragte sie ihn leicht irritiert.
»Nichts, ich will Dich einfach mal wieder toll ausführen, lass Dich überraschen!« Edgar ließ den Porsche an und steuerte zügig auf das automatische Tor zu, das sich nun wie von Geisterhand leise surrend öffnete.
Nur gut 15 Minuten später parkte er bereits in der Rathaustiefgarage. Sie nahmen den Lift, fuhren eine Etage nach oben und wurden dienstbeflissen vom Restaurantchef begrüßt.
»Herr van Damme, guten Abend gnädige Frau, ich habe den Ecktisch am Fenster für Sie reserviert. Bitte folgen Sie mir.«
Er brachte sie zu ihrem von Kerzen romantisch beleuchteten Tisch und Edgar schob ihm lässig einen Schein zu, was mit einem diskreten Nicken beantwortet wurde. Nachdem sie bestellt und den Aperitif bekommen hatten, und nachdem sich Edgar umgeschaut hatte, ob er nicht irgendwelche wichtigen Leute finden konnte, begann er einen längeren Monolog zu halten.
»Du weißt, wie es um Deinen Vater steht. Er ist finanziell am Ende, die Firma ist in Konkurs und er hat die Hand gehoben, da ist nichts mehr. Was mich irritiert ist die Tatsache, dass er sich praktisch so gut wie gar nicht gegen diese Entwicklung gewehrt hat. Er hat alles laufen lassen, obwohl ich ihm immer wieder meine Bedenken über seine Haltung nahegelegt habe. Ich verstehe ihn nicht. Ich habe ihm Geld angeboten, aber er hat praktisch völlig dichtgemacht. Er wolle nichts von mir, er bringe das selbst wieder hin und so weiter. Ich kam und komme nicht mehr an ihn ran.«
Edgar räusperte sich, trank einen Schluck, bevor er weiter redete.
»Er machte mir Vorwürfe wegen der Fondsbeteiligungen, aus denen er jetzt nicht mehr rauskam. Er war es aber, der sogar den Kredit wollte, um stärker einsteigen zu können, er war zu gierig trotz meiner Warnungen. Er hat sich völlig verändert in der letzten Zeit. Ich will Dir das alles nur sagen, damit Du keinen falschen Eindruck gewinnst. Ich befürchte nämlich, dass er mit falschen Aussagen auf Dich zukommen könnte. Und vielleicht bei Dir schnorren. Das möchte ich verhindern. Er hat versucht, mich auch in die ganze Insolvenz rein zu ziehen, was nicht schön war und was ich nicht verdient habe. So, jetzt weißt Du, wie wirklich alles lief, und was ich alles versucht habe, zu retten, was zu retten war. Echte Sch…«, wollte er gerade sagen, als der Ober die Vorspeise servierte.
Brigitte sah van Damme lange an. »Könnten wir jetzt mehr für ihn tun? Peter ist schließlich mein Vater, ich kann das alles nicht glauben.«
»Dann rede selber mit ihm!«
Edgar war sauer, verdammt, das lief in die falsche Richtung. Normalerweise war Brigitte absolut leichtgläubig und fraß alles, was er erzählt. Dann musste man eben nachlegen. »Brigitte, da gibt es noch etwas« flüsterte er.
Sie sah ihn gespannt und fast verängstigt an.
»Dein lieber Herr Papa hat versucht, mich bei der Staatsanwaltschaft hinzuhängen.«
Brigitte starrte ihn aus weit aufgerissenen Augen an. »Wie bitte? Warum denn das?«
»Ich habe in letzter Zeit ein paar kleinere Probleme mit zwei Fonds, wir haben da Mietausfälle, weil unser Vertragspartner in Konkurs ist. Ich bin schon mit der Bank im Gespräch, das läuft. Keine Angst, das ist nicht weiter schlimm, ich musste nur die Ausschüttungen zurückstellen. Und deswegen hat er mir eine mordsmäßige Szene gemacht, hat mich bedroht, als Betrüger bezeichnet und ist zur Staatsanwaltschaft gerannt, um mich zu beschuldigen. Ich hätte betrügerisch gehandelt. Übrigens auch, was seine eigene Buchhaltung anbetrifft. Da wirft er mir vor, ihn die ganze Zeit beschissen zu haben. Der wäre schon vor Jahren pleite gegangen ohne mich, das will er jetzt alles nicht wahrhaben. Und das Allerschärfste, er hat versucht, Jasmin gegen mich aufzubringen.«
Brigitte hielt die Hand vor den Mund und blickte ins Leere.
»Die rief mich empört an und legte los, was ich denn da machen würde und so. Ich habe ihr dann die Tatsachen geschildert, weiß allerdings nicht, wem sie glaubt, sie kann ja so gut mit Peter. Kannst Du Dir meine Situation vorstellen. Ich will ihm helfen und dann das!«
Van Damme machte ein bedrücktes Gesicht, innerlich war er jedoch mit sich mehr als zufrieden. Der Stachel saß.
»Edgar, was bedeutet das alles, das kann doch einfach nicht sein, dass er plötzlich gegen Dich schießt. Spinnt der denn?« Brigitte war den Tränen nahe, zumindest waren die Augen feucht.
»Ja meine Liebe, so siehts aus, leider. Jetzt weißt Du, warum ich nicht noch mehr für ihn tun kann. Da muss er selber raus. Aber jetzt lass uns zum angenehmen Teil des Abends übergehen, unsere Fischplatte kommt.«
»Ich glaube, ich kann jetzt nichts essen.«
»Doch Schatz, das hilft gegen den Schmerz. Garantiert!«