Читать книгу Im Bann der Rache - Hans Bischoff - Страница 6
ОглавлениеFreitag, 19. September 2014, Stuttgart
Edgar managte in den letzten Jahre nicht nur meine Finanzanlagen, sondern auch meine gesamte Buchhaltung. Ich war ein leichtsinniger Idiot und interessierte mich praktisch überhaupt nicht mehr für meine geschäftlichen Finanzen. Ich kalkulierte zwar meine Jobs, Edgar schrieb und zahlte jedoch die Rechnungen, kümmerte sich um Steuern und Abgaben, er war für alles rund ums Geld verantwortlich. Für mich war das Ganze herrlich bequem, ich brauchte mich nicht damit zu belasten. Unterschriften auf Dokumente leistete ich fast unbesehen, wenn er sie mir vorlegte. Was auch Edgar am liebsten war. Aus heutiger Sicht logisch. Er hatte mich praktisch vollständig in der Hand, in die ich mich freiwillig hinein begeben hatte.
Und dann vernichtete er mich in diesem Spätsommer 2014 auf einen Schlag. Er hatte jetzt seine Rache, seine späte Genugtuung für das, was ich ihm aus seiner Sicht angetan hatte. Damals im Sommer 2001. Als ich ihn zuerst »sitzen« ließ mit seinem Finanzproblem und ihn dann auch noch bei Brigitte wegen seiner sexuellen Eskapaden »verpfiff«, wie er mir vorgeworfen hatte. Mit der miserablen Entwicklung seiner Fonds, den daraus resultierenden Verlusten sowie der Betrugsmöglichkeit im Rahmen seiner Buchhaltertätigkeit für mich, konnte er sich jetzt endlich rächen. Von wegen »nur« kurzfristiges Liquiditätsproblem! Meine Einlagen in drei seiner Fonds waren von heute auf morgen nichts mehr wert, als sich durch einen Zufall und die Recherche einer Wirtschaftsjournalistin ergeben hatte, dass das Ladenzentrum in Chemnitz wegen Erfolglosigkeit voraussichtlich geschlossen würde und statt des Projektes in Posen lediglich werbewirksam gestaltete Bauplakate in der polnischen Pampa standen. Dass die Verträge mit der Erfurter Klinik nicht verlängert werden würden, weil der Großteil der Mieter pleite war. Mit der Pleite der beiden kleinen GmbHs, die vertraglich die Mietgarantie für alle Fonds von Edgar sichern sollten, war die gesamte Geschichte gegessen. Die Kredite waren nicht mehr korrekt zu bedienen, weshalb die Objekte später an die kreditgebenden Banken gehen würden. Die Anteile der Gesellschafter waren weitgehend futsch. Gerade mal zwei seiner Fonds liefen einigermaßen. Es stellte sich dazu noch heraus, dass Edgar von Anfang an falsche Angaben zum Verhältnis von Eigen- und Fremdkapital gemacht hatte. Die laufenden »weichen« Kosten hatte er mit mannigfaltigen Manipulationen in die Höhe getrieben und so die Gewinne der Fondsobjekte systematisch geschmälert. Auch über Geschäftsführergehälter und Provisionen hatte er die Fondsgesellschafter gnadenlos abgezockt. Darüber hinaus machte mir ein Anruf des Finanzamtes klar, dass Edgar für meine Firma bereits seit neun Monaten keine Umsatzsteuer mehr abgeführt hatte. Das Geld war zwar weg, jedoch nicht bei Vater Staat, sondern auf van Dammes Geheimkonten gelandet. Er hatte uns Anleger und mich persönlich schlicht und einfach betrogen, ausgenommen wie Weihnachtsgänse. Zudem war der Kredit für die »geile, absolut sichere Anlage« fällig, was mir das Genick endgültig brach. Auch eine große Zahl anderer Fondsgesellschafter schaute plötzlich in die Röhre, bei manchen war ein Großteil der Altersversorgung weg, denen ging es nicht besser als mir. Edgar war nicht zu erreichen, Anrufe landeten auf der Mailbox, Mails wurden nicht beantwortet, Anrufer von der Sekretärin vertröstet. Die ersten enttäuschten Anleger waren auf dem Weg zu Anwälten, ein Kontakt mit Edgar war nicht möglich. Er war augenscheinlich abgetaucht. Edgar weg, Geld weg, der SL weg, meine Firma und ich auf direktem Weg in die Pleite. Gehts noch tiefer? Ja, nur das war mir in diesem Moment noch nicht klar, als ich beim Amtsgericht Insolvenz für meine Firma anmeldete. Ein Scheißgefühl, man kommt sich so erniedrigt vor. Ich musste erkennen, dass ich ein Versager war.
Ich schrieb noch einige Mails an ehemalige und bestehende Kunden, drückte mein Bedauern über die Situation aus und gab Edgar als Rechteinhaber für verschiedene Softwarelösungen an. Wie die begonnenen Projekte weiter oder zu Ende geführt werden sollten, konnte ich nicht erläutern, ich wusste es selbst nicht. Nur eines war klar, ich war draußen. Mit Edgar, falls der wieder auftauchen sollte, konnte ich nicht arbeiten, wobei das auch für ihn keine Option war. Aus die Maus, vorbei, erledigt. Ich schaltete zum letzten Mal den Rechner aus, strich wehmütig über die glatte Oberfläche des Screens, sagte meinen zwei Pflanzen Lebewohl, packte noch einzelne private Gegenstände in einen Pappkarton, zog die Jacke an und ging. Ohne mich noch einmal umzudrehen.