Читать книгу Im Bann der Rache - Hans Bischoff - Страница 8
ОглавлениеMontag, 22. September 2014, Stuttgart
Jahrelang war alles gut gegangen, warum lief das jetzt plötzlich in die falsche Richtung? Van Damme brütete über den aktuellsten Zahlen zwei seiner Immobilienfonds. Er saß in seinem luxuriös ausgestatteten Büro im fünften Stock eines der noblen, erst vor einem Jahr fertiggestellten Verwaltungsgebäude im neuen Europaviertel. Dem Stadtquartier, das auf dem ehemaligen Gelände des Stuttgarter Hauptbahnhofs im Entstehen war. Ein Großteil der exklusiven Gebäude war fertiggestellt, seines lag ganz prominent schräg gegenüber der neuen Stadtbibliothek.
Wer mit dem gläsernen Lift nach oben kam und durch die Tür mit der Aufschrift »VD INVESTMENTS« trat, landete zuerst in einem ganz dezent eingerichteten Empfangsbereich, bevor er von der Sekretärin ins Allerheiligste geleitet wurde, in sein Arbeitszimmer. Edgar nannte es nie Büro, das war für ihn einfach zu banal. Durch die raumhohe Verglasung schaute er Richtung Killesberg, dorthin, wo seine Villa stand. Sein Schreibtisch bestach sowohl durch die Ausmaße als auch durch das edle Mahagoniholz. In puncto Einrichtung war Edgar konservativ. Besprechungen hielt er stets an einem runden Tisch ab, der von einem großen Wandbildschirm überragt wurde, auf dem sich Van Dammes Erfolgszahlen optisch überzeugend darstellen ließen.
Daneben gab es nur noch ein prachtvolles Ledersofa und einen kleinen Beistellwagen mit diversen Digestifs. Keine Aktenschränke. Was er direkt benötigte, war auf seinem Laptop und im Schreibtisch eingeschlossen, den in seinen Augen unwichtigen Rest betreute die Sekretärin, Frau Hinze. Eine elegante, diskrete Fünfzigerin, die niemals fragte. Genau das, was er für seine Kunden brauchte. Klar, eine scharfe blonde Braut wäre ihm lieber gewesen, aber abgesehen davon, dass er der immer mal wieder an die Wäsche gehen könnte, wären diese jungen Weiber viel zu blöd für den Job. Er brauchte ein Aushängeschild, und das war die alte Hinze nun mal. Seriös, professionell, freundlich und vor allem nicht neugierig.
Tiefer weicher Teppichboden dämpfte nicht nur Schritte, sondern auch Gespräche, die selbst seine Sekretärin im Vorzimmer nicht hören sollte. Der gesamte Raum strahlte Seriosität und Erfolg aus, genau das, was seine Anleger überzeugte. Durch das Mammutprojekt Stuttgart 21 war ein elitärer neuer Stadtteil aus dem Boden gestampft worden, mit einer architektonisch reizvollen Bibliothek, hochwertiger Gastronomie, Ladenzeilen, Bürogebäuden und eleganten Appartements. Und mitten drin er, Edgar van Damme, erfolgreicher Finanzdienstleister.
Er hatte es geschafft. Bisher zumindest erfolgreich für sich selbst. Dummerweise merkten das langsam auch die ersten seiner Kunden, die verschiedenen Anleger, die auf ihn und seine Fonds gesetzt hatten. Van Damme war 48 und ein absoluter Selfmademan. Nach einer Banklehre arbeitete er von 1987 bis 1993 bei der Sparkasse in Heidelberg. 1993 wechselte er zur kleinen Privatbank Feldmann & Partner in Stuttgart, wurde dort Anlageberater, durchlief eine steile Karriere und hatte 2001 die große Chance auf einen Platz im Vorstand. Nach undurchsichtigen Geschäften, für die er verantwortlich zeichnete und aus denen ich ihm nicht heraus half, trennten sich nach einer Schlammschlacht die Wege Van Dammes und der Bank, er machte sich als Anlageberater selbstständig. 2007 und 2008 legte er seine ersten beiden geschlossenen Fonds auf, die er erfolgreich verkaufte. 2009 konnte er die Villa am Killesberg erwerben, er war nun endgültig »jemand«. Er gehörte zum Establishment, war im Golfklub und in diversen Wirtschaftsverbänden gerne gesehen. Zumal Brigitte ganz in ihrer Rolle als »vorzeigbare, repräsentative Trophy Woman« aufging. Sie war seine Trophäe, sein persönliches Ausstellungsstück.
»Verdammt, wie komme ich da jetzt raus, was kann ich auf die Schnelle machen?«, murmelte er halblaut vor sich hin. Von Förster erwartete er keine größeren Probleme, der war ohnehin am Boden und noch nie besonders mutig gewesen. Der kannte auch wie die meisten anderen Gesellschafter keine Zusammenhänge. Aber einige der Typen fingen an, Schwierigkeiten zu machen. Vor allem der alte Obermüller, der dazu noch Anwalt war, tat blöd. Er gab zwar keine richtigen Drohungen von sich, wollte aber kurzfristig aussteigen, und das ging im Moment auf keinen Fall, das Geld dafür war nicht verfügbar. Edgar hatte in den vergangenen Jahren bei seinen bisherigen fünf Fonds nie mit offenen Karten gespielt. Er war genau den Weg gegangen, den erfolgreiche Betrüger schon vor ihm eingeschlagen hatten. Als eigentliche Fondsgesellschaft hatte er jeweils eine GmbH oder Ltd. mit gerade mal 25.000 Euro Kapital gegründet. Er hatte sich selbst nie an seinen Fonds beteiligt. Die weichen Kosten für Planung, Projektierung und Geldbeschaffung rund um das jeweilige Projekt waren künstlich extrem überhöht worden und total verschleiert, sodass sie kaum ein Interessent nachverfolgen konnte. Bei allen Maßnahmen landeten höchstmögliche Provisionen bei ihm, seine diversen Geschäftsführergehälter waren so hoch bemessen, dass die einzelnen GmbHs früher oder später pleite gehen mussten. Die Mietgarantie bestand nur im Prospekt für die Interessenten. Und sobald der Fonds voll war, hatte Edgar jegliches Interesse an seinen Fondsobjekten verloren. Einerseits hatte er sich in heruntergekommene, billige Immobilien eingekauft, diese aber als Topobjekte dargestellt, natürlich mit gefälschten Zahlen und völlig irrationalen Prognosen zu Wertsteigerung und Gewinnen. So kam zwar schnell viel Geld von den Anlegern rein, aber auf Dauer wurden die Erträge aus den Objekten zu niedrig, um die laufenden Renditen zu erwirtschaften und auszuschütten. Bis jetzt hatte er dieses Problem durch neue Einlagen, die er laufend akquiriert hatte, problemlos ausgleichen können.
Dies waren in letzter Zeit überwiegend Fondseinlagen auf sein neues Großprojekt in Polen, eine betreute Seniorenwohnanlage auf dem Land in der Nähe von Posen, herrlich an einem naturnahen Flüsschen gelegen. Allerdings nur auf den Fotos der Hochglanzbroschüre, die er für teures Geld bei einem verschwiegenen Grafiker bestellt hatte. Mit Photoshop und diversen 3D-Programmen konnte man nicht nur Models schlanker machen oder Oberweiten vergrößern, sondern auch nicht existierende Gebäude und fröhliche Bewohner naturgetreu und dreidimensional in Landschaften einbauen. In Wirklichkeit stand auf dem Gelände am Fluss nur eine ursprünglich bunte, inzwischen verwitterte, ausgebleichte Bautafel. Die Baustelle hatte noch nie Bauarbeiter gesehen. Ein Großteil der für dieses und die bestehenden Projekte eingegangenen Anlegergelder lag bereits sicher und anonym auf seinen beiden Konten und Depots auf Grand Cayman und in Panama. Bei kleinen unbekannten Banken, verschwiegen, diskret. Insgesamt mehr als vier Millionen Euro. Ein kleiner Teil war als »Spende« für einige Bauamtsmitarbeiter in Posen draufgegangen. Das ärgerte ihn zwar, aber es war unumgänglich. Der größte Teil der noch verfügbaren 200.000 seines Schwiegervaters war sicher in Lichtenstein angelegt. Ein bisschen was brauchte man schließlich »vor Ort«, schnell mal greifbar.
Er war ein Betrüger, das war ihm bewusst. Skrupellos, wie er war, machte ihm das allerdings nicht das Geringste aus. »Unehrlich halt doch länger«, bestätigte er sich gerne mal selbst nach einem guten Geschäft. Im Übrigen war er von sich so überzeugt, dass er sicher war, die ganze Geschichte weiterhin am Laufen halten zu können. Es müsste ihm nur gelingen, durch laufende neue Anlegergelder die entstehenden Löcher zu stopfen. »Aber dazu brauche ich Kohle, und zwar schnell und richtig viel« seufzte er vor sich hin. Er brauchte Kontakt zu Leuten, die erstens nicht fragten wozu, und zweitens den Druck hatten, ihr Geld rein zu waschen und vor dem Finanzamt zu verstecken. Die zunehmenden Aktivitäten der Finanzbehörden gegen Steuerhinterziehung spielten Edgar geradewegs in die Karten. Er hatte stets Lösungen parat und dabei keinerlei Skrupel, die reichen Bonzen über den Tisch zu ziehen, diese Schönheitschirurgen, Zahnärzte, Psychiater und Halbweltgötter. Die waren aus seiner Sicht keinen Deut besser als er. Sie betrogen und wurden wieder betrogen. So lief nun mal die Welt.
Zuerst aber benötigte er einen schnellen Überbrückungskredit für die größten Schreier. Er wusste, wo er dafür hinmusste. Nach zwei Telefonaten hatte er einen Termin. Wobei ihm eines auch klar war. Nach diesem Besuch durfte er nicht mehr allzu lange warten, um sich zu verdünnisieren. Seine Fonds waren weitgehend pleite, was nur wenige der Gesellschafter wussten oder ahnten, die Banken liefen sich bereits warm, um sich das meiste zu schnappen und abzuwickeln und die nur virtuell vorhandene Existenz der Seniorenwohnanlage konnte er nicht mehr lange verheimlichen. Aber er musste jetzt ein paar wichtige Löcher stopfen, um Zeit zu gewinnen. Und gleichzeitig die Staatsanwaltschaft etwas länger hinhalten. Es wurde eng, aber solche Situationen hatte er schon mehrfach gemeistert.
»Auf in den Kampf, Edgar!«