Читать книгу Im Bann der Rache - Hans Bischoff - Страница 5
ОглавлениеFreitag, 19. September 2014, Stuttgart
Ich hatte nicht gehört, wie der andere hereingekommen war. Es interessierte mich auch nicht. Es war klar, wer und was kommen würde. Und warum. Deshalb drehte ich mich erst von meinem riesigen 27-Zoll Bildschirm weg, als der Lichtschalter ein leichtes Klicken von sich gab und mich die plötzliche gleißende Helle der Deckenstrahler blendete.
»Hallo mein Lieber, immer noch am Tüfteln?«
Ich drehte mich langsam ein Stück weit um. Edgar lehnte grinsend am silbrig glänzenden Metallrahmen der Bürotür, der mir Lichtblitze in die Augen spiegelte. Ich musste blinzeln.
»Was interessiert denn Dich das noch, Edgar van Damme, Du verlogenes Finanzgenie?«
Van Damme verzog das Gesicht zu einer Grimasse. »Du hast Dich eben verzockt, Du Computerfreak. Hättest eben doch besser bei Deinen Apps bleiben sollen. Aber man ist halt so gierig.« Edgar drückte sich aufreizend langsam um den Schreibtisch herum. »Und jetzt sind die teuren Spielzeuge weg, dumm gelaufen.«
Ich war innerlich am Platzen, versuchte aber, ruhig zu bleiben. »Du weißt ganz genau, wem ich das zu verdanken habe, Du Arschloch. Du hast mir die Anlagen mundgerecht serviert, alles easy, kann überhaupt nichts schiefgehen. Und ich Blödmann habe Dir vertraut. So vertraut, dass Du auch noch meine Firma ausbluten konntest«, sagte ich eher zu mir als zu ihm. »Nur damit Du Deinen Hass ausleben kannst.«
Edgar setzte seinen gewohnt überlegenen Gesichtsausdruck auf. Die Augen nach oben verdreht zeigte dies, und so gut kannte ich ihn, dass er seinen Gesprächspartner für einen Idioten hielt. »Du redest Scheiße, wenn Du Dein Maul aufmachst. Aber jetzt ist hier Schluss, morgen bist du draußen. Und übrigens, Deine Beschuldigungen wirst Du nie beweisen können, ich war nämlich schon immer schlauer als Du. Ich wusste das damals schon, vor dreizehn Jahren, weißt Du noch? Als Du meintest, mich gegen Brigitte ausspielen zu können und mich sitzen ließest, als ich Dich gebraucht hätte. Ich hab's Dir damals gesagt und jetzt habe ich‘s Dir gezeigt.«
Edgar beugte sich über meinen Bildschirm und deutete mit dem Zeigefinger auf die verschiedenen Ordner auf dem Desktop.
»Finger weg!«
»Und denke nicht einmal dran, von hier irgendwelche Daten abzugreifen und einzupacken, die ganze Chose hier gehört mir. Ich habe alles aus der Konkursmasse aufgekauft, das Zeugs hier ist alles meins, merk Dir das! Jetzt haue ich wieder ab.«
Mit diesen salbungsvollen Worten drehte er sich auf dem Absatz herum, stolzierte aus dem Büro raus und reckte den Mittelfinger der rechten Hand nach oben. Ich saß da wie versteinert. Ich wusste ja, dass es genau so kommen würde. Seit Tagen schon war klar, er würde hier alles übernehmen, Inventar, Technik, Daten. Auch das Büro, das ich ebenfalls von ihm gemietet hatte. Drei kleinere Räume sowie eine Toilette. Weiß gestrichen, mit dunklem Parkettboden und jeweils mit einem fast raumhohen Fenster versehen. Eines der Zimmer war mit einem großen Glastisch, sechs bequemen schwarzen Lederstühlen, einer Glasvitrine und einem 55-Zoll-Bildschirm für Präsentationen ausgestattet, sogar mit der neuesten Ultra-HD-Technik. In einem weiteren Raum waren eine kleine Küche sowie Einbauschränke für Akten und Büromaterial untergebracht. Im dritten Zimmer arbeitete ich. Nur mein großer Schreibtisch, eine Ablage, meine kleine Nespresso-Kaffeemaschine und zwei Rechner standen hier. Und nichts davon gehörte noch mir.
Edgar hatte es geschafft. Er war gezielt vorgegangen, seit ich ihm im Sommer 2001 die Unterstützung bei seiner Veruntreuung verweigert und Brigitte in seine diversen Affären eingeweiht hatte. Ich konnte es zu der Zeit nicht mehr mit ansehen, wie er meine Tochter hinterging. Das Verhältnis zwischen Edgar und mir war seitdem nur noch nach außen herzlich. Wir arrangierten uns jedoch und die Sache geriet in den folgenden Jahren in Vergessenheit. Jetzt wusste ich, es schien nur so. Zuerst hatte er mich mit hochriskanten Anlagen über den Tisch gezogen und dann trieb er mich auch noch dadurch in den Ruin, dass ich ihn vertrauensvoll meine gesamten Finanzen machen ließ. Dass er dazu noch betrügerisch einige meiner Apps auf seinen Namen registrieren ließ, schlug dem Fass den Boden aus. Ich hatte nichts mehr, niente, nada, rien ne va plus! Das Schlimmste an allem war jedoch, dass ich mir selber sagen musste, »Du warst und bist ein absoluter Idiot!«
Wenn ich ehrlich war, völlig selber schuld. Wie blöd konnte man denn eigentlich sein? Ich hatte ihm total vertraut, nun ja, Familie eben. Und selber war ich ein absoluter Träumer, naiv, unfassbar naiv. Ich hing nur Tag für Tag über meinen digitalen Meisterwerken, konzentrierte mich ausschließlich auf meine Arbeit und war froh, mich um nichts anderes kümmern zu müssen. Die große Chance dabei über den Tisch gezogen zu werden, wäre für Menschen mit normaler Intelligenz vorhersehbar gewesen, anscheinend nicht für mich. Sollte mir zu denken geben. Blödmann. Trotzdem war diese »Verabschiedung« ein harter Schlag in die Magengrube und er tat verdammt weh. So abserviert zu werden, war fast nicht zu ertragen. Ich war am Ende. Privat und geschäftlich pleite, ruiniert. Mein Büro war weg, meine Technik, mein Konto war leer, nur die Schulden waren da. Von der Bank gabs nichts mehr, der Gang zum Amtsgericht vor drei Tagen war der logische letzte Schlag. Knockout! Fünf Schritte zum Versager, vielleicht sollte ich ein Buch schreiben, den Titel hätte ich schon.
Nach dem Studium arbeitete ich bei mehreren großen IT-Unternehmen, war Freelancer und machte mich 1993 als Softwareentwickler selbstständig. 2000 wurde daraus die Peter Förster IT GmbH mit Sitz in Stuttgart. Nina und ich hatten 1969 sehr früh geheiratet, unsere Tochter Brigitte kam im selben Jahr zur Welt. 1986, mit nicht mal ganz achtzehn, sie hatte gerade das Abitur bestanden, wurde sie von Edgar geschwängert. Jasmin, mein Enkelkind wurde 1987 geboren. Edgar und Brigitte heirateten dann erst drei Jahre später. Vor gut sieben Jahren verstarb meine Frau Nina, der Krebs hatte sie bereits mit knapp vierundfünfzig eingeholt. Sie kämpfte noch eine ganze Weile, aber sie verlor. Es war eine schlimme Zeit, für uns beide. Ich musste hilflos zusehen, wie sie Tag für Tag langsam starb.
In der Zeit danach konzentrierte ich mich ausschließlich auf meine Arbeit, ich stürzte mich praktisch rein. Vierzehn Stunden und mehr brütete ich vor dem Rechner an meinen digitalen Computerspielen sowie an speziellen Softwarelösungen, meist für die Anbieter dieser Spiele. Ich war gut im Geschäft und verdiente gutes Geld. Kontakte zur Außenwelt beschränkten sich weitgehend auf Kundengespräche und einzelne Treffen mit der Familie, vor allem mit Brigitte und den Kindern. Edgar war selten dabei. Dazwischen war ich oft auf Geschäftsreise unterwegs zu Kundenterminen. All dies half mir einigermaßen mit der Situation fertig zu werden, mir fehlte die Zeit, um über den Schicksalsschlag nachzudenken, der Ninas frühen Tod herbeigeführt hatte. In dieser Phase kümmerte ich mich praktisch nicht mehr um meine eigenen Finanzen, um Buchhaltung und Finanzamt. Die Mahnungen wurden ständig mehr. Ich war nicht nur organisatorisch überfordert. Ich war Entwickler, ein Spielefreak, aber kein Unternehmer. Als meine Probleme immer sichtbarer wurden, bot mir Edgar großzügig an, sich um diesen Bereich zu kümmern. Er war seit einigen Jahren als Anlageberater erfolgreich selbstständig und war sich sicher, dass er diese Aufgabe als Nebenjob für mich übernehmen könnte. Ich war begeistert, hatte ich diesen Scheiß endlich weg und in guten Händen. Er war das Finanzgenie und kannte sich auch mit Steuern aus. So wurde Edgar im Sommer 2009 ganz offiziell zu meinem persönlichen Finanzchef. Ich überließ ihm praktisch alles, bis hin zur Kontovollmacht. Schließlich musste er ja Überweisungen machen und Zahlungen vornehmen können. Persönlich hatten wir zu diesem Zeitpunkt einen guten und engen Draht zueinander. Eitel Freude Sonnenschein, so sah es zumindest aus. Das Ganze gab mir wieder etwas Halt nach dem Verlust meiner Frau, es ging mit mir bergauf. Auch mit meinen geschäftlichen Erfolgen. Umsatz und Gewinn waren im Steigflug begriffen, ich hatte bei ein paar hoffnungsvollen Rennern die Finger drin.
Eines Tages, im März 2010 stand dann plötzlich Edgar im Büro.
»Hey Alter, wir müssen reden, hast Du kurz Zeit für mich?«
»Kein Problem, leg los, was hast Du auf dem Herzen?«
»Wir sollten uns langsam damit beschäftigen, darüber nachzudenken, was wir mit Deiner Kohle anstellen. Du hast die drei letzten Jahre richtig gut verdient und wir haben das meiste in der Firma drin gelassen. Das wird jetzt zu viel und muss raus. Du hast keinen Ertrag aus den flüssigen Mitteln, die momentan nur faul rumliegen, statt zu arbeiten« erläuterte Edgar.
»Was sollen wir Deiner Meinung nach tun?«, fragte ich.
Edgar lachte anzüglich. »Du weißt, dass ich ein paar richtig gute Pferdchen am Laufen habe, also ausnahmsweise keine Mädels in der Altstadt, was ja auch nicht schlecht wäre, sondern echt starke Fonds. Geschlossene Immobilienfonds, die ich selber aufgelegt habe und die ich selber und ausschließlich in der Hand habe.«
»Was bedeutet das dann? Was bringt mir das und wie funktionieren diese Fonds?« Ich hatte keine Ahnung von Geldanlagen, von geschlossenen oder offenen Immobilienfonds schon gar nicht, und nie mit Edgar darüber gesprochen. Es hatte mich nie interessiert. Ich konnte mich ja erfolgreich hinter meinem Mac und finanziell hinter Edgar verkriechen.
»Ich erkläre es Dir kurz, aber nur ganz kurz. Ich gründe eine Fondsgesellschaft, lege einen Fonds auf, sammle Geld von Investoren ein und investiere es in bombensichere Gewerbeimmobilien mit hoher Rendite, Mietgarantie und allem was dazu gehört, um den Fonds für die Gesellschafter interessant zu machen. Also Ladenzentren, Kliniken, Hotels, Bürogebäude und die ein oder andere hochwertige Wohnanlage. Gut gemischt wegen der Risikostreuung. Ich investiere also nicht in irgendwelche Aktienfonds oder andere undurchsichtige Geschichten, sondern uns gehören Topimmobilien in erstklassigen Lagen. Du weißt vielleicht, bei einer Immobilie zählen drei Dinge: Lage, Lage und noch einmal Lage. Und ich habe mit die besten, viele in den neuen Bundesländern, wo eben immer noch viel investiert wird und Zuwächse da sind, aber auch in Polen. Seit sie in der EU sind streben die dort drüben ganz nach oben, da geht richtig die Post ab, und ich bin dabei. Mit Dir, wenn Du willst. Rendite vor Steuern von Anfang an zwischen sieben und zehn Prozent, jedes Jahr! Bei anderen Anlagen kriegst Du gerade noch zwei oder drei lausige Prozentchen. Und am Schluss nach fuffzehn Jahren, wenn die Immobilie verkauft wird, ein toller Schlussgewinn für jeden Anleger.«
Er war während seines kurzen Vortrags vor meinem Schreibtisch umher getrabt und selbst richtig euphorisch geworden. Begeistern konnte Edgar schon immer. Er war ein begnadeter Verkäufer, authentisch, man glaubte ihm, was er sagte. Dummerweise ich auch.
»Peter, lass uns Deine zweihunderttausend nehmen und sinnvoll anlegen. Sicher und mit Riesenrendite. Du weißt, Du kannst voll auf mich setzen und ich zeige Dir höchst persönlich die Objekte in meinen Fonds. Ich fahre zum einen oder anderen mit Dir hin, ich will, dass Du genauso überzeugt bist wie ich. Und wie meine vielen anderen Anleger, die jetzt schon im dritten Jahr richtig Kohle machen. Wir lassen auf jeden Fall genug liquide Mittel liegen, dann bist Du immer voll flüssig. Aber den großen Batzen solltest Du wirklich arbeiten lassen, nicht rumliegen. Weil so wird der Batzen eher kleiner als größer, und das muss wirklich nicht sein. Du hast ihn Dir hart erarbeitet.«
»Du bist mein Finanzgenie, wenn Du das ...«
Peter unterbrach mich. »Was ich noch sagen wollte, wir haben jährliche Gewinnausschüttung, immer im September, jeweils auf den Tag genau.«
Ich musste später zugeben, dass er mich schon richtig heißgemacht hatte. Mein rationales Denken war spürbar reduziert, es versagte, war auf Off geschaltet. Der Bauch dagegen sagte ja.
»Also, wenn Du das so sagst, dann machen wir das auch, ich hab eh‘ keine Ahnung. Aber mach bloß keinen Mist, Du kennst ja meine Finanzen. Wenn die zweihundert weg sind, ist nicht mehr viel da. Ich habe schließlich keine Immobilien. Und mein einziger sonstiger Besitz kostet nur Geld und bringt nichts«, entgegnete ich ihm.
Er kostete zwar regelmäßig Geld, aber er war schon ein geiles Teil, mein alter Mercedes SL mit dem Pagodendach, in rot, beige Sitze in Leder. Edgar behauptete immer wieder, wenn er mich damit sah, »gib die alte Nuttenschleuder doch endlich ab und fahre was Aktuelles, von mir aus auch wieder einen Benz. Einen, der nicht dauernd stehen bleibt«. Natürlich hatte er nüchtern betrachtet recht, aber ich liebte diesen Oldtimer, an dem man immer wieder rum schrauben musste, selbst wenn er mich zwischendurch mal im Stich ließ. Wir werden auch nicht jünger und fitter, sagte ich mir. Ich hatte ihn schon vor sechs Jahren durch Zufall in Köln entdeckt, als ich einen Kunden besuchte. Er stand da in einem Malerbetrieb, vor dem ich parkte, war abgemeldet und sah hässlich aus. Staubig, mit nur drei Rädern. Das fehlende Vierte war durch Ziegelsteine ersetzt. Ich hatte mich sofort verliebt, ging spontan ins Büro des Chefs, fragte, wie viel er wolle und wir waren schnell einig. Natürlich hatte ich viel zu viel bezahlt, aber ich brauchte zu diesem Zeitpunkt unbedingt eine neue Liebe. Und da es keine Frau sein konnte, so weit war ich in meinem Witwerdasein noch nicht, wurde es eben der SL. Edgar unterbrach mich bei meinen Gedanken.
»Peter, ich garantiere Dir, wir werden die Finanzwelt rocken mit diesem Fonds und Du bist dabei, ok?«
»Ja, ich mache es. Bleibt ja in der Familie. Aber mach bloß keinen Scheiß, weil dann stehe ich auf der Straße und Du kannst mich verhalten!«
»Ok, wenn's schief geht, kommst Du zu uns zum Essen. Falls ich dann noch was zu knabbern habe.« Edgar lachte aus vollem Hals. »Ich lade Dich aber auch so ein, auf jeden Fall hauen wir jedes Jahr im September so richtig rein und lassen die Puppen tanzen. Dann kommst Du auch wieder mal raus aus Deiner Bude!«
Und schon war er wieder weg, immer auf Achse, stets voll auf Speed. Manchmal überlegte ich mir, ob er Drogen nimmt, zugetraut hätte ich es ihm. Ich war jetzt also Mitbesitzer von Bürohäusern und Supermärkten. Toll! Er wird es schon richten, redete ich mir ein, um mich zu beruhigen. Aber bisher war er erfolgreich mit allem, was er anfing. Also Peter, sei Optimist, es wird schon gut gehen. Und acht Prozent jedes Jahr, da lässt sich so manches damit anfangen. Mit meiner drei Tage später erfolgten Unterschrift war ich Mitgesellschafter zweier Fonds. Einer betrieb eine Klinik in Erfurt, der andere sanierte ein Ladenzentrum in Chemnitz.
Jeder normal denkende Mensch hätte sofort abgewunken und »niemals« gerufen, ich jedoch nicht. Ich steckte in den letzten Entwicklungsschritten einer Erfolg versprechenden Spieleapp, als Edgar mir ein Jahr später vorschlug, »Der Fonds läuft wie geschmiert, lass uns über einen Kredit zusätzlich einsteigen. Der kostet Dich bei den derzeitigen Zinsen weit weniger, als der Fonds abwirft!« Im Nachhinein musste ich zugeben, ich hatte gar nicht richtig hingehört und das Ganze mehr oder weniger abgenickt. Es lief ja alles, was er bisher vorgeschlagen hatte. Und so nahm Edgar für mich einen Kredit über 200.000 Euro auf, den er in seinem neuesten Fonds investierte. Einer Seniorenwohnanlage in der Nähe von Posen, in Polen. Zweieinhalb Prozent Zins standen acht bis neun Prozent sicherer Rendite gegenüber. Nun denn, vielleicht ziehe ich da später mal hin, dachte ich mir, sieht richtig schön aus, das moderne Objekt im Grünen am Fluss.
Die ersten drei Gewinn-Ausschüttungen, 2011, 2012 und 2013, kamen auf den Tag genau. Edgar, der große Zampano, lud mich ein. Wir zogen um die Häuser in der Stuttgarter Szene und hatten jeweils einen wilden Abend miteinander, machten diverse Bars unsicher, alles lief glänzend, wie vorhergesagt. Für mich waren diese Nächte wie Balsam auf meine geschundene Seele, ich kam einfach mal wieder raus. Edgar ließ jedes Mal seinen alten Witz vom Stapel und lachte sich dabei halb tot.
»Ohne die eigene Frau ist es doppelt so schön und halb so teuer!«
Auf die Idee, mal nachzufragen, wie es um die Investitionen stand, war ich nie gekommen. Es lief ja, mir ging es blendend, die Geschäfte liefen gut, alles paletti. Im zweiten Jahr brüstete sich Edgar ziemlich besoffen mit seinen Millionen, die er bisher mit den Fonds verdient hätte. Er hörte gar nicht mehr auf, von tollen Steuerparadiesen zu faseln, wäre auf Dauer auch was für mich.
»Da müssen wir ran« meinte er und grinste anzüglich. »Du glaubst gar nicht, was da abgeht, geile Sache«. Er würde aus meinen Beteiligungen Millionen machen, wenn ich ihn ließe. »Dann kämst Du auch mal auf die Caymans, ha, ha, wär‘ doch was!«
2014 kam ich nicht ins Steuerparadies auf den Karibikinseln, sondern es kam der Bruch. Statt der Ausschüttung tauchte im Juli Edgar persönlich bei mir im Büro auf. »Hey Alter, wie geht es Dir? Alles ok?«
Ich konnte nicht mal antworten, so schnell redete er weiter.
»Houston, wir haben ein kleines Problem. Aber es ist alles lösbar, keine Angst, nichts ist passiert, der Fonds ist sicher. Aber wir haben im großen Ladenzentrum und in der Klinik hohe Mietausfälle durch Insolvenzen. Das hast Du nie im Griff, dass da mal einer über den Jordan geht. Ich bin aber schon an neuen Verträgen dran, teilweise mit sehr solventen Mietinteressenten. Und wir haben auch noch unsere Mietgarantie. Keine Panik deshalb. Aber ich kann im Moment nicht ausschütten, es wird später werden. Keine Sorge, es wird garantiert nichts passieren, ich bin da sicher. Nur jetzt gerade besteht eine gewisse Liquiditätslücke. Im nächsten Jahr haben wir das gelöst. Ich brauche natürlich Dein Verständnis. Von den meisten anderen Anlegern habe ich schon die Zusicherung, dass sie keine Gelder abziehen, das passt alles. Ich hoffe, Du siehst das ebenso.«
Ich war ziemlich vor den Kopf gestoßen wegen dieser plötzlichen Situation. »Ja bist Du sicher, dass Du das wieder hinkriegst, oder kommt da noch was nach?«
»Sei unbesorgt, alles in Ordnung, nur eben jetzt kommt nichts, es ist aber nichts verloren, nur dieses Jahr nichts gewonnen.«
Wenn man es so sah, hatte er sogar recht.
»Unseren Trip durchs Stuttgarter Nachtleben machen wir im September trotzdem, Du bist natürlich eingeladen. Ich muss jetzt aber schnell wieder raus, der nächste Besuch liegt an, bei einem etwas schwierigen Kunden. Aber, das gehört eben auch dazu, weißt Du ja selber. Tschüs, ich melde mich.«
Und weg war er. Damit sollte mein letztes persönliches und freundschaftliches Gespräch mit Edgar beendet und meine baldige Pleite besiegelt sein. Zu diesem Zeitpunkt konnte ich das allerdings noch nicht mal ahnen.