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I.Abschluss des Arbeitsvertrags 1.Einigung
Оглавление172Niemand kann gezwungen werden, überhaupt einen Vertrag oder einen Vertrag mit einer bestimmten Person abzuschließen. Das gilt auch für den Arbeitsvertrag. Dieser besteht – wie jeder andere Vertrag auch – aus inhaltlich übereinstimmenden Willenserklärungen, nämlich Angebot und Annahme (§§ 145 ff. BGB; ErfK/Preis, § 611a Rn. 240; zu den allgemeinen Vertragsvoraussetzungen Brox/Walker, BGB AT, § 8 Rdnr. 1). Das Zustandekommen eines Arbeitsvertrags setzt eine Vereinbarung über die zu erbringende Arbeitsleistung und grundsätzlich auch über die Vergütung voraus (§ 611a Abs. 1 BGB; vgl. Brox/Walker, BS, § 19 Rdnr. 18). Die Arbeitspflicht wird im Einzelnen durch das Weisungsrecht des Arbeitgebers (Rdnr. 156 ff.) näher bestimmt. Sofern die Höhe der Vergütung im Arbeitsvertrag nicht geregelt ist oder sogar überhaupt keine Vereinbarung über eine Vergütung getroffen wurde, ist nach § 612 Abs. 1, Abs. 2 BGB die taxmäßige bzw. übliche Vergütung als vereinbart anzusehen (zur Frage, ob bei angestellten Rechtsanwälten in Großkanzleien die Vergütung von Überstunden erwartbar i. S. v. § 612 Abs. 1 BGB ist, vgl. BAG NZA 2011, 1335). Ist eine Vergütung unterhalb des Mindestlohnanspruchs vereinbart, nicht jedoch die Grenze zur Sittenwidrigkeit erreicht, ist weiterhin § 612 Abs. 2 BGB anwendbar (ERfK/Preis, § 1 MiLoG Rn. 3 c; Däubler, NJW 2014, 1924, 1927). Allerdings ergibt sich, wie bei jedem Arbeitsverhältnis, der Anspruch auf den unabdingbaren Sockellohn in Höhe des jeweiligen Mindestlohnes aus dem MiLoG.
Eine Stellenausschreibung (Zeitungsanzeige im Fall a) ist kein Angebot, sondern nur eine Aufforderung an andere, ihrerseits ein Angebot zu machen (invitatio ad offerendum); denn es fehlt erkennbar ein Rechtsbindungswille (Brox/Walker, AT, § 8 Rdnr. 2). Demnach gibt der Stellenbewerber das Angebot ab, das angenommen oder abgelehnt werden kann. In Fall a steht es also im Belieben der GmbH, das Angebot des X zu akzeptieren oder es abzulehnen.
173a) Ausschreibung. Schreibt der Arbeitgeber eine offene Stelle durch eine Zeitungsanzeige oder im Betrieb aus, so darf die Ausschreibung niemanden wegen eines in § 1 AGG genannten Merkmales benachteiligen (§§ 11, 7 Abs. 1 AGG), es sei denn, dass eine unterschiedliche Behandlung unerlässlich ist, weil das Merkmal eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung für die ausgeschriebene Stelle darstellt (§§ 8 ff. AGG, z. B. Sopranistin, Lehrerin für Nachtaufsichtsdienste in einem Mädcheninternat, Herrenmannequin, männliche bzw. weibliche oder altersabhängige Theaterrolle). Diese Ausnahmen sind eng auszulegen. Nach dem BAG ist auch für Gleichstellungsbeauftragte kein bestimmtes Geschlecht erforderlich (BAG NZA 1999, 371; a. A. Hanau, ZIP 2006, 2189, 2198). Ein Verstoß des Arbeitgebers gegen § 11 AGG ist nicht unmittelbar sanktioniert. Er kann jedoch ein Indiz für eine verbotene Benachteiligung nach § 7 AGG sein, die ihrerseits Entschädigungs- und Schadensersatzansprüche gem. § 15 AGG gegen den Arbeitgeber nach sich ziehen kann (hierzu Rdnr. 360). Nicht eingestellte Bewerber haben jedoch keinen Einstellungsanspruch (§ 15 Abs. 6 AGG). Die Entschädigung darf im Falle einer Nichteinstellung zudem drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der Bewerber auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre (§ 15 Abs. 2 Satz 2 AGG). Die Benachteiligungsverbote des AGG dürfen zu keinem faktischen Kontrahierungszwang führen.
Im Fall a hat der Arbeitgeber mit seinem Inserat „Schneidermeister“ gegen § 11 AGG verstoßen. Durch den Zusatz „(m/w)“ oder durch die Formulierung „Schneidermeister/in“ hätte der Arbeitgeber die Ausschreibung (geschlechts-)neutral gestalten können. Die Vorgabe in der Ausschreibung, wonach der sich bewerbende „Schneidermeister“ zwischen 30 und 40 Jahre alt sein muss, ist zudem eine unzulässige Diskriminierung wegen des Alters.
174b) Bewerbung. Die Bewerbung begründet ein vorvertragliches Schuldverhältnis (§ 311 Abs. 2 BGB) zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber mit beiderseitigen Pflichten, die sich aus den jeweiligen Besonderheiten ergeben, etwa Schutzpflichten, Diskretions-, Offenbarungs- und Kostenerstattungspflichten (Rdnr. 219 f.).
175c) Abschlussgebote können sich aus Gesetz, Kollektivvereinbarung oder Einzelarbeitsvertrag ergeben. Die Vertragsfreiheit wird durch Abschlussgebote und Abschlussverbote eingeschränkt.
(1) Gesetzliche Abschlussgebote bestehen zugunsten besonders schutzbedürftiger Personengruppen. Allerdings ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, das Angebot eines bestimmten Stellenbewerbers anzunehmen.
Eine Sonderform eines gesetzlichen Abschlussgebots enthält z. B. das SGB IX. Danach sind private und öffentliche Arbeitgeber (mit mindestens 20 Arbeitsplätzen) dem Staat gegenüber verpflichtet, auf wenigstens 5 Prozent der Arbeitsplätze Schwerbehinderte zu beschäftigen (vgl. §§ 71 ff. SGB IX); als Druckmittel zum Abschluss von Arbeitsverträgen mit Schwerbehinderten sieht das Gesetz Ausgleichsabgaben (§ 77 SGB IX) und Geldbußen (§ 156 SGB IX) vor. Die Einstellungspflicht besteht als öffentlich-rechtliche Pflicht jedoch nicht gegenüber dem einzelnen Schwerbehinderten. Der schwerbehinderte Bewerber hat also keinen Anspruch gegen einen bestimmten Arbeitgeber auf Abschluss eines Arbeitsvertrags (Fall a).
Im Fall b hat F wegen § 15 Abs. 6 AGG keinen Einstellungsanspruch (vgl. Rdnr. 187).
(2) Auch in Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen können Abschlussgebote normiert sein.
Beispiel: Eine tarifvertragliche Klausel verpflichtet tarifgebundene Arbeitgeber, eine bestimmte Anzahl Auszubildender nach erfolgreichem Abschluss ihrer Ausbildung in ein Arbeitsverhältnis zu übernehmen.
Sieht eine Kollektivvereinbarung vor, dass die Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis aufgrund eines bestimmten Ereignisses (z. B. durch Kündigung) beendet worden ist, bei nachträglichem Wegfall des Beendigungsgrundes wieder eingestellt werden sollen (sog. Wiedereinstellungsklausel), hat der einzelne Arbeitnehmer einen Anspruch gegen den Arbeitgeber auf Neuabschluss des Arbeitsvertrags.
(3) Schließlich kann sich ein Abschlussgebot aufgrund einer nachwirkenden Pflicht aus einem beendeten Arbeitsvertrag ergeben.
Beispiele: Der Arbeitgeber hat einem Arbeitnehmer wegen des Verdachts einer strafbaren Handlung wirksam gekündigt. Stellt sich später die Unschuld des Arbeitnehmers heraus, ist der Arbeitgeber u. U. zur Wiedereinstellung verpflichtet (Einzelh.: Rdnr. 649 f.; allg. zum Wiedereinstellungsanspruch nach wirksamer Kündigung: Oberhofer, RdA 2006, 92). Ein Wiedereinstellungsanspruch kann sich nach einer betriebsbedingten Kündigung auch daraus ergeben, dass entgegen einer geplanten Betriebsschließung der Betrieb doch fortgeführt wird (BAG AP Nr. 14 zu KSchG 1969 § 1 Wiedereinstellung) oder es zu einem Betriebsübergang kommt (BAG NZA 2009, 29). Bei befristeten Arbeitsverhältnissen besteht grundsätzlich kein Wiedereinstellungsanspruch (BAG NZA 2002, 896). Eine Ausnahme gilt, wenn dem befristet eingestellten Arbeitnehmer – z. B. für den Fall seiner Bewährung – die unbefristete Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses in Aussicht gestellt worden ist (BAG NZA 2003, 153).
176d) Der Wirksamkeit der Einigung kann ein Abschlussverbot entgegenstehen. Gesetzliche Abschlussverbote bezwecken meist den Schutz bestimmter Personengruppen.
Beispiele: Beschäftigungsverbote für Kinder und Jugendliche (§§ 2, 5, 22 ff. JArbSchG). Aus arbeitsmarktpolitischen Gründen dürfen Ausländer (mit Ausnahme insbesondere von EU-Bürgern) ohne Arbeitserlaubnis der Bundesagentur für Arbeit grundsätzlich nicht beschäftigt werden (§ 284 SGB III, §§ 4 Abs. 3, 18 ff. AufenthG). Besondere Bestimmungen zur Fachkräfteeinwanderung nach §§ 18 ff. AufenthG sind zum 1.3.2020 in Kraft getreten.
Abschlussverbote können auch in einem Tarifvertrag (§§ 1, 4 TVG) enthalten sein. Aus Betriebsvereinbarungen (§ 77 Abs. 3 BetrVG) kann allerdings kein Abschluss, sondern lediglich ein Einstellungsverbot folgen, denn die Regelungskompetenz des Betriebsrats umfasst nicht den Vertragsschluss mit außenstehenden Bewerbern. Das Einstellungsverbot lässt die Wirksamkeit eines abgeschlossenen Arbeitsvertrages unberührt; es gibt dem Betriebsrat lediglich die Möglichkeit, im Rahmen seiner Mitbestimmung die Zustimmung zur Einstellung zu verweigern (§ 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG; str.; a. A. Fitting, § 99 Rdnr. 278).
Beispiel: Verbot, über eine bestimmte Höchstzahl hinaus Auszubildende einzustellen.