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II.Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AEntG)
Оглавление167Werden Arbeiten im Inland von ausländischen Unternehmen mit Arbeitnehmern ausgeführt, die nach den ausländischen Tarifen – die oftmals weit unterhalb der deutschen Löhne liegen – bezahlt werden (z. B. polnische Firmen mit polnischen Bauarbeitern nach polnischen Löhnen in Berlin), weil der Schwerpunkt der Arbeitsverhältnisse trotz der „Entsendung“ nach Berlin in Polen liegt, so kann ein Verdrängungswettbewerb für deutsche Unternehmen und Arbeiter entstehen. Das (ökonomisch umstrittene) Arbeitnehmerentsendegesetz verfolgte ursprünglich das Ziel, sicherzustellen, dass für Arbeiten in bestimmten Branchen, die zwingend in Deutschland ausgeführt werden müssen (z. B. muss das Haus in Deutschland gebaut, die Reinigungsarbeit in einem deutschen Gebäude durchgeführt oder ein deutscher Betrieb bewacht werden), einheitliche Arbeitsbedingungen nach deutschen Tarifverträgen gelten sollen. Zu diesem Zweck ermöglichte es die Erstreckung der einschlägigen Tarifverträge auf alle in- und ausländischen Arbeitgeber, die Arbeitnehmer in Deutschland beschäftigen.
168Das ursprünglich auf das Bauhaupt- und -nebengewerbe beschränkte AEntG wurde in einem ersten Reformgesetz zunächst auf das Gebäudereinigerhandwerk und Briefdienstleistungen ausgedehnt, bevor mit Gesetz v. 20.4.2009 eine grundlegende Novellierung erfolgte und zahlreiche neue Branchen einbezogen wurden (dazu Sittard, NZA 2009, 346). Nach weiteren Korrekturen ist schließlich mit dem sog. Tarifautonomiestärkungsgesetz vom 11.8.2014 eine Tarifnormerstreckung in grundsätzlich jeder Branche ermöglicht worden, so dass das AEntG heute der Sache nach ein Branchenmindestlohngesetz ist. Die durch Rechtsverordnung erstreckten tariflichen Mindestlöhne überlagern im Sinne eines zweistufigen Systems den allgemeinen Mindestlohn nach dem MiLoG. Das Ziel der Verhinderung eines Verdrängungswettbewerbs über die Lohnkosten ist in den Hintergrund getreten.
Voraussetzung der Tarifnormerstreckung ist gem. § 3 AEntG entweder die – jetzt nur noch im Baubereich mögliche – Allgemeinverbindlicherklärung des jeweiligen Tarifvertrags oder im Regelfall eine Rechtsverordnung. §§ 7, 7a AEntG ermächtigen das Bundesministerium für Arbeit und Soziales durch Rechtsverordnung zu bestimmen, dass die Rechtsnormen des entsprechenden TV auf alle unter den Geltungsbereich dieses TV fallenden und nicht tarifgebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer Anwendung finden.
Aus rechtspolitischer Sicht ist es problematisch, dass Tarifnormen (anders als bei der Allgemeinverbindlicherklärung gem. § 5 TVG) sogar gegen das Mehrheitsvotum des Tarifausschusses, in dem die Spitzenorganisationen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer vertreten sind, auf bisher Tarifungebundene erstreckt werden können (dazu Henssler, RdA 2015, 43). Noch verschärft wird die Tarifnormerstreckung mit Inkrafttreten der Regelungen der Änderungsrichtlinie zur Entsenderichtlinie (Richtlinie (EU) 2018/957) vom 28.6.2018 (Rdnr. 109). Künftig soll ein gesetzlicher Rahmen geschaffen werden, der die Tarifvertragsparteien – unter Beachtung der Tarifautonomie – zur Erstreckung von Entlohnungsvorschriften auf entsandte Arbeitnehmer zwingen soll. Damit werden entsendende Unternehmen zukünftig an sämtliche Vergütungsvorschriften des Aufnahmestaats gebunden.
169Die Änderungsrichtlinie strebt darüber hinaus eine Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen durch eine Entlastung der entsandten Arbeitnehmer von Reise-, Unterkunfts- und Verpflegungskosten und die Bekämpfung unwürdiger Unterkunftsbedingungen an. Insbesondere dürfen entsendebedingte Kosten und entsprechende Entsendezulagen nicht mehr auf den Lohn angerechnet werden, um so die Höhe des Mindestlohns zu erreichen. Außerdem sollen langzeitentsandte Arbeitnehmer ab einer Entsendedauer von 12 bzw. 18 Monaten unter den umfassenden Schutz der deutschen Arbeitsgesetze einschließlich der allgemein verbindlichen tariflichen Arbeitsbedingungen fallen.