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2.Betriebliche Übung

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151Eine betriebliche Übung ist die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers, aus denen der Arbeitnehmer schließen kann, ihm solle eine Leistung (z. B. Gewährung zusätzlicher sozialer Leistungen wie Zahlung von Heirats- und Geburtsbeihilfen) auf Dauer gewährt werden (ständige Rechtsprechung, vgl. BAG AP Nr. 88 zu § 242 BGB Betriebliche Übung). Sie ist neben den gesetzlichen und kollektivvertraglichen Normen keine selbstständige Rechtsquelle. Eine derartige Übung kann jedoch Grundlage einer (stillschweigenden) Vereinbarung sein oder zur Auslegung des Arbeitsvertrags herangezogen werden (vgl. BAG AP Nr. 11 zu § 242 BGB Betriebliche Übung; kritisch Henssler, Festschrift 50 Jahre BAG, 2004, S. 683, 684 ff.).

Das Rechtsinstitut selbst gilt mittlerweile als gewohnheitsrechtlich anerkannt, obgleich die dogmatische Herleitung weiterhin umstritten ist. Nach der auch vom BAG vertretenen sog. „Vertragstheorie“ stellen die üblich gewordenen Vergünstigungen konkludente Willenserklärungen des Arbeitgebers dar, wobei – wie in der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre auch – der tatsächliche Verpflichtungswille des Arbeitgebers nicht entscheidend ist, sondern vielmehr die Frage, ob die Erklärungsempfänger – also die Arbeitnehmer – auf einen Bindungswillen des Arbeitgebers schließen durften (BAG AP Nr. 50 zu § 242 BGB Betriebliche Übung; NZA 2018, 44; AP Nr. 91 zu § 242 BGB Betriebliche Übung m. w. N.; HWK/Thüsing, § 611 BGB Rdnr. 228). Dieses Angebot wird von den Arbeitnehmern stillschweigend und gemäß § 151 BGB ohne Zugangserfordernis angenommen.

152Teilweise wird eine Bindung des Arbeitgebers auch aus einer auf § 242 BGB gestützten Vertrauenshaftung hergeleitet (sog. „Vertrauenstheorie“): Die Vertragstheorie wird kritisiert, weil sie den Tatbestand der Willenserklärung überfrachte und die Annahme eines Vertragsschlusses eine reine Fiktion sei (HWK/Thüsing, § 611 BGB Rdnr. 228). Hat einerseits der Arbeitgeber durch sein Verhalten einen Vertrauenstatbestand geschaffen und hat andererseits der Arbeitnehmer auf die Fortsetzung der Übung vertraut und sich darauf eingerichtet, dann ist der Arbeitgeber in Zukunft daran gebunden. Diese Erklärung mag bei einer für die Arbeitnehmer günstigen Übung passen; sie versagt bei einer für die Arbeitnehmer ungünsti­gen Übung (z. B. Übung, dass die Arbeitnehmer auf Weisung des Arbeitgebers Überstunden leisten).

153Hat der Arbeitgeber z. B. regelmäßig ein Weihnachtsgeld gezahlt, ohne dazu verpflichtet zu sein, kann nach der herrschenden Vertragstheorie darin ein Angebot des Arbeitgebers erblickt werden, sich für die Zukunft zu einer solchen Leistung zu verpflichten. Dieses Angebot nehmen die Arbeitnehmer stillschweigend an. Entscheidend ist, ob die Arbeitnehmer das Verhalten des Arbeitgebers als ein solches Angebot auffassen durften. Das ist nicht der Fall, wenn der Arbeitgeber bei Zahlung des Geldes einen entsprechenden, hinreichend deutlichen Vorbehalt („unter Vorbehalt“ oder „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“, sog. Freiwilligkeits­vorbehalt) erklärt hat. Sind allerdings sowohl die (in der Höhe bestimmten) regelmäßigen Leistungen als auch der Freiwilligkeitsvorbehalt in demselben Formulararbeitsvertrag enthalten, ist dies wegen Widersprüchlichkeit gem. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam (BAG NJW 2013, 2844; zur AGB-Kontrolle Rdnr. 205 ff.).

154Nach der Rechtsprechung des BAG lässt eine vorbehaltlose Zahlung in drei aufeinander folgenden Jahren regelmäßig einen Rechtsanspruch entstehen (BAG AP Nr. 26 zu § 611 BGB Gratifikation; Fall g); für sonstige Begünstigungen muss im Einzelfall nach Art und Dauer der Leistungen entschieden werden. Raum für eine Anfechtung (Erklärungsirrtum gem. § 119 Abs. 1 BGB) besteht dem BAG zufolge auch dann nicht, wenn der Arbeitgeber bei der Gewährung der Leistung tatsächlich keinen Rechtsbindungswillen für die Zukunft hatte (BAG AP Nr. 6 zu § 611 BGB Gratifikation), denn es handelt sich um einen im Rahmen von § 119 BGB unbeachtlichen Rechtsfolgenirrtum. Etwas anderes gilt nur, wenn die Leistung für den Arbeitnehmer erkennbar nur aufgrund einer irrtümlich angenommenen Verpflichtung erfolgte (vgl. BAG NZA 2013, 40). Den Rechtsanspruch erwirbt auch ein neu in den Betrieb eintretender Arbeitnehmer, wenn er davon ausgehen kann, dass die Weihnachtsgeldzahlung auch für ihn gelten soll (BAG NZA 2002, 527). Unerheblich ist hierbei, ob ihm die bisherigen Zahlungen mitgeteilt oder sie im Betrieb allgemein veröffentlicht wurden, da von dem allgemeinen Erfahrungssatz auszugehen ist, dass solche begünstigenden Leistungen der Belegschaft bekannt werden (BAG AP Nr. 88 zu § 242 BGB Betriebliche Übung). Will der Arbeitgeber das verhindern, kann er mit dem neuen Arbeitnehmer bei Abschluss des Arbeitsvertrags etwas Anderes vereinbaren (zu Fall g). Das Gesagte gilt entsprechend auch für eine betriebliche Übung, die für die Arbeitnehmer ungünstig ist (Beispiel: Rückzahlung des Weihnachtsgeldes beim Ausscheiden im ersten Quartal des Folgejahres; vgl. Rdnr. 329 f.).

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