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2.Vorrang des Unionsrechts

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107Das Verhältnis von Unionsrecht zum nationalen Recht ist nach wie vor nicht in allen Einzelheiten geklärt. Unsicherheiten ergeben sich aufgrund der unterschiedlichen Stellungnahmen des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) und des BVerfG. Der EuGH hat schon früh das EU-Recht als eigenständige Rechtsordnung mit Vorrang vor nationalem Recht angesehen. Das BVerfG behält sich allerdings vor, das Unionsrecht im Kollisionsfall an den tragenden Prinzipien des Grundgesetzes zu überprüfen, solange ein wirksamer Grundrechtsschutz durch das Unionsrecht nicht gesichert ist (BVerfGE 37, 271; 73, 339 – „Solange“-Rspr.). Das Gericht sieht diesen Schutz derzeit als gewährleistet an (BVerfGE 102, 147 – Bananenmarkt-Beschluss), begründet ihn aber – anders als der EuGH – aus der nationalen verfassungsrechtlichen Ermächtigung. Die damit verbundenen Streitfragen können hier dahingestellt bleiben. Beide Auffassungen stimmen darin überein, dass im Falle einer Kollision die europarechtlichen Vorschriften Anwendungsvorrang besitzen (EuGH NJW 1963, 974 – „van Gend & Loos“; NJW 1964, 2371 – „Costa/ENEL“; BVerfGE 73, 339; 89, 155). Danach sind europarechtswidrige nationale Vorschriften zwar nicht unwirksam, aber unanwendbar (näher ErfK/Wißmann, Vorbemerkung zum AEUV, Rdnr. 39 ff.). Eine Vorlage an das BVerfG gem. Art. 100 Abs. 1 GG ist unzulässig, weil sich das Verwerfungsmonopol des BVerfG auf die Unvereinbarkeit nationaler Vorschriften mit dem GG beschränkt (dazu Wißmann, DB 1989, 1922, 1924; a. A. Wackerbarth/Kreße, EuZW 2010, 252 ff.). Der Vorrang des Unionsrechts gilt sowohl gegenüber staatlich gesetztem Recht einschließlich des nationalen Verfassungsrechts, als auch gegenüber dem Richterrecht und Tarifverträgen. Ist eine nationale Rechtsvorschrift unionsrechtskonform auszulegen, bleibt sie anwendbar. Bei mehreren Auslegungsmöglichkeiten ist diejenige zu wählen, die dem Unionsrecht entspricht (ausf. Höpfner, Die systemkonforme Auslegung, 2008, S. 216 ff., 249 ff.).

Beispiele: Das Nachtarbeitsverbot für Arbeiterinnen gem. § 19 AZO, aufgehoben durch das ArbZG, verstieß gegen die Richtlinie 76/207/EWG, weil es allein für Frauen galt (vgl. EuGH AP Nr. 28 zu Art. 119 EWG-Vertrag für die dem deutschen Recht entsprechende französische Regelung). § 1 Abs. 3 Nr. 2 LFZG a. F., der Teilzeitbeschäftigte von der Lohnfortzahlung ausschloss, war mit Art. 141 EG a. F. (heute Art. 157 AEUV) unvereinbar (BAG NZA 1992, 259). § 14 Abs. 3 TzBfG a. F. hielt der EuGH in seiner Mangold-Entscheidung für gemeinschaftsrechtswidrig (EuGH NJW 2005, 3695; ebenso EuGH NJW 2010, 427 „Kücükdeveci“; dazu eingehend Rdnr. 358 f.); der Begriff „entlässt“ in § 17 KSchG ist nach der EuGH-Rspr. in Sachen „Junk“ als „kündigt“ zu verstehen (EuGH NJW 2005, 1099). Mindestregelungen des Unionsrechts stehen einer für den Arbeitnehmer günstigeren nationalen Rechtsvorschrift in der Regel nicht entgegen.

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