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3.Kollektivvereinbarungen
Оглавление140a) Tarifvertrag. Die Normen des Tarifvertrags (Rdnr. 804 ff.) „gelten unmittelbar und zwingend zwischen den kongruent beiderseits Tarifgebundenen, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallen“ (§ 4 Abs. 1 Satz 1 TVG). Tarifgebunden sind beim Verbandstarif (der zwischen einem Arbeitgeberverband und einer Gewerkschaft geschlossen wird) die Mitglieder der beiden Tarifvertragsparteien (§ 3 Abs. 1 TVG; zum Firmentarif: Rdnr. 791).
Im Fall d kann der tarifgebundene Arbeitnehmer X von dem tarifgebundenen Arbeitgeber das tarifliche Weihnachtsgeld in Höhe eines halben Monatsgehalts verlangen. Dem Arbeitnehmer Z steht dagegen kein Anspruch auf das tarifliche Weihnachtsgeld zu, da er nicht Mitglied derjenigen Gewerkschaft ist, die den Tarifvertrag abgeschlossen hat. Ein Anspruch könnte sich allenfalls aus einer in den Arbeitsvertrag aufgenommen Bezugnahmeklausel ergeben, die den Inhalt des Tarifvertrages schuldrechtlich für anwendbar erklärt. Hierzu enthält der Sachverhalt aber keine Angaben. Allein der Umstand, dass sie in der Praxis bei tarifgebundenen Arbeitgebern ganz üblich ist, spielt für die Falllösung keine Rolle.
Nach dem Regelungsanliegen des Tarifrechts, die Arbeitnehmer zu schützen, haben die Tarifnormen nur eine einseitig zwingende Wirkung. Deshalb bleiben einzelvertragliche Abmachungen, die für den Arbeitnehmer günstiger als die Tarifnorm sind, vom Tarifvertrag unberührt (= Günstigkeitsprinzip; § 4 Abs. 3 TVG).
Im Fall d behält Y den einzelvertraglichen Anspruch auf das übertarifliche Weihnachtsgeld in Höhe eines Monatsgehalts.
Ausnahmsweise kann Tarifnormen nur dispositive Wirkung zukommen. Das ist z. B. der Fall, wenn durch den Tarifvertrag selbst abweichende Abmachungen zuungunsten des Arbeitnehmers gestattet sind (§ 4 Abs. 3 TVG; Öffnungsklauseln) oder wenn die Tarifnormen infolge ihres Ablaufs ihre zwingende Wirkung verlieren (§ 4 Abs. 5 TVG), so dass abweichende einzelvertragliche Regelungen zulässig sind.
141b) Betriebsvereinbarung. Die Normen der Betriebsvereinbarung (Rdnr. 1059 ff.) wirken unmittelbar und zwingend, also wie ein Gesetz, auf die Arbeitsverhältnisse ein (§ 77 Abs. 4 BetrVG). Sie gelten nur für die Arbeitnehmer des jeweiligen Betriebes, allerdings ohne Rücksicht auf deren etwaige Gewerkschaftszugehörigkeit. Obwohl es in § 77 Abs. 4 nicht ausdrücklich angeordnet ist, gilt auch hier das Günstigkeitsprinzip:Arbeitsvertragliche Abmachungen, die für den Arbeitnehmer günstiger sind, gehen der Betriebsvereinbarung vor (BAG NZA 2007, 453, 455). Diese kann auch dispositive Regeln vorsehen (Öffnungsklauseln, vgl. Rdnr. 140), so dass einzelvertragliche Regeln die Betriebsvereinbarung verdrängen, selbst wenn sie für den Arbeitnehmer ungünstiger sind.
142Für das Verhältnis von Tarifvertrag und Betriebsvereinbarung ist § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG zu beachten. Danach können Arbeitsentgelt und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein (absolute Sperrwirkung). Den Gewerkschaften soll ein Vorrang vor den Betriebsräten eingeräumt und eine Beeinträchtigung oder gar Aushöhlung der verfassungsrechtlich geschützten Tarifautonomie vermieden werden. Ohne § 77 Abs. 3 BetrVG bestünde die Gefahr, dass der Betriebsrat zur „beitragsfreien Ersatzgewerkschaft“ würde.
Übersteigt also der Lohn aus einer Betriebsvereinbarung den Tariflohn (Fall e), so kann der Arbeitnehmer gleichwohl nur den Tariflohn verlangen. Es gilt nicht etwa die günstigere Regelung der Betriebsvereinbarung; denn sie ist unwirksam. Daran ändert sich auch nichts, wenn aktuell kein Tarifvertrag besteht (§ 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG: „üblicherweise“). Maßgeblich ist in diesem Fall der im Arbeitsvertrag vereinbarte Lohn, enthält auch dieser keine Regelung, so gilt die übliche Vergütung (§ 612 Abs. 2 BGB).
143Allerdings kann ein Tarifvertrag den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen ausdrücklich zulassen (§ 77 Abs. 3 Satz 2 BetrVG). Ist in einem solchen Fall die Betriebsvereinbarung für den Arbeitnehmer günstiger als der Tarifvertrag, geht sie dem Tarifvertrag vor (Günstigkeitsprinzip; § 4 Abs. 3 TVG).
Außerdem ist nach dem Eingangssatz von § 87 Abs. 1 BetrVG in sozialen Angelegenheiten eine Mitbestimmung des Betriebsrats und damit eine Betriebsvereinbarung nur dann ausgeschlossen, wenn und soweit ein bestehender Tarifvertrag (oder ein Gesetz) tatsächlich eine Regelung vorsieht (näher BAG NZA 1987, 639 sowie Rdnr. 992). Tarifüblichkeit genügt hier also nicht. Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats sind immer nur sinnvoll, wenn dem Arbeitgeber ein eigener Regelungsspielraum verbleibt.
144c) Mit dem Sprecherausschuss vereinbarte Richtlinien. Eine vom Arbeitgeber und dem Sprecherausschuss der leitenden Angestellten (näher Rdnr. 1166 ff.) vereinbarte Richtlinie über Inhalt, Abschluss oder Beendigung von Arbeitsverhältnissen der leitenden Angestellten gilt für die Arbeitsverhältnisse ebenfalls unmittelbar und zwingend, soweit dies zwischen Arbeitgeber und Sprecherausschuss vereinbart ist (§ 28 Abs. 2 Satz 1 SprAuG). Die Richtlinie wirkt dann wie eine Betriebsvereinbarung. Arbeitsvertragliche Abweichungen zuungunsten des Arbeitnehmers sind grundsätzlich nicht möglich (Umkehrschluss aus § 28 Abs. 2 Satz 2 SprAuG).