Читать книгу Arbeitsrecht - Hans Brox - Страница 59

IV.Weitere Rechtsgrundlagen für Rechte und Pflichten der Arbeitsvertragsparteien 1.Arbeitsvertragliche Einheitsregelung

Оглавление

145Unter einer arbeitsvertraglichen Einheitsregelung versteht man eine gleichlautend formulierte Regelung in den Arbeitsverträgen mit den Betriebsangehörigen ohne Rücksicht auf die Besonderheiten des Einzelfalles. Entweder handelt es sich um den Inhalt des Arbeitsvertrags selbst oder um Verweisungen im Arbeitsvertrag auf einseitig gestellte Arbeitsbedingungen (z. B. eine Betriebsordnung). Solche Allgemeinen Arbeitsbedingungen sind mit den Allgemeinen Geschäftsbedingungen vergleichbar. Seit dem 1.1.2002 sind sie am Maßstab des in den §§ 305 ff. BGB geregelten AGB-Rechts zu messen (§ 310 Abs. 4 BGB; Ausnahme: § 305 Abs. 2 und 3 BGB). Die AGB-Kontrolle gilt aber auch außerhalb der Einheitsregelungen für alle vom Arbeitgeber vorformulierten Vertragsbedingungen (Henssler/Moll, AGB-Kontrolle vorformulierter Arbeitsbedingungen, 2. Aufl., 2020; vgl. dazu Rdnr. 205 ff.).

146Zum Teil wird von der Einheitsregelung die Gesamtzusage unterschieden. Es handelt sich um eine einseitige ausdrückliche Erklärung des Arbeitgebers an die ganze oder Teile der Belegschaft, zusätzliche Leistungen erbringen zu wollen (BAG NZA 2004, 1099; BAG NZA 2017, 1073). Die Gesamtzusage ist für den Arbeitnehmer also immer günstig.

Beispiele: Zusage eines Weihnachtsgeldes, eines Ruhegeldes durch Anschlag am Schwarzen Brett, Rundschreiben, mündliche Erklärung in einer Betriebsversammlung oder über das Intranet (BAG AP Nr. 247 zu § 611 BGB Gratifikation).

Nach richtiger Ansicht handelt es sich bei der Gesamtzusage ebenfalls um eine arbeitsvertragliche Einheitsregelung. Zwar ist der Inhalt einer Einheitsregelung für den Arbeitnehmer nicht zwangsläufig günstig. Außerdem erfolgt sie nicht einseitig, sondern durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen. Jedoch wird eine Gesamtzusage nicht schon durch die einseitige Erklärung des Arbeitgebers wirksam, sondern erst durch die (in der Regel) stillschweigende Annahme durch die Arbeitnehmer nach § 151 BGB (da das Angebot ihnen nur Vorteile bringt, ist der Zugang der Annahmeerklärung hiernach entbehrlich).

147Obwohl die arbeitsvertraglichen Einheitsregelungen den Kollektivvereinbarungen ähneln, sind sie dogmatisch dem Einzelarbeitsvertrag zuzuordnen (BAG NZA 1987, 168). Sie werden durch Angebot und Annahme der Parteien des Arbeitsvertrags zu dessen Inhalt. Weil die Vertragsbedingungen in aller Regel jedoch nicht zwischen den Arbeitsvertragsparteien frei ausgehandelt, sondern einseitig vom Arbeitgeber festgelegt werden, unterliegt ihre Wirksamkeit der Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff. BGB (ErfK/Preis, § 611a BGB Rdnr. 216).

Im Fall f ist der Haftungsausschluss nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen wirksam. Die Einräumung der Parkmöglichkeit auf dem Betriebshof liegt im Interesse der Arbeitnehmer und bringt ihnen Vorteile (z. B. Zeitersparnis, Nähe zum Arbeitsplatz). Außerdem sind die Fahrzeuge beim Parken außerhalb des Betriebshofs einer erhöhten Gefahr der Beschädigung ausgesetzt.

Ist S hingegen aufgrund besonderer Umstände verpflichtet, den Arbeitnehmern eine Parkmöglichkeit zur Verfügung zu stellen, dürfte der Haftungsausschluss selbst bei individualvertraglicher Vereinbarung unwirksam sein. Ist der Haftungsausschluss formularvertraglich erfolgt, ergibt sich seine Unwirksamkeit bereits aus §§ 307 ff. BGB. Der Haftungsausschluss ist nicht mit § 309 Nr. 7 b) BGB vereinbar. Rechtsfolge ist nach § 306 Abs. 2 BGB die Anwendung der gesetzlichen Regelung, also bspw. § 280 BGB (zum Sonderfall einer Beschädigung durch eigene Fahrzeuge des Arbeitgebers BAG NZA 1990, 345).

148Bei dem Rangverhältnis zwischen der Einheitsregelung und einer Kollektivvereinbarung (Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung) sind zwei Fallgruppen zu unterscheiden:

Eine im Tarifvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung enthaltene Leistungsverpflichtung des Arbeitgebers kann nicht durch eine arbeitsvertragliche Einheitsregelung abgebaut werden; denn die Kollektivvereinbarungen sind höherrangig und deshalb nicht durch den Einzelarbeitsvertrag zuungunsten des Arbeitnehmers abdingbar.

149Ob im umgekehrten Fall eine arbeitsvertragliche Einheitsregelung durch eine Kollektivvereinbarung mit gleichem Geltungsbereich zu Lasten des Arbeitnehmers geändert werden kann (Fall h), ist seit langem in Rspr. und Schrifttum umstritten. Der Große Senat des BAG (BAG NZA 1987, 168) hatte die Frage im Grundsatz zu Recht verneint, da für das Verhältnis vertraglicher Ansprüche zu den Normen einer nachfolgenden Betriebsvereinbarung das Günstigkeitsprinzip (Rdnr. 1062) gilt. Jedoch stellte die Rechtsprechung unter gewissen Voraussetzungen dem individuellen ein kollektives Günstigkeitsprinzip gegenüber, nach dem es nicht darauf ankommt, ob die Neuregelung in der Betriebsvereinbarung einen einzelvertraglich begründeten Anspruch des Arbeitnehmers verkürzt (so beim individuellen Günstigkeitsvergleich gem. § 4 Abs. 3 TVG). Entscheidend soll es beim kollektiven Günstigkeitsvergleich allein sein, dass die Gesamtheit der Leistungen des Arbeitgebers durch die Betriebsvereinbarung nicht geschmälert wird.

150Noch offen ist, ob diese Entscheidungspraxis inzwischen durch die jüngere Rechtsprechung (BAG NZA 2013, 916) zur konkludenten Betriebsvereinbarungsoffenheit von arbeitsvertraglichen Regelungen mit kollektivem Bezug überholt ist. Die Betriebsvereinbarung wird nach dieser vom 1 Senat begründeten Entscheidungspraxis zu einem Gestaltungsmittel, um (starre) individualvertragliche Ansprüche bei einem kollektiven Bezug zugunsten eines einheitlichen betrieblichen Systems abzulösen. Andere Senate (zuletzt BAG NZA-RR 2019, 590 Rn. 21) haben diese Grundsätze auf Gesamtzusagen (BAG NZA 2019, 1076), betriebliche Übungen (BAG NZA 2016, 961) und den Einzelvertrag (BAG NZA 2016, 1327) – mit gewissen Modifikationen – angewandt (zum Ganzen Hoffmann/Köllmann, NJW 2019). In der Praxis wird Arbeitgebern empfohlen, arbeitsvertragliche Regelungen mit kollektivem Bezug generell betriebsvereinbarungsoffen auszugestalten.

In der Literatur sind der kollektive Günstigkeitsvergleich und die gelockerte Auslegung betriebsvereinbarungsoffener AGB kritisiert worden (vgl. Hromadka, NZA 2013, 1061; Preis/Ulber, NZA 2014, 6; Waltermann, RdA 2016, 296). Es sei nicht einzusehen, warum das Günstigkeitsprinzip beim Tarifvertrag eine andere Bedeutung als bei der Betriebsvereinbarung haben soll. Ferner fehle ein überzeugender Grund dafür, dass bei der Betriebsvereinbarung das Privatinteresse des einzelnen Arbeitnehmers hinter der Kollektivregelung zurücktreten soll. Schließlich erforderten das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB und die Unklarheitenregelung des § 305c BGB für die Annahme einer „Betriebsvereinbarungsoffenheit“ eine klare vertragliche Grundlage (Creutzfeldt, NZA 2018, 1111, 1119 f.; skeptisch ist daher auch der 4. Senat BAG NZA 2018, 1273, Rn. 55). Berücksichtigt werden sollte allerdings, dass der Weg über eine einvernehmlich mit dem Betriebsrat abgeschlossene Vereinbarung eine sachgerechte Lösung für kollektive Sachverhalte bietet, die auch die Interessen der Arbeitnehmer hinreichend wahrt.

Im Fall h ist also der Plan nach der Rechtsprechung durchführbar, da der kollektive Bezug der Einheitsregelung für alle Begünstigten erkennbar war.

Arbeitsrecht

Подняться наверх