Читать книгу Arbeitsrecht - Hans Brox - Страница 62
3.Weisungsrecht des Arbeitgebers
Оглавление156Der Arbeitnehmer ist dem Arbeitgeber aufgrund des Arbeitsvertrages zur Arbeitsleistung verpflichtet. Arbeitsvertraglich werden allerdings in aller Regel nur Art und Umfang der Arbeit vereinbart; die Einzelheiten der vom Arbeitnehmer zu erbringenden Leistungen ergeben sich aus den vertraglichen Absprachen nicht. Zur Konkretisierung der jeweiligen Pflichten des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber ein Weisungs-, Direktions- oder Leitungsrecht hinsichtlich der Ausführung der Arbeitsleistung (insbesondere hinsichtlich Inhalt, Ort und Zeit der Arbeit sowie Ordnung und Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb; nicht aber Höhe des Entgelts oder Umfang der Arbeitszeit). Rechtsgrundlagen sind § 106 GewO und im Übrigen der Arbeitsvertrag i. V. m. § 315 BGB (BAG NZA 1990, 561).
Beispiele: Anordnung, welche Arbeiten der Arbeitnehmer erledigen muss, Behandlung des Arbeitsgeräts, Verhalten des Arbeitnehmers gegenüber Kollegen, Rauchverbot, Torkontrolle (Fall a). Die Weisungen dürfen nicht unbillig, also vor allem nicht willkürlich, sein. Grund für ein Rauchverbot: z. B. Brandgefahr, Schutz der nicht rauchenden Arbeitskollegen vor den Gefahren des Passivrauchens (vgl. auch § 5 Abs. 1 Satz 2 ArbStättV); Grund für eine Torkontrolle: Diebstahlsgefahr. Eine Leibesvisitation darf nicht unnötig lange Wartezeiten verursachen und nicht ehrverletzend sein.
157Das Weisungsrecht muss nach billigem Ermessen erfolgen, es hat sich zudem immer im Rahmen der Gesetze, der Kollektivvereinbarungen und des Arbeitsvertrags zu halten; diese gehen also dem Weisungsrecht des Arbeitgebers vor (§ 106 Satz 1 GewO). Für den Arbeitnehmer günstigere Abweichungen von Kollektivnormen sind grundsätzlich zulässig (Preis/Wieg AuR 2016, 314). Bei der Kontrolle des billigen Ermessens hat das Tatsachengericht einen Beurteilungsspielraum (BAG NZA 2017, 152); grundsätzlich sind die beiderseitigen Interessen nach den wesentlichen Umständen des Einzelfalles abzuwägen.
Beispiele: Der Arbeitgeber darf vom Buchhalter nicht verlangen, Urkunden zu manipulieren. Der Pförtner darf nicht angewiesen werden, über die im (Firmen-)Tarifvertrag vorgesehenen Fälle hinaus weitere Torkontrollen durchzuführen. Die als Schreibkraft eingestellte Arbeitnehmerin darf nicht als Vertretung für die ausgefallene Reinigungskraft eingesetzt werden.
158Im Einzelfall kann das Weisungsrecht aus § 106 GewO durch Grundrechte des Arbeitnehmers begrenzt sein, etwa durch Art. 4 Abs. 1 GG (vgl. dazu BAG AP Nr. 9 zu Art. 4 GG; Rdnr. 132). Der Arbeitgeber muss auf das Gewissen der Arbeitnehmer jedoch nur Rücksicht nehmen, wenn die zu erledigende Arbeit unproblematisch anderen Arbeitnehmern zugewiesen werden kann. Ist die Weisung allerdings wirksam i. S. v. § 106 GewO, ist der Arbeitnehmer auf sein Leistungsverweigerungsrecht aus § 275 Abs. 3 BGB angewiesen (Rdnr. 122). Auch die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers hindert grundsätzlich das Weisungsrecht des Arbeitgebers hinsichtlich der krankheitsbedingt ausfallenden Haupt- und Nebenleistungspflichten (BAG NZA 2017, 183); nur ausnahmsweise darf der Arbeitnehmer zur Sicherung wichtiger betrieblicher Abläufe und Vorgänge und unter Berücksichtigung seiner krankheitsbedingten Interessen in Anspruch genommen werden. Vielfach, etwa bei der Anordnung von Überstunden, ist das Weisungsrecht des Arbeitgebers durch ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats eingeschränkt (vgl. § 87 BetrVG; Rdnr. 1088 ff.).
159Grundsätzlich kann der Arbeitgeber eine erteilte Weisung wieder zurücknehmen oder ändern (vgl. BAG NZA 2017, 1452). Eine weitere Einschränkung kann sich aber daraus ergeben, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über einen langen Zeitraum nur mit bestimmten Aufgaben betraut oder ihn an einem festen Ort einsetzt. Hier konkretisiert sich die Arbeitspflicht auf den Aufgabenbereich oder den Einsatzort. Änderungen kann der Arbeitgeber dann nur noch durch Änderungskündigung (Rdnr. 653 ff.) herbeiführen.
Wie weit das Weisungsrecht des Arbeitgebers reicht, lässt sich nicht allgemein festlegen.
Es muss im Einzelfall anhand des Arbeitsvertrags und der Durchführung des Arbeitsverhältnisses geprüft werden, ob sich eine Anordnung noch im Rahmen des Weisungsrechts hält oder ob bereits eine Änderungskündigung erforderlich ist.
160Überschreitet der Arbeitgeber sein Weisungsrecht, darf der Arbeitnehmer nach richtiger Ansicht die zugewiesene Arbeit verweigern; der Arbeitgeber gerät in Annahmeverzug (§ 615 BGB; Rdnr. 449 ff.), wenn er dem Arbeitnehmer keine andere Arbeit zuweist. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 315 Abs. 3 BGB (so auch ErfK/Preis, § 106 GewO Rdnr. 7a; diff. Hromadka, NZA 2017, 601 ff., der zwischen unzumutbaren Weisungen i. S. d. § 275 Abs. 3 BGB und „einfach unbilligen“, nicht unzumutbaren Weisungen unterscheidet). Nach vormaliger zweifelhafter Ansicht des 5. Senats des BAG sollte der Arbeitnehmer dagegen derartige Weisungen zunächst befolgen müssen, bis die Unbilligkeit durch Urteil rechtskräftig festgestellt ist (BAG NZA 2012, 858). Diese Rechtsprechung wurde nach der Aufgabe durch den 5. Senat (BAG, Beschl. v. 14.9.2017 – 5 AS 7/17) durch den 10. Senat des BAG korrigiert (BAG NZA 2017, 1452): Arbeitnehmer sind demnach nicht – auch nicht vorläufig – an unbillige Weisungen des Arbeitgebers gebunden.