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3.Inhaltskontrolle einzelner Vertragsklauseln

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212Aufgrund der geschilderten Einbeziehung von Arbeitsverträgen in die AGB-Kontrolle war strittig geworden, inwiefern Vertragsstrafenvereinbarungen mit Arbeitnehmern gem. § 309 Nr. 6 BGB unwirksam sind. Das BAG (NZA 2004, 727) hält Vertragsstrafen in Arbeitsverträgen weiterhin nicht grundsätzlich für unzulässig (vgl. Rdnr. 206). Die fehlende Vollstreckbarkeit der Verpflichtung zur Arbeitsleistung gem. § 888 Abs. 3 ZPO ist als Besonderheit des Arbeitsrechts im Sinne des § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB anzuerkennen (Henssler, RdA 2002, 129, 138); überdies wird dem Arbeitgeber im Falle einer andernfalls notwendigen Klage auf Schadensersatz der Beweis eines Schadens kaum möglich sein. Relevant ist dies beim Nichtantritt der Arbeit oder der vorzeitigen Beendigung des Vertrages ohne Einhaltung der Kündigungsfrist. Anwendbar bleibt die Inhaltskontrolle von Vertragsstrafenvereinbarungen anhand der Generalklausel (§ 307 BGB). Eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers kann sich bei einem Missverhältnis zwischen der Pflichtverletzung und der Höhe der Vertragsstrafe ergeben. So darf die Vertragsstrafe den während der Kündigungsfrist möglichen Verdienst nicht übersteigen.

213Praktisch bedeutsam ist die Inhaltskontrolle sog. Änderungsvorbehalte, die eine Flexibilisierung von Arbeitsbedingungen ermöglichen sollen. Regelmäßig gezahlte Leistungsbestandteile dürfen grundsätzlich nicht unter den Vorbehalt der Freiwilligkeit gestellt werden, da der Ausschluss des Rechtsanspruchs die synallagmatische Verknüpfung der Leistungen beider Vertragsparteien löst und damit den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligt (BAG NZA 2007, 853).Anders verhält es sich bei Sondervergütungen (z. B. Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld). Auch bei ihrer Zusage muss allerdings das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB beachtet werden. Sagt ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer in einem von ihm vorformulierten Anstellungsvertrag ausdrücklich zu, jedes Jahr ein Weihnachtsgeld in bestimmter Höhe zu zahlen, ist es widersprüchlich, wenn der Arbeitgeber die Zahlung des Weihnachtsgeldes in derselben oder in einer anderen Vertragsklausel an einen Freiwilligkeitsvorbehalt bindet (BAG NJW 2013, 2844).

214Der Arbeitgeber kann sich außerdem im Sinne eines Widerrufsvorbehaltsdas Recht vorbehalten, einzelne Vertragsbedingungen einseitig zu ändern (Bsp.: Widerruf von Gratifikationen) oder Tariflohnerhöhungen auf Sonderzuwendungen anzurechnen (Anrechnungsvorbehalte). AGB-rechtlich sind hier die §§ 308 Nr. 4, 307 BGB einschlägig (BAG NZA 2005, 465; Henssler, RdA 2002, 129, 138). Dem BAG zufolge darf der widerrufliche Anteil von 25–30 % der Gesamtvergütung nicht übersteigen; ferner darf der Widerruf nur bei Vorliegen eines Sachgrundes ausgeübt werden, der sich der Vereinbarung entnehmen lassen muss. Die Ausübung des Widerrufsrechts muss schließlich billigem Ermessen (§ 315 BGB) entsprechen (BAG AP Nr. 5 zu § 620 BGB Teilkündigung).

215Üblich sind in Arbeitsverträgen aus Gründen der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens seit Jahrzehnten vertraglich vereinbarte Ausschlussfristen. Die Kautelarpraxis kennt ein- und zweistufige Ausschlussfristen. Bei der erstgenannten muss der Anspruch innerhalb einer bestimmten Frist gegenüber dem Arbeitgeber geltend gemacht werden. Bei zweistufigen Ausschlussfristen ist nach erfolgloser außergerichtlicher Geltendmachung auf einer zweiten Stufe eine Klageerhebung erforderlich (näher HWK/Roloff, Anh. §§ 305–310 BGB Rdnr. 8). Wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind einseitige Ausschlussfristen, die lediglich für den Arbeitnehmer gelten, unwirksam (BAG NZA 2006, 324). Zweiseitige Ausschlussfristen, die also Arbeitnehmer und Arbeitgeber gleichermaßen treffen, können grundsätzlich in Formulararbeitsverträgen vereinbart werden (BAG NZA 2005, 1111). Jedoch ist für jede Stufe eine Mindestfrist von drei Monaten zu beachten.

Zweistufige Ausschlussklauseln sind wegen § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB nicht gemäß § 309 Nr. 13 BGB unwirksam (BAG NZA 2005, 1111). Überdies beeinträchtigt die Unwirksamkeit der zweiten Stufe, die eine zu kurze Frist für die gerichtliche Geltendmachung vorsieht, die Wirksamkeit der ersten Stufe nicht, wenn die Klausel teilbar ist und auch ohne die unwirksame Regelung weiterhin verständlich und sinnvoll bleibt (BAG NZA 2008, 699). Es handelt sich hierbei um eine Ausnahme vom Verbot der geltungserhaltenden Reduktion, sog. „Blue-Pencil-Test“ (vgl. Rdnr. 210).

216Enorme praktische Bedeutung für die Vertragsgestaltung hat ein aktuelles Urteil des BAG, in dem das Gericht Verfallklauseln wegen eines Verstoßes gegen das Transparenzgebots gem. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB für unwirksam erklärt, wenn sie den gesetzlichen Mindestlohn erfassen und nach Entstehung des Mindestlohnanspruchs nach § 1 Abs. 1 MiLoG am 1.1.2015 vereinbart wurden (BAG NZA 2018, 1619, 1619). Das BAG hat gleichzeitig hervorgehoben, dass das Transparenzgebot statisch zu verstehen ist, sodass Klauseln, die bei Vertragsschluss dem Transparenzgebot genügt haben, nicht durch nachträgliche Gesetzesänderungen intransparent werden (BAG NZA 2018, 1619, 1622). Das Transparenzgebot und das AGB-rechtliche Verbot der geltungserhaltenden Reduktion sind damit zumindest bei Altverträgen neben § 3 Satz 1 MiLoG anwendbar.

217Der formularmäßige Verzicht auf eine Kündigungsschutzklagehält nach Auffassung des BAG ohne eine kompensatorische Gegenleistung des Arbeitgebers der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht stand. Die unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers liegt in dem Versuch des Arbeitgebers, seine Rechtsposition ohne Rücksicht auf die Interessen des Arbeitnehmers zu verbessern, indem er dem Arbeitnehmer die Möglichkeit einer gerichtlichen Überprüfung der Kündigung entzieht (BAG NZA 2008, 219).

Weitere typische Bestandteile von Formulararbeitsverträgen bzw. Aufhebungsverträgen sind Schriftformvereinbarungen (Rdnr. 180) sowie Ausgleichsquittungen (Rdnr. 341).

218Große praktische Bedeutung haben sog. Stichtagsklauseln, bei denen vom Arbeitgeber gewährte Vergünstigungen daran gekoppelt werden, dass der Arbeitnehmer zu einem bestimmten Stichtag noch in einem (ungekündigten) Arbeitsverhältnis steht. Der Arbeitgeber will auf diese Weise in der Vergangenheit betriebstreue Arbeitnehmer belohnen und Anreize für künftige Betriebstreue setzen. Das BAG hat die Anforderungen an solche Klauseln kontinuierlich verschärft. Soll mit der Sonderzuwendung neben der Betriebstreue auch die bereits geleistete Arbeit vergütet werden (sog. Mischcharakter), sind selbst solche Klauseln, die auf den 31.12. des jeweiligen Bezugsjahres abstellen, nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam (BAG NJW 2014, 1466; weitere Einzelheiten bei Henssler/Moll, AGB-Kontrolle vorformulierter Vertragsbedingungen, 2. Aufl., 2020, S. 57 ff.).

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