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2.Prüfungsaufbau
Оглавление209Die AGB-rechtliche Kontrolle arbeitsvertraglicher Bestimmungen ist danach in folgenden Prüfungsschritten durchzuführen:
1. Ist der Anwendungsbereich der AGB-Kontrolle eröffnet (§ 310 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 BGB)?
2. Liegen allgemeine Arbeitsbedingungen i. S. des § 305 Abs. 1 BGB vor? Keine Verdrängung durch Individualabrede (§ 305b BGB)?
3. Handelt es sich um eine überraschende Klausel im Sinne von § 305c Abs. 1 BGB? Hierbei ist die verwenderfreundlichste, d. h. für den Arbeitgeber günstigste Auslegung zugrunde zu legen. Ist die Klausel nach der arbeitgeberfreundlichen Interpretation für den Arbeitnehmer überraschend, wird sie von vornherein nicht Vertragsbestandteil.
4. Ist die Klausel nicht überraschend, so muss sie für die folgende individuelle Inhaltskontrolle zunächst inhaltlich ausgelegt, also ihre Bedeutung erfasst werden. Die Auslegung erfolgt an dieser Stelle ebenfalls möglichst arbeitnehmerfeindlich, da (wie im AGB-Recht bei verschiedenen Auslegungsalternativen allgemein anerkannt, vgl. MünchKommBGB/Basedow, § 305c Rdnr. 41 ff.) gemäß § 305c Abs. 2 BGB Zweifel bei der Auslegung zu Lasten des Verwenders gehen und daher eine Unwirksamkeit der Klausel nach den §§ 307 ff. BGB wahrscheinlicher wird.
5. Entspricht die Klausel inhaltlich einer tariflichen Regelung oder einer Betriebsvereinbarung (sog. Bezugnahmeklausel)? Bejahendenfalls findet nach § 310 Abs. 4 Satz 3 BGB i. V. m. § 307 Abs. 3 BGB keine Inhaltskontrolle, sondern nur eine Transparenzkontrolle statt. Voraussetzung ist allerdings, dass jeweils die gesamte Kollektivvereinbarung oder zumindest in sich abgeschlossene Teile der Kollektivvereinbarung zum Gegenstand des Arbeitsvertrags gemacht wurden. Dies ist nicht zu verwechseln mit dem Fall, dass eine Kollektivvereinbarung selbst kontrolliert werden soll, was gemäß § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB ausgeschlossen ist. Ferner unterfallen Hauptleistungspflichten aus dem Arbeitsverhältnis – etwa das Entgelt – nicht der Inhaltskontrolle (BAG NZA 2004, 597, 603).
6. Ist eines der Klauselverbote gem. §§ 309, 308 BGB oder die Generalklausel des § 307 Abs. 2, 1 BGB (in dieser Reihenfolge!) einschlägig?
7. Ist die Klausel nach 6. an sich unwirksam, so ist in einem weiteren Schritt zu überprüfen, ob ausnahmsweise arbeitsrechtliche Besonderheiten i. S. v. § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB der Unwirksamkeitsfolge entgegenstehen. So sind etwa Kurzarbeitsklauseln in Arbeitsverträgen entgegen § 308 Nr. 4 BGB bzw. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB wirksam, weil sie durch arbeitsrechtliche Besonderheiten gerechtfertigt sind (Rdnr. 206).
8. Führt die AGB-Kontrolle nicht zur Unwirksamkeit der Klausel, ist nun die arbeitnehmerfreundlichste Auslegung zu wählen (wiederum wegen § 305c Abs. 2 BGB).
210Im Falle der Unwirksamkeit der Klausel bleibt die Wirksamkeit des Arbeitsvertrags im Übrigen unberührt. An die Stelle der unwirksamen Klausel tritt die gesetzliche Regelung (§ 306 Abs. 1, 2 BGB). Eine Rückführung auf das noch zulässige Maß einer Klausel, sog. geltungserhaltende Reduktion, scheidet aus, da der Verwender von allgemeinen Arbeitsbedingungen auch das Risiko der Unwirksamkeit tragen muss und der Vertragspartner des Verwenders den Umfang seiner Rechte und Pflichten bereits aus den AGB ersehen können soll (BAG NZA 2005, 1111). Bei Altklauseln, die vor dem 1.1.2002 vereinbart wurden und der seither neu eingeführten AGB-Kontrolle nicht mehr standhalten, ist die durch ihre Unwirksamkeit entstehende Lücke über die ergänzende Vertragsauslegung zu schließen (BAG NZA 2005, 465), es ist also zu überlegen, was vernünftige Vertragsparteien vereinbart hätten, wäre ihnen die Unwirksamkeit der Klausel bekannt gewesen. Ist eine Arbeitsvertragsklausel unter Wahrung ihres Sinnes teilbar (sog. „blue-pencil-test“; Palandt/Grüneberg, § 306 BGB Rdnr. 7), kann dies dazu führen, dass sich die Unwirksamkeit nur auf einen Teil der Klausel bezieht.
211Praktiziert hat das BAG eine solche Teilrettung etwa bei Stichtagsklauseln, die für die Gewährung einer Sonderzuwendung/Prämie durch den Arbeitgeber auf ein „ungekündigtes Arbeitsverhältnis“ zu einem bestimmten Termin abstellen. Arbeitnehmer, denen betriebsbedingt gekündigt wurde, erhalten somit keine Leistung. Hier lässt sich nach Ansicht des BAG die Klausel durch schlichte Streichung des Wortes „ungekündigt“ teilweise aufrechterhalten (BAG NZA 2009, 783; vgl. ferner Rdnr. 215).